Offenbarung 12, 11 (Spurgeon)

„Und sie haben ihn [den Verkläger der Brüder] überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt bis an den Tod.“
(Offenbarung 12, 11)

Charles Haddon Spurgeon: Wie sie den Drachen überwanden

Es ist nicht mein Hauptzweck zu dieser Zeit, das vorliegende Kapitel zu erklären. Ich betrachte mich kaum als befähigt, irgend einen Teil des Buches der Offenbarungen auszulegen und keine Erklärungen, die ich je gesehen, reizen mich, die Aufgabe zu versuchen, denn sie beschäftigen sich meistens damit, alle früheren Deutungen zu widerlegen und ein Jeder scheint sehr glücklich darin, nachzuweisen, daß alle Übrigen ganz und gar nichts von der Sache verstanden haben. Die Totalsumme wirklicher Belehrung in fast allen Kommentaren zur Offenbarung läuft darauf hinaus, daß unser himmlischer Vater in seinem Worte einige geheimnisvolle Dinge gesagt hat, die wenige seiner Kinder bis jetzt noch verstehen. Das ist gerade, was wir hätten erwarten können, wenn Gott, der Unendliche, zu endlichen Menschen spricht und es ist ohne Zweifel die Absicht, uns zu demütigen und uns zu ehrfurchtsvoller Anbetung zu bewegen.

Glücklicherweise ist ein Segen für die da, welche lesen und hören und die Worte seiner Weissagung behalten, denn wäre der Segen nur auf die beschränkt, welche sie verstehen, so würden ihn wenige erlangen. Die Offenbarung ist ein sehr segensvolles Buch, aber ihre Entfaltung muß noch erst geschehen. Wenn ihr zu den Auslegern gehet, werdet ihr finden, daß sie in dieser Stelle das Drachenpanier des heidnischen Roms erblicken und die Entfernung desselben aus der bisherigen Stellung durch Konstantin, der das Kreuz an dessen Stelle aufrichtete. Ich glaube nicht, daß der Herr mehr Anteil an Konstantin nahm, als an jedem andern Sünder, und es scheint mir wenig besser als Lästerung, zu sagen, daß er der Sohn, das Knäblein war, der alle Heiden sollte weiden mit der eisernen Rute und entrückt ward zu Gott und seinem Stuhle. Seine Annahme des Christentums als Staatsreligion war nichts, worüber die seligen Geister sich freuen konnten, sondern ein furchtbares Unglück, nur geeignet, zum Gespött fürs Pandämonium*. Niemand tat je der Kirche einen schlimmeren Dienst, als der, welcher sie zuerst mit dem Staate verband. Die Tat war ein Stück Staatspolitik und Regierungskunst und nichts mehr, eine Handlung die der Aufzeichnung durch eine inspirierte Feder gänzlich unwürdig war.

* Pandämonium (oder seltener: Pandaimonion) steht für die Gesamtheit aller Dämonen oder ihren Aufenthaltsort; allgemein: einen Ort des Grauens.

Es würde wenig Nutzen bringen, großen Auslegern durch die Geschichte des römischen Reiches zu folgen, die sie ganz in den Gesichten des Johannes finden: solche Übung würde mehr für einen andern Tag passen und mehr unter die Bezeichnung: „Geschichte“ als Theologie gehören. Ich kann euch nur das geben, was, wie mir scheint, ihr und ich unter der Vision verstanden haben würden, wenn sie uns gewährt worden wäre. Es scheint mir kein Stück einer fortlaufenden Offenbarung zu sein, sondern eine kurze Zusammenfassung der Gesichte, die darauf folgen und in einiger Hinsicht eine Vorrede zu denselben. Denkt daran, daß es eine Vision ist und nicht kalten Blutes Wort für Wort verdolmetscht werden muß oder gelesen, als wenn Verbindung und Zusammenhang überall erkenntlich sein müßten. In diesem Kapitel können wir, wie in einem Panorama, den ganzen Kampf zwischen den Prinzipien des Guten und Bösen, zwischen Gott und Satan sehen. Wir haben vor uns den alten, uranfänglichen Streit zwischen dem Weibe und der Schlange, womit das inspirierte Buch beginnt und eine klare Entwicklung der ersten Verheißung: „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, zwischen deinem Samen und ihrem Samen“.

Das Weib in den Tagen seiner Unschuld ward angegriffen von „der alten Schlange, welche ist der Teufel und der Satan“, und sie fiel rasch genug als eine Beute seines Betruges, zum gänzlichen Verderben unsers Geschlechts. Am Ende dieses ersten listigen Anlaufes und schnellen Sieges stieß der Satan auf einen Rückschlag in Worten wie diesen: „Der Weibessame soll dir den Kopf zertreten und du wirst ihn in die Ferse stechen“; eine Verheißung, welche erklärte, daß, obgleich der Weibessame viel von Satans Hand leiden muß in Folge der Sünde, er doch am Ende siegen und die Macht des Bösen zerstören wird.

In der Offenbarung ist der Schauplatz verlegt von Eden nach dem Himmel, und da steht wieder vor euch das Weib und die Schlange, in derselben Kampfesstellung wie vorher, die Schlange noch der angreifende, nur dies Mal noch offener. Beachtet, wie beide, Weib und Schlange, sich entwickelt haben; die Eine ist eine Königin geworden, mit himmlischer Pracht geschmücket, und die Andre eine Riesenschlange mit einem Schwanz, so ungeheuer, daß er die Sterne wegzufegen droht mit jedem Schwunge. Das Weib ist nicht mehr ein einfaches, kindliches Wesen, sondern ein Zeichen; sie geht nicht unter Bäumen und Blumen umher, sondern unter den Gestirnen des Himmels. Sie ist bekleidet mit der Sonne, der Mond ist unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen. In ihr seht ihr die große Sache der Wahrheit und der Gerechtigkeit verkörpert – sie ist in der Tat die Kirche Gottes in allen Zeitaltern, das Weib, deren Samen alle Völker der Erde segnet. Die herrliche Sache der Heiligkeit und Gott, in der Kirche Fleisch geworden, ist gekleidet mit dem Glanze des Lichts, der Wahrheit und der Majestät. Wir wollen uns nicht dabei aufhalten, die Einzelheiten der prachtvollen Darstellung zu erklären, denn in einer solchen Sache ist es beinahe frivol, in die Einzelheiten einzugehen. Die Kirche hat ihre größeren und kleineren Lichter: sie ist bedeckt mit der nicht abgeleiteten Herrlichkeit der inwohnenden Gottheit, und ihr Wandel ist hell von dem zurückstrahlenden Glanze der Heiligkeit, während ihre Krone der Freude gefunden wird in ihrem Predigtamt und Dienst am Wort, wie es durch die apostolischen Zwölfe dargestellt wird. Sie ist schön wie der Mond, klar wie die Sonne und schrecklich wie die Heeresbanner. Schaut denn das typische Weib und seht, wie herrlich die Sache der Wahrheit und Heiligkeit ist.

