Matthäus 15, 21-28: Das Kreuz der Gläubigen

Matthäus 15, 21-28

An diesem gleubigen Cananeischen Weibe wird vns ein Exempel fürgestelt / wie GOtt pflege Haußzuhalten mit den Frommen vnd Gleubigen: Wir bilden vns ein / weil sie GOtt lieb seyn / so solten sie billig GOtt jmmer im Schoß sitzen / vnd er solte jhnen eitel Rosen / wie man sagt / zulachen: Aber so machts GOtt nicht / sondern schleicht manchmahl als ein Feind auff sie zu / nimbt sie hart mit / vnd schicket jhnen schwer Creutz zu. Das hat sich nicht allein an diesem frommen Weiblein erzeiget / sondern an andern mehr: Abraham war From̃ vnd Gottselig / er muste viel leiden: Jacob war auch From̃ vnd Gottselig / es begegnete jhm ein Creutz vnd Vnglück vber das ander / daß er selbst bekennet / Gen. 47. Wenig vnd böß sey die zeit seines Lebens. Mose war From̃ vnd Gottselig / vnd war ein sehr geplagter Mensch vber alle Menschen auff Erden / Num. 12. Hiobs gleichen war nicht an frommigkeit vnd Gottseligkeit im gantzen Lande / im gantzen Lande wart auch keiner so hart mit genommen vnd angegriffen. Was sol ich sagen von David dem Mann nach dem Hertzen des HErrn? Er wahr zu Leiden gemacht. Summa es ist war worden vnd noch war / der Gerechte mus viel leiden / Psal. 34. Wir müssen durch viel trübsal in das Reich GOttes gehen / Act. 14. Vnd alle die Gottselig leben wollen in Christo JEsu müssen verfolgung leiden / 2. Tim. 3.

Solch schwer Creutz / vnd daß GOtt auff die Frommen als ein Feind zuschlecht / daß ist jhnẽ eine schwere anfechtung / daß sie sich wol einbilden / GOtt habe mit jhnen nichts zu thun / ja das sie wol mit Hiob sagen: 30 cap.: Du bist mir verwandelt in einen grawsamen / vnd zeigest deinen gram an mir mit der stercke deiner Hand: Vnd das mehr ist / aus dem 7. cap. Meine Seele wünschet erhangen zu seyn / vnd meine Gebeine den Todt / ich begehre nicht mehr zu leben. Aber GOtt hat dessen seine vrsachen die vns zum besten gereichen / deren ich nur 2. andeuten wil: Eins thuts GOtt ohn allen zweiffel vmb der Gottlosen willen / daß die dadurch zur Buß sollen geleitet werden vnd gedencken / siehe / nimbt GOtt die Frommen so hart mit / was wird an dir dermahl eins geschehen / der du GOtt nicht für Augen heltst? Dahin siehet Petrus 1. cap. 4. Es ist zeit das anfahe dz Gerichte an dem Hause GOttes: So aber zu erst an vns / was wils für ein ende werden mit denen / die dem Evangelio GOttes nicht gleuben? Vnd so der Gerechte kaum erhalten wird / wo wil der Gottlose vnd Sünder erscheinen? Christus gehet auch dahin Luc. 13. Da hatte Pilatus etlicher Gallileer Blut mit dem Opffer vermischt / vnd der Thurn in Siloha war auff achtzehen Menschen gefallen vnd hatte sie jemmerlich zerquetschet: Da meineten etliche / daß diese für allen andern müsten Sünder seyn / dieweil es jhnen so vbel ergangen: Aber Christus antwortet: Meinet jhr / daß diese Gallileer für allen Gallileern Sünder gewesen sind / dieweil sie das erlitten haben? Ich sage / nein / sondern so jhr euch nicht bessert / werdet jhr alle auch also vmbkommen. Oder meinet jhr / daß die achtzehen auff welche der Thurn in Silohafiel / vnd erschlüg sie / sein schuldig gewesen für allen Menschen die zu Jerusalem wonen? Ich sagen nein / sondern so jhr euch nicht bessert / werdet jhr alle auch also vmbkommen.

Derwegen wenn wir sehen vnd vernemen / das es denen die frömmer sein als wir / vbel gehet vnnd sie schwer Hauß-Creutz vnd groß Vnglüch haben / so sollen wir in vns schlagẽ vnd sagen: Geschicht das am grünen Holtz / an den From̃en / was wil am dürren / an der Gottlosen werden / Luc. 23. vnd derwegen vns dadurch von der Gottseligkeit zur Buß lassen auffmuntern vnd bewegen.

Aus: Tuckermann, Peter: Eine Predigt Vom Cananeischen Weiblein Dom. Reminiscere. Zu Harst gethan. Wolfenbüttel, 1619.

https://www.deutschestextarchiv.de/book/view/tuckermann_predigt_1619?p=11