2. Korinther 6, 8

…durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte: als die Verführer, und doch wahrhaftig; (2. Kor. 6, 8)

Wer selbst einmal erfuhr, wie ihn Gott an die Grenze der Schande führte und dann errettete; erlebt hat, wie nur eine Stunde von schmachvoller Ausführung die schmachvollen Gedanken trennte, und innegeworden ist, wie im entscheidenden Momente Barmherzigkeit vor jähem Fall ihn bewahrte, der bekommt ein warmes Herz für alle Not des Lebens. Dieser Mensch ist ja nicht so behütet worden, hat nicht soviel aufhaltende Gewalten in seinem Leben gehabt, ist einsam gegangen, wenn der Feind ihn drängte – und nun verschließt man ihm Leben und Liebe: – Siehe, ich habe solche Versuchungen auch erfahren und wäre ihnen zum Opfer geworden, wenn Er nicht selbst gewacht und alles gut gemacht hätte. So wird man warmen Herzens, und läßt es den Sündern wohl bei sich werden. Man verlangt nicht eingehende Schilderungen, man sucht nicht die Erläuterungen und Erzählungen, man läßt es lieber die Armen fühlen, daß man selber arm war. Zum weichen und warmen Herzen kommt dann das weite Herz.

(Hermann Bezzel)

Quelle: Von der Barmherzigkeit und andere Schriften (Lesekammer)

Eingestellt am 25. Juni 2022