In der Vision ist das königliche Weib im Begriff, den verheißenen Samen zu gebären; sie schreit in ihrer Angst, „war in Kindesnöten und hatte große Qual zur Geburt.“ Dies kann natürlich die Kirche darstellen, wie sie Tag und Nacht zu Gott schrie in vergangenen Zeiten um das Kommen des verheißenen Erlösers – ein Schrei, der an Stärke und Angst des Sehnens wuchs, wie die Zeit nahe herbei kam; aber es kann auch den beständigen Zustand der wahren Kirche abbilden, die immer „mit Ängsten gebiert,“ bis daß Christus eine Gestalt in den Menschenherzen gewinnt, bis das Knäblein, nämlich Christus, mystischerweise, hienieden geboren werde, bis Christus so unter den Menschenkindern dargestellt werde, daß er und alle die, welche durch die Gnade den Bösen überwunden haben, die Heiden weiden sollen mit einer eisernen Rute. (Offenbarung 2, 26.27)

Ihr seht, im Gesichte, nun das Weib, die Kirche, und vor ihr steht ein andres Zeichen – die Schlange mächtig entwickelt. Sie wird ein großer, roter Drache genannt: ungeheuer an Umfang und furchtbar in der Erscheinung ist dieses Sinnbild des Übels, und bekleidet mit dem grauenvollen Glanze, der ihm eigentümlich ist, dem Glanze des tödlichen Hasses und der stolzen Empörung. Hell und brennend gleich Feuerflammen, ist die ungeheure Schlange schrecklich anzuschauen. Der Python ist rot vor Zorn und scharlachgefärbt von boshaften Verfolgungen. Rot ist die Farbe Edoms, des Feindes des Herrn und seines Israels, und es ist noch immer die auserwählte Farbe der furchtbaren Macht des Antichrists, die ihren Hof zu Rom hält. Was ist die letzte ihrer bösen Gaben an unser eigenes Land anders als ein roter Hut für seinen Erz-Priester? Dieser große, rote Drache ist voller List, denn er hat sieben Häupter. Ein satanisches Haupt wäre genug, aber unser großer Feind besitzt eine beinahe vollkommene Erfindungskraft im Bösen, er gebraucht eine Weisheit, die fast unendlich ist, um den Sturz der Kirche zu bewirken, und das Verderben Christi und der Übrigen unter den Menschen, die aus himmlischen Samen geboren sind! Zu diesen sieben Häuptern kommen noch zehn Hörner, die Sinnbilder der Macht, denn der Fürst, „der in der Luft herrschet“, ist keineswegs schwach; er hat in der Tat mehr Macht als Weisheit, da er nur sieben Häupter zu zehn Hörnern hat und dennoch, da nach der Ordnung der Natur jedes Haupt zwei Hörner haben sollte, können wir auch sagen, daß er nicht Macht genug hat, alles auszuführen, was seine Arglist erfindet. Durch die Macht, die dem Drachen zu Gebote steht, bringt er die Menschen dahin, sich gegen das Gesetz Gottes zu empören und reizt sie an, die Kirche zu verfolgen. Die Macht des Bösen ist groß in allen Landen, und wenn sie einem wehrlosen Weibe in elender Lage gegenüber steht, so scheint es ganz unmöglich, daß dieses dagegen Stand halten könne. Die Häupter sind auch gekrönt, denn der Satan beherrscht mit mehr als königlicher Gewalt die Gemüter der Menschen; er ist der Gott dieser Welt (2. Kor. 4, 4), sie lieget in dem Argen (1. Joh. 5, 19). Es ist seine Freude, diese Macht zu entfalten, und er vertraut sehr auf äußern Pomp, deshalb trägt er sieben Kronen auf seinen sieben Häuptern, als wenn Ein Diadem nicht genug wäre, sein Königtum anzukündigen. Seine ungemeine Kraft wird auch dadurch an den Tag gelegt, daß er die Himmel in seiner Wut peitscht und den dritten Teil der Sterne hinunter zieht – es ist allezeit sein Ehrgeiz, die Finsternis tiefer zu machen und das Licht zu zerstören, und furchtbar ist ihm dieser sein auserlesener Zeitvertreib gelungen.

Seht also vor euch das Weib in ihrem Glanz und ihrer Lieblichkeit und den Drachen in seiner Wut und Macht. Der Drache lauert auf die erwartete Geburt, er ist gierig, das Knäblein zu fressen, sobald es geboren ist, – den idealen Menschen, den Sprößling des göttlichen Lebens wünscht er zu zerstören. Es war so, als unser Herr Jesus geboren ward; Satan reizte den Herodes auf, das junge Kind zu suchen, daher der Mord der unschuldigen Kindlein. Aber der Drache war übermeistert, Jesus lebte, bis seine Stunde gekommen war, und dann ward er zu Gott und seinem Stuhl entrückt. So strebte Satan auch den neugeborenen Samen zu fressen, als der zu Christo Bekehrten noch wenige waren, und sein mystischer Leib auf Erden gleich dem eines kleinen Kindes war. Er verfolgte das Knäblein, als das Evangelium zuerst gepredigt ward; aber je mehr seine Diener die Heiligen verfolgten, desto mehr wuchs ihre Zahl. Die Methode, die Pharao in Ägypten befolgte, war eine verschlagene, aber sie gelang nicht und konnte nicht gelingen. Die Verfolgung verfehlt immer ihren Zweck.

