Römer 8, 1

So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist. (Römer 8, 1)

Nichts Verdammliches? Widerspricht dem nicht mein Gewissen und die tägliche Erfahrung? Waren nicht heute am Tage noch gewisse Gedankengänge und Empfindungen in meiner Seele verdammlich? Da ist es schon eine Erleichterung, daß der Grundtext eigentlich sagt: „So ist nun keine Verdammnis [κατάκριμα, katakrima] an denen…“

Verdammnis als Endurteil Gottes über einen Menschen, der in Christo Jesu ist, kann es wohl nicht geben. Denn in Christo Jesu sein, das wird doch wohl heißen, auf seiner Seite stehen, ihm kindlich trauen, auf seine Hilfe hoffen. Sind wir so sein Eigentum, dann ist die Verdammnis abgewendet, von ihm für uns getragen und trifft uns nicht mehr. Dessen muß ich mich heute abend trösten: an mir und in mir ist mancherlei Unruhe und mancherlei Schwäche, aber seine Gnade hat keine Lücke. Die deckt all meine eigene Erbärmlichkeit ganz zu, so daß ich mich nicht auf meine Bravheit verlasse, sondern auf sein Erbarmen. Es ist dabei nebensächlich, ob ich schöne Gefühle, große Freudigkeit und süße Andacht empfinde, es kommt bloß auf meines Glaubens Richtung an: sucht meine Seele ihn, dann deckt er Schuld und Übertretung, und das nicht nur heute, sondern er wird den ganzen Prozeß meines Lebens zum seligen Ende hinausführen.

O Herr Jesu, lies eben in meiner armen, bedrückten Seelenverfassung die Sehnsucht nach dir und deiner Gnade. Deck mich mit deiner Versöhnung und tröste mich mit deiner Liebe! Amen.

(Samuel Keller)

Jesus Christus hat in seiner geheimnisvollen Tat am Kreuz so total die Schuld der Menschheit gelöscht und den Menschen mit Gott versöhnt, da Jesus in seiner Person
wirklich unser Friede mit Gott ist. Wer Jesus in sein Leben aufnimmt, hat damit die große Vergebung empfangen. Menschen sehen unsere Schuld und rechnen sie uns vielfältig
an. Gott sieht bei einem Menschen, der in Christus Jesus ist, überhaupt keine Schuld mehr. Er ist in Gottes Augen ganz rein. Über ihm steht kein Verdammungsurteil Gottes mehr. Er hat seine Heimat in Christus Jesus gefunden. Diese neue Heimat prägt ihm nun ihren Stempel auf.

Quelle:

Erich Schnepel: Bibelstudien – Der Römerbrief, Kapitel 8: Gewissheit in Jesus Christus

Völliger Sieg in Jesus

Der Bann ist aufgehoben für die, die in Christo Jesu sind. Der Sünde und darum auch dem Satan, der hinter der Sünde steht, ist das Recht abgesprochen. Die Sünde darf uns nicht mehr verdammen, sie ist getilgt. Auch können uns Sünde und Satan nicht mehr unterjochen und gefangenhalten. Satan muß seine Beute loslassen, er hat kein Recht mehr an die, die in Christus Jesus sind. Der Glaubensblick auf den Herrn Jesus und die Glaubensstellung in ihm bringen die Lösung des quälenden Rätsels: Wer wird mir elendem Menschen helfen? Der Kampf ist gewonnen durch Jesus. –

Und doch ist damit noch nicht für alle Zeit der innere Zwiespalt überwunden. Man steht nicht mit einem Schlag für immer in Römer 8. Es kommen Rückschläge und Rückfälle. Der Glaubensblick verdunkelt sich, die Glaubensstellung wird erschüttert. Das finstere Alte macht sich wieder mit Macht geltend. Man gibt nach, unterliegt. Neue Buße, neues Ergreifen des Heils muß erfolgen. – Das Gesetz Gottes hat noch nicht mit einem Schlag so ganz hineingeleuchtet. Man würde es nicht ertragen. Es sind noch unerhellte Partien im Seelenleben. Man meint, über alles schon hinübergehoben zu sein, und singt Jubellieder, kennt aber noch nicht im Licht des Gesetzes sein Grundverderben. Mit der Zeit wird so manches erst ans Licht gezogen. Man empfindet: es stimmt da und dort noch nicht, ich bin von dem und jenem nicht los, ich hänge noch am Geld, an der Ehre, an mir selbst, an der Gesundheit, am Leben, am Genuß.

