Matthäus 5, 14+15

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. (Matthäus 5, 14)

Wenn der Herr einmal sagt, daß Er das Licht der Welt sei (Johannes 8, 12), und hier nun zu Seinen Jüngern spricht: „Ihr seid das Licht der Welt“, so widersprechen sich diese Worte keineswegs. Jesu Jünger sind das Licht der Welt ebenso gewiß, wie Er es war. In der Beziehung, daß Er die Versöhnung für die Sünden der Welt war, steht Er allein und regiert ohne Mithelfer. Er trat die Kelter allein. In der Beziehung aber, daß Er durch Sein Beispiel die Eigenschaften des Wesens Gottes darstellte, nimmt Er denselben Platz ein, den Seine Gläubigen einnehmen sollen. Jeder errettete Sünder kann und muß eine Darstellung der Heiligkeit und Liebe Gottes sein, wie Jesus es auf Erden war. Gott, der Allerhöchste, hat Seine Gläubigen dazu ausersehen, das Licht der Welt zu sein.

Viele Eigenschaften Gottes können im Schöpfungswerk betrachtet werden; unendlich klarer noch sind sie uns in Seinem offenbarten Worte dargestellt. Aber es sind nur wenige denkende Gemüter, die das Buch der Natur studieren, und auch die Schar, die mit Ernst Gottes heiliges Wort betrachtet, ist verhältnismäßig klein. Der Wandel aber und das Betragen der Gläubigen sind das Buch, das alle Menschen lesen. Der Wandel der Christen ist allen denen offenbar, die sie umgeben. Es bedarf keines begründeten Scharfsinnes, um ihre Worte und Werke beurteilen zu können. Sowohl Gelehrte als auch Ungelehrte beachten ihr Verhalten genau. Und unzählige Menschen würden nie daran gedacht haben, das offenbarte Wort zu untersuchen, wenn sie nicht dadurch zur Aufmerksamkeit auf Gott gebracht worden wären, daß sie Sein Wesen im Wandel Seiner Kinder offenbart sahen. – Wenn die Kinder der Welt sehen, was die Jünger Jesu durch den Glauben an das Evangelium geworden sind, dann werden sie oft bewogen, diesem zu lauschen, es zu untersuchen und es schließlich auch anzunehmen.

Die Pflicht aller Gemeinden Jesu ist auch die jeder einzelnen Gemeinde und jedes Gliedes. Jede christliche Gemeinde ist zum Licht der Welt gesetzt, um Gottes Heiligkeit und Liebe zu zeigen und dazu zu dienen, Sünder zum Heiland zu locken. Wenn eine Gemeinde sich nicht als ein solches Licht der Welt erweist, das in klarem Gegensatz zu der argen, verfinsterten Welt ringsumher steht, so verdient sie nicht den Namen einer Gemeinde Jesu. Da nun aber jede Gemeinde aus verschiedenen Mitgliedern besteht, hängt ihre Beschaffenheit eben auch von derjenigen der einzelnen Glieder ab. Jedes Mitglied ist berufen, „ein Licht der Welt“ zu sein, „ein lebendiger Brief Christi, der von allen Menschen erkannt und gelesen wird“ (2. Korinther 3, 2). Wenn ein Mitglied der Gemeinde Christi ein solches Licht, ein solcher lebendiger Brief von dem Gott der Liebe und der Heiligkeit nicht ist, verliert es sein Recht, derselben anzugehören. Er ist dann nur ein Schade und schließlich auch eine Schande für die Gemeinde, wie auch ein vielleicht noch größerer Schade für die Welt ringsumher.

Liebe Brüder und Schwestern! Steht es so mit jemandem unter uns? Wir stellen diese Frage nicht, damit nun jemand umhersehe und mit seinem Urteil über andere herfalle, sondern, damit jeder Jünger Jesu sich selbst frage: „Steht es so mit mir?“ – O, daß ein jeder unter euch sich bitten ließe, aufrichtig zu untersuchen, was gerade bei ihm, seinen Ansichten oder Worten und Werken, das Reich Christi und die Ehre Seines Namens hindern kann.

Möchte jeder, der sich Jesu Jünger nennt, in vollem Ernst diese Frage stellen: „Was findet sich bei mir, das dem Lästerer Raum geben und die Bekehrung der Sünder hindem kann? Bin ich nicht in irgendeiner Weise Schuld daran, daß ein Mensch das Wort verachtet, das Christentum für Scheinheiligkeit ansieht?“ – Möchte jeder Christ in dieser Stunde untersuchen, was bei ihm das Reich Christi hindern kann, und möchte er dann keinen Augenblick zögern, Rat und Hilfe dagegen zu suchen. Es möge weh tun, es möge Schmerzen bereiten; aber es ist besser jetzt als später. Laßt uns nie vergessen, daß „der Zweig, der keine Frucht bringt, abgehauen und ins Feuer geworfen werden“ soll (Matthäus 7, 19).