Heutzutage, Brüder, ist das Knäblein, unser Herr Jesus, entrückt zu Gott und sitzt auf seinem Thron; und ein Teil des mystischen Leibes Christi ist auch dort, weit über des Drachen Bereich hinaus. Jesus herrscht mit seinen Heiligen in einer Region, wo kein Mann mehr für den Drachen ist, einem Gebiete, aus dem der Drache für immer hinaus auf die Erde geworfen ist. Alle Macht, die Satan je in himmlischen Dingen hatte, ist nun vorüber durch das vollbrachte Werk unsers erhöheten Herrn:

„Wie sträubte sich die alte Schlang‘,
Als Christus mit ihr kämpfte,
Den weder List noch Macht bezwang,
Der ihren Grimm noch dämpfte,
Ob sie ihn in die Ferse sticht,
So sieget ihre Wut doch nicht,
Der Kopf ist ihr zertreten.“

In Folge unserer Sünde und seiner eigenen Macht über den Tod schloß Satan uns den Himmel zu, aber nun ist der Kampf in den höheren Regionen zwischen dem Drachen und dem Weibessamen vorüber, und wir sind in das „himmlische Wesen“ gesetzet und Satan ist für immer verbannet. Es ist nichts Verdammliches mehr an uns (Röm. 8, 1), kein Fußbreit, auf dem der Arge stehen könnte, nun wir in Christo sind. Wenn wir hier „Himmel“ lesen, versteht darunter nicht den Ort der Seligen, wo Gott wohnet, sondern das geistliche Gebiet, das Reich geistlicher Dinge. Der erste Kampf zwischen Wahrheit und Irrtum liegt in rein geistlichen Dingen, in jenen „himmlischen Örtern,“ (n. engl. Übers., Eph. 2, 6) wohinauf Christus seine Kirche gehoben hat, es ist ein Ringen zwischen guten und bösen Geistern und nicht ein Kampf mit Fleisch und Blut. Wir finden Engel zuerst diesen Streit beginnen. Wir wissen nur sehr wenig davon, aber es scheint, als wenn der große Drache des Übels mit Engeln sowohl als mit den Menschen Krieg geführt hat. Milton sang von diesen Kämpfen der Engel in majestätischen Versen, aber Milton war nicht inspiriert, und war nicht unfehlbar, wir müssen uns in Acht nehmen, Poeten nicht mit Propheten zu verwechseln. Es ist klar, daß gute und böse Geister notwendig im Widerspruch mit einander stehen und es ist auch klar, daß in vergangenen Zeiten Satan die Schar der Engel versuchte und jene Engel, die ihr Fürstentum behielten, waren ein für alle Mal siegreich; sie verwarfen seine sündhaften Anforderungen, und nun hat er keine Macht mehr über sie. Niemals wieder kann er sie versuchen, sie werden für immer fest stehen, bestätigt in ihrem seligen Fürstentum. Michael und seine Engel haben den Teufel und seine Engel in einer entscheidenden Schlacht geschlagen und dadurch, daß sie treu im Gehorsam verharrten, haben sie aus den Reichen der Engel die eindringende Macht des Bösen vertrieben.

In den Geisterreichen wohnen außer den Engeln noch Andere, unsre Brüder, welche den Körper verlasen haben, die Heiligen der alten Zeit und die Treugebliebenen der ersten Kirche; diese wohnen auch in einer Region, aus der Satan vertrieben ist, er kann sie nicht mehr beunruhigen. Der Text läßt uns den Siegesgesang der Verklärten hören, da der Satan für immer aus dem Reich der Seligen geworfen war und nie zurückkehren sollte in dies geistliche Gebiet, um sie zu plagen. „Und ich hörete eine große Stimme, die sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich und die Macht unsers Gottes und seines Christus geworden, weil der Verkläger unsrer Brüder verworfen ist, der sie verklagt Tag und Nacht vor Gott.“ Auf die Sänger dieses Liedes will ich eure Aufmerksamkeit richten und hauptsächlich auf Einen Punkt in Betreff ihrer. Sie haben Satan überwunden; ich möchte, daß ihr dies beachtet und die Waffen, durch welche sie siegten.

Von allem Übrigen absehend, wollen wir unsre Aufmerksamkeit richten auf die Sieger und die Waffen, durch welche sie das Feld behielten. Zuerst wollen wir beachten, daß die Seligen vor dem Thron alle Streiter und Sieger waren; zweitens, daß sie alle mit denselben Waffen fochten und drittens, daß sie alle in demselben Geiste fochten.

I.

Erstens, alle Seligen, die jetzt im Himmel frohlocken, waren einst hienieden Streiter und Sieger. Es ist dies eine sehr einfache Wahrheit, aber wir haben es nötig, an sie erinnert zu werden.

„Einst litten sie viel Trübsal hier
Und weinten Tag und Nächte lang,
Sie kämpften hart, wie jetzo wir
Mit Sünden, Furcht und Zweifeln bang.“

Wir denken zu oft an die Heiligen, die uns vorangegangen sind, als ob sie Menschen einer andern Art wären als wir, edlerer Dinge fähig, mit Gnaden begabt, die wir nicht erreichen können, und geschmückt mit einer Heiligkeit, die für uns unmöglich ist. Die Künstler des Mittelalters pflegten die Heiligen mit einem Heiligenschein zu malen, aber in der Wirklichkeit hatten sie keinen solchen Hof um ihr Haupt; ihre Stirne war mit Sorgen gefurcht eben wie die unsre, und ihr Haar ward grau vor Kummer. Ihr Licht war im Innern und wir können es haben, ihre Herrlichkeit kam aus der Gnade und dieselbe Gnade ist für uns erreichbar. Sie waren Menschen mit denselben Leidenschaften, wie wir, „unsre Brüder,“ obgleich ein wenig früher geboren. Es wird klar aus unserm Text, das ein Jeder der Heiligen im Himmel vom Satan angefallen war. Wie hätte ein Sieg sein können ohne eine Schlacht? Sie wurden alle angegriffen von dem einen oder dem andern der Häupter oder Hörner des Drachen. Wenn ihr unter einer furchtbaren Versuchung leidet, die euch beinahe schwanken macht, haltet das nicht für etwas Sonderbares; werdet nicht entmutigt, als wenn eine ganz neue Versuchung euch überfallen hätte. Derselbe feurige Pfeil ist auf andrer Menschen Herzen abgezielt, ehe er von eurem Schilde aufgefangen ward. Wenn die Einflüsterung in hohem Grade profan [von lat. profanus: unheilig, gemein] und lästerlich sein sollte, so daß ihr euch selber verdammt und sagt: „Keine andre menschliche Seele konnte je mit einer so schmutzigen Eingebung befleckt werden“ , verzagt nicht, denn dergleichen Einflüsterungen sind in die Seelen der Reinsten hineingeworfen worden, eben wie die schlechtesten Diebe suchen mögen, in das Haus des ehrlichsten Mannes der Stadt einzudringen. Selbst denen, die in diesem Augenblick ohne Fehler vor dem Throne Gottes sind, ist es begegnet, als sie hienieden waren, daß entsetzliche Versuchungen sie anfielen.