Da gibt es neuen Kampf, vielleicht erst nach langem Schwanken neuen Sieg in Christo. – Gewisse Lieblingssünden spielen uns immer wieder einen bösen Streich, übervorteilen uns: Zorn, Ungeduld, unüberlegtes Reden. Das wirft uns in Römer 7 zurück. Wir klagen und jammern, bis wir wieder den Glaubens- und Siegesboden errungen haben. – Es kommen besondere Proben, z. B. Leidensproben. Wir geben dem Willen Gottes recht nach dem inwendigen Menschen. Aber wir können uns doch nicht gleich in ihn fügen, uns ihm willig unterwerfen. In Jesu ist der Sieg. Aber wir haben ihn nicht gleich im Glauben. – Es gibt Plagegeister, die uns Gott an die Seite setzt. Wir sollen nach seinem Willen überwinden. Aber statt dessen werden wir überwunden von Unwillen, Gehässigkeit oder Abneigung. Wir verurteilen uns selbst, aber können und wollen oft auch im Grund nicht überwinden, werfen die Last ab oder laufen aus der Schule. –

Unser Ziel ist und muß sein, in Römer 8 stetig und ganz zu stehen, so daß keine Anklage mit Recht uns mehr treffen kann, so daß nicht nur alles vergeben, sondern auch alles überwunden ist. Denn aus den Gebundenheiten und Niederlagen, dem immer neuen Nachgeben und Straucheln erheben sich immer neue Anklagen. Das Ziel ist, daß wir in Jesu wandeln und von seinem Geist uns in allem regieren lassen, kurz: ein Überwinderleben führen. Und das ist, gottlob, möglich.

(Dr. Carl Eichhorn)

Paulus hat tief empfunden, was es bedeutet „im Leibe zu sein“. Für unser Sehfeld sind die Grenzen durch das festgelegt, was uns die Sinne geben, und unser Begehren entsteht durch das, was unser Leib bedarf. Freude und Leid, was uns wehtut und was uns erfreut, beides sprudelt in uns durch die Weise hinein, wie die natürlichen Vorgänge uns berühren. Unser ganzer Verkehr mit den Menschen, alles, was wir ihnen geben oder von ihnen empfangen, wird durch den Leib vermittelt, begrenzt, geschwächt und befleckt. Aber unser inwendiger Verkehr mit Gott ist ganz an unsere leiblichen Verrichtungen gebunden; auch zum Glauben brauchen wir ein normal arbeitendes Gehirn. Paulus schilt unser Versenktsein in den Leib nicht. So sind wir durch den schaffenden Willen Gottes, der uns durch den leiblichen Vorgang begabt und regiert. Er fragt aber: gibt es nicht noch eine andere Macht, die uns ebenso kräftig umfaßt, wie unser Fleisch es tut? Ist die Natur das einzige, was uns trägt und formt? Und er antwortet: Christus ist da, und darum sind wir in Ihm.

Durch die Natur wird uns Gott nicht so gegenwärtig und wirksam, daß ich ganz und immer in Berührung mit Ihm wäre. Denn sie trägt mir nicht jene Gnade Gottes zu, die mich inwendig in meinem Willen mit Gott einigte. Nun ist uns aber Christus gegeben und in Gottes Weise bei uns gegenwärtig, durch nichts von uns getrennt, in Gottes Macht wirksam, daher Herr über unser ganzes Wesen, auch über die inwendige Bewegung unseres Geistes, der uns verleiht, was uns Gottes Gnade gibt. Was bedeutet nun das, daß wir nicht nur im Leib, sondern in Christus sind? Das ist das Ende der Verurteilung. Als die, die im Leib sind, sind wir unter dem Gesetz, daher im Streit mit ihm, da unser natürliches Begehren dem Gesetz Gottes widerspricht, folglich in der Schuld, die durch die Übertretung des Gesetzes entsteht. Darum bedürfen wir noch einen anderen Ort und Herrn als unseren Leib und dieser ist uns dadurch gegeben, daß Gott uns Christus gab.

Nur das ist das Ende der Not, die uns die Natur und das Gesetz bereiten. Nun stehen wir unter der Gnade, sind bedeckt durch das Versöhnen Jesu und von seinem Geist bewegt. Daher gibt es keine Verurteilung mehr für uns. Uns hilft nicht eine stückweise Vergebung, nicht ein Freispruch in diesem oder jenem Fall. Denn die Verurteilung trifft mein Wesen, verwirft das, was ich bin, somit beständig will und tue. Diese Verurteilung ist nun ganz von mir genommen, weil Christus mich in seine Macht und Gnade hineingesetzt hat.

Kehre ich mich weg von Dir, Herr Christus, so entsteht der Jammer. Wende ich mich Dir zu, so beginnt der Dank, der jede Klage verdrängt. Du machst Dich zu unserem Herrn. Was bedarf ich mehr? Das ist Gerechtigkeit und Heil. Amen.

(Adolf Schlatter)


Eingestellt am 24. Oktober 2021 – Letzte Änderung am 28. Oktober 2023