Römer 6, 2

„Das sei ferne! Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollen wir noch in derselben leben?“ (Römer 6, 2)

Nun juble, Herz! Kannst du dir Herrlicheres denken oder Größeres begehren? Abgestorben sein für deine Sünde, tot, also unerreichbar und unberührbar sein für deinen gottlosen und boshaften Willen und unbeweglich für die an dir zerrende Zuckung deiner falschen Begehrung, welch ein Geschenk ist das, welche Erweisung der göttlichen Gnade, so groß, daß du nie genugsam danken kannst! Schon das war ein großes Geschenk, als das Gesetz Gottes zu dir kam und dich von deiner Sünde schied, so daß du sagen durftest: Was ich nicht will, das tue ich, und vollbringe, was ich hasse. Aber das war noch ein schwerer Stand, ein Elend, die Lage des ermüdeten Wanderers, der nach einem fernen Ziel strebt.

Nun aber tot sein für das Böse, das ist Erlösung, das ist Freiheit und Neuheit des Lebens an Stelle deiner Erstorbenheit. Gibt es das? Wenn ich mich selbst studiere, kann ich das nicht finden. Meine Sünde ist nicht tot, weder die alte, die einst geschah, deren Folgen nachwirken, noch die kommende, die mich heut und morgen in Gedanken, Worten und Werken schuldig macht. Allein davon, daß meine Sünde gestorben sei, sagt das Wort des Paulus nichts. Er kann mir nicht sagen: deine Sünde ist tot, weil er den Zusammenhang zwischen der Sünde und der Natur nicht verhüllt.

Was er uns dadurch sagt, daß er uns Fleisch nennt, kann ich nicht von mir wegschütteln. Das bin ich und mit dem Fleisch ist jene Begehrlichkeit in mir vorhanden, die das Gesetz verdammt, weil sie nur nach dem greift, was mir selber schmeckt und nützt und nicht nach Gottes Willen fragt. Du“, sagt mir Paulus, bist der Sünde gestorben“. Denn Christus ist gestorben, und sein Kreuz ist das Ende nicht nur der Strafe, nicht nur der Hölle, nicht nur des Zorns, sondern des Sündigens. Du kannst nicht von der Strafe frei werden, wenn du nicht vom Sündigen loskommst. Soll ich sagen, das sei eine Verheißung? O nimm es auch als Verheißung in deine Seele hinein. Eine Verheißung zu haben und erst noch eine solche, die dir den Tod für deine Sünde verspricht, ist eine große Sache. Aber ganz habe ich das Wort des Paulus noch nicht gefasst, wenn ich es nur in die Zukunft lege, etwa erst in jene Stunde, da mir der Tod den Leib zerbricht und das Leben an einem neuen Ort den neuen Anfang bekommt.

Denn Paulus beschreibt mir Christus und sein Werk nicht nur als zukünftig. Er ist auch gegenwärtig, und er ist dies in der Kraft seines Kreuzes mit seiner Heilandsmacht, durch die er für unsere Sünde gestorben ist. Indem der mich zu sich nimmt und mir das gibt, was er wirkt, tritt sein Tod mit seiner Segensmacht in mein Leben hinein, und die selige Frucht dieses meines Anteils an seinem Tod ist, daß ich für die Sünde tot geworden bin. Nun habe ich mich an Christus angeschlossen und bin von ihm gehalten und bewegt, und weil das etwas ganz anderes ist als meine Natur und etwas ganz anderes als mein natürliches Begehren, darum steht nun zwischen mir und meiner Sünde eine starke, sichere Scheidewand.

Was ich bin, darf nicht bleiben; es muß sterben und es wurde in den Tod gegeben, als Du, Herr Christus, Dein Kreuz getragen hast. Von Dir her kommt der neue Anfang meines Lebens auf Grund der gerichteten Sünde, auf Grund der vergebenen Schuld, auf Grund der ins Grab gelegten Natur. Neu ist dieser Anfang, durch Dich bewirkt, in Deiner Gemeinschaft mit mir begründet, im Glauben empfangen. Amen.

(Adolf Schlatter)

Seel’ und Leben, Leib und Glieder
Gibst Du alles für mich hin:
Sollt’ ich Dir nicht schenken wieder
Alles, was ich hab’ und bin?
Ich bin Deine ganz alleine!
Dir verschreib’ ich Herz und Sinn!

Zieh’ durch Deines Todes Kräfte
Mich in Deinen Tod hinein!
Laß mein Fleisch und sein Geschäfte
Mit Dir angenagelt sein,
Daß mein Wille sanft und stille,
Und die Liebe werde rein.

Quellen:

Betrachtung zum Vers: Glaubensstimme – Die Archive der Väter
Liedverse: Gerhard Tersteegen „Ruhe hier, mein Geist, ein wenig“
Weitere Betrachtung zum Vers von H. Kohlbrügge: externer Link zu evangeliums.net


Römer 6

Eingestellt am 10. Juni 2020 – Letzte Überarbeitung am 10. Dezember 2023