Satan ist stets seit seinem Falle ein Versucher der schlimmsten Art gewesen und immer, seit er zuerst unsre Mutter Eva verführte, hat er fortgefahren, Menschenseelen mit derselben List zu umstricken, mit derselben Grausamkeit, derselben Falschheit und derselben Ruchlosigkeit gegen den Herrn. Es wird euch helfen, wenn ihr daran denkt, daß ihr nicht allein seid und daß der Pfad, den ihr betretet, von den am meisten begnadigten Auserwählten gegangen worden ist. Paulus, der ganze Provinzen für Christum gewann, hatte nichtsdestoweniger seine Satansengel, die ihn mit Fäusten schlugen (2. Kor. 12, 7) und hatte den Zweifeln und Befürchtungen, die ihm von der alten Schlange eingegeben wurden, zu widerstehen, gerade wie ihr es müßt. Wenn ihr die himmlischen Sieger einen nach dem andern hättet prüfen können, wie sie in das Perlentor eintraten, so würdet ihr sie alle mit Narben bedeckt gefunden haben: obgleich sie weder Flecken noch Runzel oder des etwas an sich tragen, doch hatten sie alle in den Tagen ihres Fleisches den grausamen Zahn und Biß jener höllischen Schlange zu fühlen; Keiner von ihnen hatte einen ebenen Pfad zu durchschreiten und nahm seinen Thron ohne Kampf ein; ebenso wenig werdet ihr ohne Streit überwinden. Auch für euch wird ohne Kreuz keine Krone sein; deshalb wundert euch nicht, wenn ihr auf alle Weise angegriffen werdet.

Die Verklärten waren nicht bloß angegriffen worden, sondern hatten dem Bösen widerstanden, denn Niemand überwindet einen Widersacher, ohne mit ihm zu kämpfen. Zu einem wirklichen Kampf gehören zwei Seiten der Sache, aber mir ist bange. Manche, die sich Christen nennen, wissen viel vom Versuchtwerden, aber sie wissen nicht viel vom Widerstehen. Nun, Brüder, wie groß auch unsre Versuchung, unser Widerstand muß größer sein. Versucht werden, ist etwas Gewöhnliches, selbst bei den schlechtesten und verworfensten der Menschen, aber der Versuchung widerstehen ist das Zeichen des Gotteskindes. Der Vers, den ich eben anführte, sagt:

„Sie kämpften hart, wie jetzo wir,
Mit Sünden, Furcht und Zweifeln bang.“

Nicht nur, daß sie „Sünden, Furcht und Zweifel“ hatten, diese mögen Alle haben, aber sie „kämpften hart“ mit denselben, sie wollten nicht von ihnen niedergeworfen werden, sie wollten keinen Zoll nachgeben, sie standen auf ihrer Hut, bis sie das Schwert des Geistes gerade durch das Herz des Feindes trieben. Sie „widerstanden bis aufs Blut über dem Kämpfen wider die Sünde“. Seid versichert, lieben Freunde, daß die Sünde niemals ohne Widerstand überwunden werden wird, und wenn wir unsre Arme übereinander schlagen und meinen, wir würden den Sieg erhalten dadurch, daß wir glauben, wir hätten ihn, so sind wir in großem Irrtum. Wir müssen wachen und beten und ringen und kämpfen und vorwärts dringen. „Diese Art fähret nicht aus, denn durch Beten und Fasten“.

Die Seligkeit ist nicht durch die Werke, aber das Überwinden der Sünde erfordert Kampf Tag für Tag; der Sieg wird uns nicht zu Teil, während wir stille liegen, sondern wir müssen aufgerüttelt werden mit aller Energie des ewigen Geistes, um das Übel zu besiegen. Diese Kanaaniter müssen aus dem Lande vertrieben werden durch die Gewalt der Waffen, ehe wir unser Erbteil völlig in Besitz nehmen können. Lasst dieses denn unser Gebet zu unserm großen Josua sein, wenn wir unsern Harnisch anlegen und unser Schwert aus der Scheide ziehen:

„Du bist der Heil´gen König, Herr,
Bezwing in mir die sünd´gen Mächte,
Den Drachen treib´ von seinem Thron
Und alle seine Höllenknechte.“

Wir finden, daß alle diese Krieger überwanden, denn der Himmel ist nicht für die, welche nur streiten, sondern für die, welche überwinden. „Wer überwindet, der wird´s alles ererben.“  – „Ich streite wider meine Sünde,“ sagt Einer. Bruder, überwindest du sie? Schien es eine harte Frage, die ich vorhin stellte, als ich sagte: „Widersteht ihr?“ – Es ist eine härtere Frage, die ich nun stelle: „Überwindet ihr?“ Denn wenn die Sünde euch überwindet, wenn in der Regel die Sünde euer Herr ist, so habt ihr noch erst zu lernen, was wahre Religion ist, denn von den Heiligen heißt es: „Die Sünde wird nicht herrschen können über euch, sintemal ihr nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade.“ Es gibt ein Seufzen und Schreien, das allen Heiligen gemeinsam ist.

„Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?“ ist nicht die Erfahrung einer Stunde, die nie wiederkehrt; es läuft mehr oder minder durch das ganze Leben hindurch; aber gedenkt daran, es ist auch von hoffnungsvollem Vertrauen in die Macht der göttlichen Gnade begleitet, denn der Apostel sagt weiter: „Ich danke Gott durch Jesum Christum, unsern Herrn“. Der Gläubige fühlt den Streit, aber er freut sich auch des Sieges. Er ringt und überwindet zu gleicher Zeit. Ich wünsche, einige meiner Brüder könnten sehen, wie dies möglich ist. Wir sind siegreich, aber nicht ohne einen Kampf; unser Sieg ist erfochten, und wir haben weit überwunden, aber doch gehen wir vorwärts zu neuen Kämpfen und legen unser Schwert nie bei Seite. Des Christen Stellung ist der Napoleons sehr ähnlich, welcher zu sagen pflegte: „Eroberung hat mich zu dem gemacht, was ich bin und Eroberung muß mich erhalten“; so mit dir, Christ; du hast überwunden durch Jesum Christum, aber du hast noch zu überwinden und weiter zu gehen, wie er es tat, „siegend und daß er siegete“ (Offenbarung 6, 2). All dieses durch die Kraft des heiligen Geistes. Was ist´s, wenn ich heute durch die Gnade in den Stand gesetzt bin, eine anklebende Sünde zu überwinden, ehe eine Stunde vorüber ist, kann ich eine andere Sünde fühlen, die sich in meinem Busen regt, und ich darf ihr nicht nachgeben, ich bin verpflichtet, jede Versuchung zu besiegen, so wie sie mich anfällt. Wenn ich den Satan durch das Blut des Lammes überwinde, bin ich ein Christ, aber nicht anders, denn wenn irgend eine Sünde mich beständig überwindet, kann ich nicht in den Himmel eingehen. Wenn ich eine Sünde in der Kraft des heiligen Geistes besiege, muß ich erwarten, mit anderen zu streiten, denn zwischen hier und dem Himmel darf ich niemals weder einen Waffenstillstand annehmen, noch auf ein Ende der Feindseligkeiten hoffen. Niemals darf der Christ seinen Harnisch ablegen, niemals zu sich selbst sagen: „der Kampf ist ausgefochten, der Sieg ist gewonnen und ich habe nichts mehr zu tun“. Du bist eingeschrieben, Bruder, für einen lebenslangen Kampf: wenn du in deinem Grabe liegst, dann mag gesagt werden: „Der Kampf ist vorüber“, aber so lange du hier bist, wirst du innerhalb der Schußweite des Feindes sein, und es ist möglich, daß dein härtester Kampf auf deinem Sterbebett sein wird, eben wie John Knox, nachdem er den Teufel in allen Arten und Gestalten besiegt, als er im Sterben lag, den schwersten Kampf seines ganzen Lebens zu bestehen hatte. So mag es mit dir sein, aber du bist verpflichtet, zu überwinden. Angriff, Widerstand und Sieg muß dein sein.

So freuen sie sich denn alle im Himmel, weil sie überwinden haben, denn der nächste Vers nach unserem Texte lautet: „Darum freuet euch, ihr Himmel, und die darinnen wohnen.“ Es ist ein Gegenstand der Freude im Himmel, daß sie stritten, widerstanden und siegten. Jene weißen Kleider bedeuten Siege, ebenso jene Psalmen; aber es hätten keine Siege sein können, wären keine Kämpfe gewesen. Es ist Freude unter den Engeln, denn sie hatten ihren Kampf, als sie fest gegen die Versuchung standen, und nicht abwichen, als des Drachen Schwanz den dritten Teil der Sterne des Himmels nach sich zog: aber unser Sieg wird eigentümlich süß sein, unser Gesang besonders melodisch, weil unser Kampf besonders hat gewesen ist. Wir fielen, wir standen wiederum auf, wir wurden bewahrt, unterstütz, aufrecht erhalten, und in Stand gesetzt, am Ende zu überwinden, und deshalb wollen wir uns auf ewig vor dem Throne Gottes freuen.

Ich verlasse diesen Punkt, aber ich möchte, daß ihr die Anwendung davon auf euch selber machtet – Widersteht ihr? Überwindet ihr? Behält das göttliche Leben die Oberhand über die Sünde? Laßt uns nicht uns selber betrügen. Wenn die Sünde unser Herr ist, werden wir verderben; die Gnade muß in uns herrschen oder wir sind in einem elenden Zustande. Seht den Sieg über die Sünde nicht als einen Luxus an, den die Leite des höheren Lebens genießen, – er ist ein Zustand, in den wir alle kommen müssen oder wir sind nicht selig geworden. Die Heiligkeit ist kein Luxusartikel für einige Wenige, sie ist eine Notwendigkeit für alle Heiligen; und was gepredigt wird als eine höhere Vollendung, die durch eine zweite Bekehrung erlangt werden kann, ist in Wahrheit ein notwendiger Teil der ersten Bekehrung, wenn diese vom Herrn ist. Die Sklaven der Sünde sind nicht die Kinder Gottes. Wenn die Sünde in eurem sterblichen Leibe herrscht, seid ihr tot in ihr. Wenn Satan die Herrschaft über euch hat, seid ihr nicht in Christo Jesu, denn „welche aber Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden.“ Wo die Gnade lebt, herrscht sie entweder oder kämpft um den Thron; sie kommt in die Seele zu dem Zweck, mit dem Bösen Krieg zu führen und es zu stürzen. Wo die Lade des Herrn ist, da muß Dagon auf sein Angesicht fallen und zerbrechen. „Wer da sündigt, der hat ihn nicht gesehen noch erkannt,“ sagt der Apostel Johannes und er sagt die Wahrheit. „Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt,“ und wenn ihr die Welt die Herrschaft erlangen lasset, könnt ihr nicht von Gott geboren sein. Nun verlasse ich diesen Punkt, hoffend, daß wir alle Beschwerden tragen werden als gute Streiter Jesu Christi und am Ende die Krone des Lebens empfangen.

II.

