Johannes 12, 25

Wer sein Leben liebhat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt haßt, der wird’s erhalten zum ewigen Leben. (Johannes 12, 25)

Jetzt geht es zur  A u s f ü h r u n g.  Das ist nun freilich wieder etwas anderes. Da wird es uns gehen wie dem Johannes mit seinem Prophetenamt: im Munde ist die Sache süß, im Bauche aber macht sie Grimmen. Doch hilft der Zug Jesu, dieser starke Zug, auch da hindurch. Also zur Ausführung, zum Gehorsam der Wahrheit, zum ausharrenden Gehorsam! Wir wollen nicht nur einmal gehorsam sein, sondern fort und fort bis zum Ziel, bis wir Jesum auf dem Berge Zion von Angesicht zu Angesicht schauen dürfen, um ihn anzubeten und ihm zu sagen:  D e i n  Zug, dein heilsamer Zug hat uns hierher gebracht!

Jesus ist gestorben, daß er viele Frucht bringe, daß er sich in vieler edler Frucht vermehre. Daß nun dieses edle Weizenkorn auch in unser eigenes Herz falle und auch da einen Ableger bilde, eine Ähre mit vieler Lebenskraft, das bedarf schon auch Fleiß und Anstrengung auf unserer Seite. Das Christentum ist nicht nur ein Hören und Lernen des Katechismus, sondern darin besteht es, daß man eine Frucht werde, die aus dem Weizenkorn Christi herausgewachsen ist. Da gilt es. das eigene Leben zu verlieren, seine Faulheit zu überwinden; da darf man das Beten nicht sparen; da muß man sich für einen Sünder, für einen Gottlosen, für totes Fleisch halten. Ist man aber eine Frucht, die aus dem Weizenkorn herausgewachsen ist, dann darf man den Zug Jesu, damit er uns in die Höhe zieht, um so kräftiger und seliger erfahren. Wie ein Gewächs in die Höhe treibt und gezogen wird, so geht’s bei einem Menschen, dem Christus zum Leben geworden ist: eine geheime göttliche Kraft zieht ihn nach oben. Aber es geht fort und fort durch das Sterben hindurch.

Und wenn einer nicht mehr sterben und das eigene Leben verlieren will, dann ist’s gefehlt; es gibt einen Stillstand, oder es geht sogar rückwärts. Ein Christ wächst und gedeiht nur in der Gemeinschaft der Leiden Jesu. Wer den eigenen Willen dem Willen Gottes unterordnet und alles Leiden, das ihm in der Nachfolge Jesu begegnet, still hinnimmt und Jesu sein Kreuz geduldig nachträgt, der gedeiht, der wächst immer mehr in die Höhe; in dem wächst Jesu Zug fort, wie er wirken will. Selten ist der Wille Gottes mit unserem Willen eins; selten fehlt es bei einem Christen an allem Leiden. Ja, wenn uns einmal der Wille Gottes zur süßen Speise geworden ist, und wenn auch im Leiden die Liebe Christi Überschwang bekommen hat, daß wir vom Sterben und Verlieren unsres Lebens nicht mehr viel empfinden!

(Gottlob Baumann: Predigt am Sonntag Judica)

Eingestellt am 11. Januar 2022 – Letzte Überarbeitung am 15. April 2023