Dies ist nun eigentlich nicht zu denen gesagt, die sich täglich selbst strafen und richten und jetzt von sich wegblicken und ganz in Christus einhüllen sollten, daß ihre Seele in Seiner Gnade die Ruhe und Stärke empfängt, die für die Heiligung erforderlich sind. Wir reden hier zu denen, die bei dem Bekennen des Evangeliums leichtsinnig und nachlässig sind. Von ihnen sagt Luther: „Hier taugt es nicht, auf ihren Mund zu sehen, sondern auf ihren Wandel“. Ja, hier gilt es nicht, daß du schön reden kannst, sondern ob du auch eine Beweisung des Geistes und der Kraft hast. Es ist leicht, sich Gottes und Christi zu rühmen. Aber, ob dein Glaube auch wahr und aufrichtig ist, das soll sich dadurch beweisen, daß derselbe in deinem Herzen einen heiligen Geist mit sich bringt, der deinen alten Menschen angreift, bindet und kreuzigt und dich demütig und liebevoll macht. Du wirst zwar dennoch hier nie mit deiner Heiligung und Kraft zufrieden werden, sofern du wach bist und vom Bezauberer nicht in die Einbildungen der Selbstherrlichkeit verstrickt worden bist; du wirst vielmehr immer noch deine Sünde mehr als deine Heiligkeit fühlen. Aber andere werden bezeugen, und zu lichteren Zeiten wirst du mit dem Apostel bekennen, daß „die Gnade Gottes doch nicht vergeblich an dir gewesen“ sei (2. Korinther 6, 1), und daß die wichtigsten Geistesfrüchte, obwohl nicht in dem Maße, wie du es wünschest, doch deinem Glauben gefolgt sind.

Herr, laß unser Tun und Leben
Auch dem Deinen ähnlich werden!

(Carl Olof Rosenius)

Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. (Matthäus 5, 15)

Ein Scheffel ist ein nützliches Gerät, das sich früher in jedem Haus befand, weil die Leute ihr Korn selbst mahlten und den Scheffel als Kornmaß benutzten.

Dieses nützliche Kornmaß scheint mir die Beschäftigung des gewöhnlichen Lebens darzustellen, die gewöhnlichen und natürlichen Arbeiten und Sorgen des Haushalts.

„Aber“, fragt ihr, „soll eine Hausfrau nicht eine Hausfrau sein?“

Allerdings. Aber trotzdem braucht sie ihre Gottseligkeit nicht zu verbergen. Hat ein Geschäftsmann nicht auf sein Geschäft zu achten? Natürlich hat er das. Aber er braucht deshalb nicht seine Seele zu verlieren oder den Seelen anderer zu schaden.

Behalte deinen Scheffel, aber stelle ihn dahin, wohin er gehört. Ordne alle weltlichen Dinge der Ehre Gottes unter. Willst du zu Hause nachsehen, lieber Freund, welchen Raum dein Geschäft und dein Glaube in deinem Leben einnehmen? Was kommt zuerst? Ist der Glaube dein Geschäft oder das Geschäft dein Glaube?

Scheint dein Licht auf dem Scheffel, oder wird dein Licht vom Scheffel verdeckt?

Ich weiß, daß auch ein Pastor sein Licht unter den Scheffel stellen kann. Seine Arbeit kann ein reiner Formdienst sein, der ihn zum Schauspieler macht. Man dient dem Evangelium am schlechtesten, wenn man es zu einem Broterwerb macht. Sobald wir sozusagen amtlich predigen, haben wir alle Vollmacht verloren.

Das Licht soll auf den Leuchter gestellt werden, und jeder sollte ein angemessenes Bekenntnis seines Glaubens ablegen. Wenn du nicht freiwillig herauskommst und dein Licht leuchten läßt, so wird dich der Herr des Hauses wahrscheinlich herausholen.

In früheren Jahren ließ der Herr seine Gemeinde durch die Verfolgung in die Öffentlichkeit treten. Welch ein Leuchter wurde für das Evangelium in dem Märtyrertum des Kolosseums, in den Scheiterhaufen der Christen gefunden! Du wirst entdecken, daß Gott auch einen passenden Leuchter für dich bereithält.

(Charles Haddon Spurgeon)

Quelle: CLV AndachtenMatthäus 5, 15

Siehe auch: Betrachtung über Matthäus 5, 13-16


Übersicht Matthäus 5

Eingestellt am 30. Juni 2024