Nun zweitens, die Sieger fochten alle mit denselben Waffen. Sie hatten zwei Waffen und diese zwei waren eins, das Blut und das Wort. „Sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses.“ Zuerst, das Blut des Lammes: es war ihres. Das Blut des Lammes wird uns nicht helfen, bis es unser eigen wird. Sie gingen zu Jesu im Glauben und erhielten die Versöhnung, das reinigende Blut ward auf sie gesprengt, es sprach ihrem Gewissen Frieden zu, es nahm ihre Sünde hinweg, sie wurden darin gewaschen, sie wurden weiß gemacht wie frisch gefallener Schnee. „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.“ Sie waren weiland ferne, aber sie sind „nahe geworden durch das Blut Christi;“ sein Blut fuhr fort, ihnen Zugang zu Gott zu gewähren, denn es machte sie kühn, dem Thron der Gnade nahe zu treten. In der Tat, dies Blut war so sehr ihres, daß es das Leben ihres Geistes war; es war ein erquickender Wein für sie und wurde die höchste Freude ihrer Seele. Brüder, wenn ihr und ich unter diesen Siegern sein sollen, so muß das Blut unser eigen sein, im Glauben angeeignet. Wie steht es um dich heute Morgen? Hat das Blut dich rein gemacht, mein Bruder? Wohnt das Blut in dir als dein Leben? Hat das Blut des Lammes dir Gemeinschaft mit Gott gegeben und dich nahe gebracht? Wenn das, so bist du auf dem Wege, durch das Blut zu überwinden.

Das Blut des Lammes, nach dem Vers, der unserm Texte vorhergeht, hat ihnen alles gegeben, was sie bedurften, denn es gab ihnen Heil. Sie wurden errettet, vollständig errettet. Jesus Christus, als sie ihn ergriffen und die Kraft seines Blutes fühlten, erlösete sie von aller Missetat und brachte sie aus dem Reiche Satans heraus. Dann erhielten sie Kraft: beachtet dies Wort. Sie waren tot gewesen, aber sie erhielten Leben: sie waren schwach gewesen, und wurden stark in dem Herrn, denn der, welcher die Kraft des Blutes Jesu kennt, ist stark gemacht, um große Taten zu tun. Dann erhielten sie das Reich, denn das Reich kommt durch das überwindende Blut Jesu zu uns und er hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott, weil er getötet war. Es heißt ferner, daß sie Macht hatten (Die englische Übersetzung lautet: „Nun ist gekommen Heil und Kraft, und das Reich Gottes und die Macht seines Christus“), oder Autorität. Unser Herr, der von den Toten auferstanden war, bekleidete seine Jünger mit Autorität, als er sprach: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, darum gehet hin und lehret sie und taufet sie.“ Geliebte, wenn wir des Blutes Jesu Christi teilhaftig geworden sind, hoffe ich, daß es diese vier Dinge uns gibt – Errettung aus der Sünde, Kraft aus Schwachheit, ein Reich der Gemeinschaft mit Christo und Autorität, in seinem Namen zu sprechen. Es ist das Blut des Bundes und es sichert uns alle diese Bundesgaben Gottes. Es ist das Leben unsers Lebens das Alles in Allem von Allem, was wir besitzen. So denn, hatten sie das Blut des Lammes und besaßen alle Vorrechte, welche das Blut mit sich bringt.

Aber der Hauptpunkt des Textes liegt in der Tatsache, daß sie mit dem Drachen stritten vermittelt des Blutes des Lammes und damit überwanden. Wie taten sie das? Es ist leicht zu entdecken. Sie überwanden die Schrecken des Satans mit dem Blut der Versöhnung. Satan ist der große, rote Drache, ein häßlicher, siebenköpfiger Python, schrecklich anzuschauen, gehörnt gleich der Schlange, welche der „Ägyptische Cerastes“ genannt wird. Der Mensch scheut das Schlangengeschlecht und würde am allermeisten ein Ungeheuer scheuen, so grauenhaft wie dieses, so voller Gift, so rot von Wut. Der Kampf scheint ungleich zwischen diesem entsetzlichen Ungeheuer und dem Samen eines schüchternen Weibes. Doch, wenn wir mit dem Blute Christi besprengt sind, sind wir unverwundbar und fürchten nicht den Drachen, denn wir gedenken der Verheißung, die sagt: „Auf den Löwen und Ottern wirst du gehen.“ Wenn die Versöhnung unserm Herzen Friede bringt, so schrumpft der große Drache zu einer bloßen Schlange mit einem zerbrochenen Kopfe zusammen, von der geschrieben steht: „Auf deinem Bauch sollst du gehen und Erde essen dein Leben lang.“ Wir können das Zeichen von Christi Ferse auf dem zertretenen Kopfe sehen und was mehr ist, wir hoffen in Kurzen unsre eigene Ferse da zu sehen, denn es ist uns gesagt, daß der Herr „in Kurzem den Satan unter unsre Füße zertreten“ will. Ich rechne auf die zeit, wo der Herr ihn unter meine Füße zertreten wird; es soll ein so starker Fußtritt sein, als ich nur geben kann, dafür steh ich euch. ER hat uns alle so viel versucht und auf die Probe gestellt, daß der Sieg, den wir gewinnen werden, einer sein wird, der Jesu viel Ruhm bringt und wir werden nicht unterlassen, ihm Lob zu singen, so lange wir Dasein haben. So hört unsere Furcht vor dem Satan auf, wenn wir sehen, das Christus uns von dem Fluche erlöst und den Satan als einen Feind unter unsre Füße gelegt hat. Unsre Herzen frohlocken in deiner Gegenwart, o Zerstörer des Teufels und seiner Werke und wir triumphieren in dir.

„A und O, Anfang und Ende,
Erst´ und Letzter nennt er sich,
Faßt die Höll´ in seine Hände
Als der Sieger königlich.“

Durch das Blut des Lammes überwinden wir den Satan als den Verkläger der Brüder. Dies Kapitel sagt uns ausdrücklich, daß er die Brüder Tag und Nacht verklagte; und es gibt eine sinnvolle Überlieferung bei den Juden, daß Satan die Auserwählten Gottes Tag und Nacht verklage ausgenommen am Versöhnungstage, dann sei er still. Gepriesen sei das sterbende Lamm, die Versöhnung schließt den Mund des Löwen fortwährend, denn das Sühnopfer dauert das ganze Jahr hindurch. Weder in dem Gerichtshof des Himmels, noch in dem Gerichtshof des Gewissens können des Feines Anklagen uns schaden, denn das Blut unsers Stellvertreters ist ein Schutz gegen alle Rechtsforderungen an uns. Wenn wir durch den Glauben versichert sind, daß Jesus unsre Sünde weggenommen hat, was für Grund haben wir dann zur Furcht? Wenn die Strafe, die unsrer Sünde zukam und die Sünde selbst von unserm großen Bürgen hinweggetragen sind, so daß die Sünde in die Tiefe des Meeres versenkt ist und hinter Gottes Rücken geworfen, (Jesaja 38,17) wer kann uns dann Schaden tun? Brüder, ergreift nur die Versöhnungslehre und erkennt, daß ihr Teil daran habt, so wird der Verkläger der Brüder zum Schweigen gebracht durch die Stimme des Blutes.

