Und du, HERR, bist gnädig und bezahlst einem jeglichen, wie er’s verdient. (Psalm 62, 13) (Römer 2.6)
Gott, man lobet Dich in der Stille zu Zion: ach, so mache denn auch mein Herz durch Deinen sanften heiligen Geist in der Wahrheit stille zu Deinem Lobe. Meine Seele singet Dir, und meine Lippen preisen Deinen heiligen Namen, daß Du mich, nach Deiner ewigen Erbarmung, diese große und stille Woche hast erleben lassen, in welcher Du Deinen eingebornen Sohn für die ganze Welt, und auch für mich elenden Sünder insonderheit, in so unzählige Marter Leibes und der Seele bis zum Tode am Kreuze dahingegeben.
Nun, so müsse mir denn in dieser großen Woche auf’s neue groß werden meine ewige Erlösung, die mir durch diesen Deinen einigen Sohn geworden ist. Herr Jesu, ach daß alle Welt vor Dir stille würde in dieser Woche, stille in den Häusern, stille auf den Straßen und Gassen, stille bei Tag und Nacht. Doch mache nur vor allem andern mein Herz, das unruhige Uebel, stille zu, in und vor Dir, Du stiller Jesus. Sammle mein zerstreutes Herz, daß ich deine Stimme mit hörenden Ohren höre, wenn Du mir insbesondere in mein Inneres rufest:
„Mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden, und du hast mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten; ich aber, ich tilge deine Uebertretung um meinetwillen, und gedenke deiner Sünde nicht“.
Ja, daß auf Deinen himmlischen Zuruf: „daran gedenke, Jakob; Israel, vergiß mein nicht!“ aus dem innersten Grunde meines neuen Herzens wiederschalle: Ich denke daran, lieber Herr Jesu, und will Dir dafür von heute an auf’s neue dankbar sein! Ich will Dein Leiden und Sterben nicht mißbrauchen; sondern mit allem Ernst verehren. Ich begehre, Deinem Kreuz untertänig, gleichförmig und gehorsam zu werden, bis ich in der Wahrheit sagen kann: „Ich bin mit Christo gekreuzigt; ich bin mit Ihm gestorben, auf daß ich Gott lebe; ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir“.
So segne denn, erbarmender Heiland, Deines Leidens Anfang, Fortgang und Ausgang an mir Elenden. Segne den Anfang desselben zu einem gründlichen Anfang des ersten und völligen Glaubens mit wahrhaftigem Herzen an Deinen Namen. Segne den Fortgang Deiner Leiden zur Gründung in der Erkenntnis des Geheimnisses Deines Kreuzes, zur Einwurzelung in der Liebe und zur willigen Einsenkung in die Gemeinschaft Deines Todes. Segne den Ausgang Deiner Leiden an mir durch die Geduld in der Hoffnung, daß ich Dir stille bleibe unter allen Widerwärtigkeiten, Deinem Willen mich ganz in meinen äußeren und inneren Umständen aufopfere, und so aushalte durch Großes und Kleines, durch Böses und Gutes bis an’s Ende, daß ich mich dann ewiglich bei Dir in Deiner Herrlichkeit erfreuen könne, um Deines allerteuersten Verdienstes willen.
Amen.
(Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
Quelle: Glaubensstimme – Christliche Texte aus 2000 Jahren
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