Wir überwinden durch dasselbe Mittel den Satan in seiner List. Er hat sieben Häupter, aber wir sagen ihm, daß Jesus starb und das bricht alle sieben Häupter und zerstört die siebenfache Klugheit seiner Schlingen. Er würde, wenn es möglich wäre, selbst die Auserwählten verführen, aber das Geheimnis des gesprengten Blutes ist das, was die Heiligen davor bewahrt, je von ihm getäuscht zu werden. Wer will sie scheiden von der Liebe Christi? Knüpft nicht die Erlösung durch das Blut sie fest an ihren Erlöser? Ihr könnt nicht irgendwo im Rechten sein, wenn ihr über die Versöhnung unrichtig denkt, aber wenn ihr gesunde Lehre von dem stellvertretenden Opfer habt, so ist wenig Furcht daß ihr in irgend einen schweren Irrtum geratet. Wie die einmal magnetifizierte Nadel fortfährt, den Pol zu suchen, so werden die, welche einmal von der Liebe ihres sterbenden Bürgen berührt sind, sicher derselben sich erinnern und können nicht auf lange einer andern Richtung zugewendet werden. Was des Drachen Hörner der Macht betrifft, so ist die Macht des Blutes größer. Da wird durch Christum von der Macht des Satans erlöst sind, kann er seine Gewalt über uns nicht wieder erlangen. Seine Macht ist gebrochen. Und die Kronen, die er trägt, was kümmern uns die? Wir sind von seiner Macht befreit, weil wir durch das Blut Jesu Christi erlöst sind und Satan kann nie wieder die Herrschaft über uns führen. Und der energische Einfluß, der durch seinen Schwanz dargestellt wird, – er mag die Sterne des Himmels auslöschen und die glänzendsten Namenchristen herunterziehen, daß sie als Apostaten auf die Erde fallen, aber er kann uns nicht schaden, denn wir werden „aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret zur Seligkeit.“ Umschlinget das Kreuz, liebe Brüder, denn da seid ihr aus dem Bereich des Giftes der alten Schlange; sie mag zischen, aber mehr kann sie nicht tun. Keine Woge kann je einen armen Sünder von dem Felsen des Heils wegspülen, kein Sturm kann einen Bußfertigen aus den Spalten dieses Felsens treiben. In den Wunden Jesu sind wir sicher vor aller Wut des Satans. In unsern Schlachten mit Satan brauchen wir keine andre Artillerie als das versöhnende Blut, das trifft und überwindet ihn an allen Punkten. Die andre Waffe ist für den Gebrauch in der Verbreitung des Evangeliums und das Niederwerfen der Macht des Teufels über unsre Mitmenschen. Sie überwanden ihn durch das Blut des Lammes, das Wort ihres Zeugnisses. Nun, Brüder, was ist das Zeugnis der Heiligen? Es ist ein Zeugnis von dem Blut des Lammes. Wenn wir je den Satan in der Welt besiegen wollen, müssen wir das Versöhnungsblut predigen. Wo immer die Versöhnungslehre in irgend welchem Maße in der Kirche verdunkelt wurde, da ist in eben dem Maße die Kirche gesunken; aber ihr werdet finden, daß wo nur eine klare Verkündigung der Gerechtigkeit durch den Glauben an Jesum Christum ist, da tritt die Kirche in ihrer Herrlichkeit hervor und zertritt des Drachen Haupt. Liebe Brüder, wenn ihr Seelen von der Macht des Satans befreien wollt, müßt ihr das Opfer Christi predigen und seine Kraft, die Sünde hinwegzutun. Legt Satan den Menschen die Ketten der Trunkenheit oder Unreinheit oder Selbstgerechtigkeit an, so predigt das Blut Jesu als den einzigen Heilsweg, laßt sie sehen, wie die Sünde in ihm gestraft ward und wie bereit der Herr ist, ihnen zu vergeben, und sie werden sich aufmachen und zu ihrem Vater gehen. Sagt dem Sünder, daß Gott im Stande ist, seine Sünde hinweg zu nehmen, weil Jesus starb, und von Reue gerührt, unter der Leitung des heiligen Geistes, wird der Sünder sich losmachen von der siebenköpfigen Herrschaft des Teufels. Wenn ihr diesen selben Sünder zitternd vor Verzweiflung findet, von seinem Gewissen verklagt, erschrocken, wie vor einem großen, roten Drachen, so könnt ihr ihn aufheitern durch „die alte, alte Mähr“ von erlösender Gnade und sterbender Liebe. Das Blut Jesu ist der Tod der Verzweiflung. Es ist keine Waffe gleich dem Zeugnis von dem reinigenden Blut, um Verzagtheit zu töten. Sagt dem Sünder, es gäbe keine Sünde, die ein Mensch getan hat, welche das Blut nicht hinwegnehmen kann; geht bis an den Pforten der Hölle mit eurem Zeugnis von der Vergebung durch Blut und ihr werdet am Rande des Verderbens Einige finden, die euch willkommen heißen. Sagt den Dieben im Gefängnis und den Verbrechern, die zum Tode verurteilt sind und den Ruchlosen auf ihrem Sterbebett, daß noch immer Leben ist in einem Blick auf den Gekreuzigten, und wenn ihr dies tut, werdet ihr sie von des Herzens Härtigkeit befreien, die spricht: „Es ist keine Hoffnung.“ Wenn Satan die Sünder mit falschen Hoffnungen betrügt und sie dahin bringt, auf Priester und Sakramente zu trauen, dann gibt es keinen Weg, den Satan in ihnen zu überwinden, als durch die Macht des Blutes Jesu. Ich glaube, Brüder, wäre die Versöhnung in den Kirchen Englands vor einigen Jahren in rechter Weise gepredigt, so würden wir jetzt nicht mit diesem wiederbelebten Papsttum heimgesucht; aber es war viel Verdunkelung der Lehre von der Genugtuung für die Sünde da, viel Zurückhalten der großen Lehre von dem stellvertretenden Opfer und deshalb, da die Menschen einen Heiland und ein Opfer brauchen, gehen sie, wenn ihr ihnen den nicht bietet, weg, um einen falschen zu suchen und sie finden einen solchen falschen in der Priesterschaft der römischen und anglikanischen Kirchen. Haltet die Predigt von dem einen vollendeten Opfer aufrecht und der Drache muß fliehen. Wie St. Patrick alle giftigen Kreaturen aus Irland vertrieben haben soll, so laßt Jesum Christum kommen und aller Schlangensame flieht vor ihm – er kann die große Wahrheit von dem sühnenden Tode des Sohnes Gottes nicht tragen. Richte das Kreuz auf, junger Mann, wenn du an den Ecken der Straße stehst; was immer du nicht wissen magst, wisse die Lehre von der Versöhnung; was immer du den Leuten nicht sagen kannst, sage ihnen von Jesu Christo, der am Hole für Sünder hing und mache ihn zum Hauptgegenstand deiner Unterhaltung. Wenn du Traktate schreibst und kannst die Offenbarung Johannis nicht erklären, und Wenige von uns können das, erkläre Golgatha, weile viel beim Schädelhügel und in Gethsemane, „denn ich, wenn ich erhöhet werde,“ sagt Christus, „so will ich sie alle zu mir ziehen.“ Bleibt bei dem Kreuze, das ist die Hauptanziehung; dies ist das Holz, dessen Blätter zur Gesundheit der Heiden dienen: dies ist die Zentralsonne des Evangeliums, und ihr Licht wird die Finsternis zerstreuen, aber nichts Andres wird das tun. Israel kann nicht aus Ägypten heraus, ehe das Blut des Lammes auf die Schwelle und die zwei Seitenpfosten der Häuser gesprengt war: es überwand durch das Blut des Lammes. Die Welt der erlösten Sünder wird nie bekehrt werden, bis wir dies großartigste aller Wunder vor Augen stellen, das Passahlamm und das Blut, im Glauben an die Tür gesprengt. Laßt uns immerfort die Seligkeit durch das blutende Lamm verkünden und die Macht Satans in ihrem Grunde erschüttern.

III.

Ich muß mit dieser letzten Bemerkung schließen, daß, während Alle mit denselben Waffen fochten, Alle in demselben Geiste kämpften, denn der Text sagt: „Sie haben ihr Leben nicht geliebet bis an den Tod.“ Meine Brüder, was bedeutet dies? Ich wünsche, wir könnten es fassen und es durch unser Leben dolmetschen.

Der Ausdruck zeigt unerschrockenen Mut an. Sie fürchteten nie die Lehre von einem blutenden Heilande, noch schämten sie sich zu rufen: „Siehe, das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.“ Laßt uns nie uns unsrer Hoffnung schämen. Es ist so viel Streben in unsern Tagen nach gelehrten Predigten, solche Liebe für Worte-Spinnen und Theorien-Erfinden; aber laßt uns Narren sein um Christi willen und bei dem alten Evangelium bleiben, und kein andres Banner für unsern Krieg haben, als die eherne Schlange, die erhöhete, Jesum Christum, den Gekreuzigten. Laßt uns nie weichen vor dem Lachen und Gespött. Einige von uns sind das Echo der Puritaner genannt worden: ja, der ehrenvolle Titel „Ultimus Puritanorum,“ der letzte der Puritaner, ist uns selber beigelegt worden. Es ist gut, wir wünschen keinen höheren Doktorgrad, denn die alte Theologie ist uns sehr teuer. Wir heften unsre Fahnen an den Mastbaum. Das Versöhnungsblut ist das wahre Leben, die Seele und das Mark unsers Predigtamtes und soll es sein, so lange wir leben.

Diese Männer hatten neben ihrem unerschrockenen Mut unverbrüchliche Treue. „Sie haben ihr Leben nicht geliebet bis an den Tod“. Sie hielten es für besser zu sterben, als den Glauben zu verleugnen. Sie konnten nicht verführt, nicht irre geleitet werden durch Bestechungen und Anerbietungen von Nebenverdiensten, und wenn das Leben selber in die Waagschale geworfen ward, sie schwankten nicht, sie blieben bei dem Kreuze. Brüder, ich wollte, ihr Alle tätet dies, ihr hättet alle den Mut, eure Überzeugung von Christo zu bekommen und dann die Treue, Stand zu halten in bösen Zeiten.

Mehr als dies, sie waren vollkommen in ihrer Hingabe. Sie haben ihr Leben nicht geliebet bis an den Tod. Sie gaben sich, Körper, Seele und Geist, der Sache hin, deren Symbol das teure Blut ist, und diese Hingabe führte sie zu vollkommener Selbstaufopferung. Kein Christ von rechter Art sieht irgend etwas als sein eigen an. Wer wirklich die Kraft des Blutes Christi kennt, sagt: „Ich bin nicht mein eigen, ich bin teuer erkauft“; und für ihn ist leben oder sterben, arm oder reich sein, krank oder gesund, Ehre oder Schande, nicht eine Sache der Wahl – er ist seines Herrn eigen, und hat sich rückhaltlos hingegeben und liebt nicht sein Leben bis an den Tod. Ich meine, dies ist der Geist, in dem das Evangelium Christi gepredigt werden muß. Brüder, wir werden nie das Evangelium in die Fronten kommen sehen, so daß es den Drachen besiegt, bis wir es in diesem Geiste dahin bringen. Wenn Gott Männer und Frauen unter uns erwecken wird, die nur leben, um die Kraft des Blutes Jesu Christi zu beweisen und für Nichts Anderes leben, die des Heilands Leben zeigen, was das Blut für sie getan hat und bereit sind, zu sterben, um ihren Herrn zu verherrlichen, dann werden die Zeiten kommen, wo der Gesang des Sieges gehört werden wird, dann wird das Weib in Kindsnöten ihren Lohn erhalten und dann wird der Drache mit ewiger Schande bedeckt werden! Möge Gott euch diesen Morgen segnen, indem er euch es gibt, die Kraft des Blutes zu erkennen um Jesu willen.

Amen.

Quelle: C. H. Spurgeon, in Glaubensstimme – Die Archive der Väter


Eingestellt am 27. Dezember 2021 – Letzte Überarbeitung am 18. September 2023