Apostelgeschichte 7, 60 (Roos/Arndt)

Er kniete aber nieder und schrie laut: HERR, behalte ihnen diese Sünde nicht! Und als er das gesagt, entschlief er. (Apostelgeschichte 7, 60)

So wird das Ende des ersten Märtyrers Stephanus von Lukas beschrieben. Er starb eines gewaltsamen Todes, denn er wurde gesteinigt, und doch wird sein Sterben ein Entschlafen genannt. Es wird dieser Ausdruck von Frommen und Gottlosen in der heiligen Schrift gebraucht, und bedeutet das Sterben, es mag selig oder unselig sein; bezieht sich aber auf den Leib, und nicht auf die Seele; denn ein toter Leib sieht, ehe er in Verwesung eingeht, wie der Leib eines Schlafenden aus; die Seele aber schläft nicht, wenn sie aus dem Leibe gegangen ist; denn wenn sie schliefe, könnte sie nicht getröstet werden, wie die Seele des Lazarus, und nicht gepeinigt werden, wie die Seele des reichen Mannes. Die Seelen der Märtyrer, die mit einer großen Stimme schrieen, und deren jegliche nebst der göttlichen Antwort ein weißes Kleid empfing, schliefen auch nicht, Off. Joh. 6, 9.10.11. Auch schliefen die weißgekleideten Seelen nicht, die Johannes mit großer Stimme rufen hörte: Heil sei Dem, der auf dem Stuhl sitzt, und dem Lamme, Off. Joh. 7, 10. Es werden auch alle Scharen von Menschenseelen, die Johannes in der Offenbarung sah und beschrieb, als wachende, tätige und vergnügte Scharen vorgestellt. Zu dem bußfertigen Schächer sagte der HErr Jesus: Wahrlich, Ich sage dir, heute wirst du mit Mir im Paradiese sein. Was hätte er aber für Trost von dem Sein mit Jesu und von dem Paradies gehabt, wenn seine Seele da geschlafen hätte? Es ist also gewiß, daß das Entschlafen sich auf den Leib beziehe. Sobald die Seele davon geschieden ist, liegt er auch nach der äußerlichen Gestalt da, wie der Leib eines Schlafenden, und so lange er im Grabe liegt, schläft er, weil er sich nicht bewegt, nichts empfindet, und auf seine Auferweckung wartet. Stephanus entschlief, und wurde hernach von gottesfürchtigen Männern zur Erde bestattet, Ap. Gesch. 8, 2. Sein Leib schlief hernach unter der Erde nahe bei Jerusalem, alldieweil diese Stadt belagert wurde, und empfand nichts von dem Ungemach dieser Belagerung und des ganzen Krieges, den die Römer mit den Juden führten. Er schlief unter der Erde, alldieweil auf der Erde viel unruhiges Geschäft, eitles Bemühen, und ermüdendes Getümmel war. Er schlief, und die Seele, die ihn eine Zeit lang bewohnt hatte, war in Gottes Hand und ruhte, und genoß himmlische Erquickungen. So geht es allen Gerechten. Sie verschlafen in den Gräbern viel Elend, das über der Erde ist. Sie haben keinen Anteil an den mühsamen Geschäften, die auf dem Schauplatz der Erde getrieben werden. Ihr Tagwerk ist vollendet; ihre Glieder haben ihren Dienst vollbracht: ihre Seelen aber werden von dem Lamm Gottes geweidet und zu den lebendigen Wasserbrunnen geleitet. Nach ihnen lebt ein anderes Geschlecht, das auch geschäftig ist, und auf der Erde allerhand Neues anrichtet, bis es sich auch schlafen legt, und die Fortsetzung der Geschäfte dem folgenden Geschlecht überläßt. So ist’s seit dem Sündenfall Adams gegangen, und so wird’s bis an’s Ende der Welt gehen. Diese Betrachtung überzeugt uns aber, wie klein ein jeder Mensch, wie kurz seine Tätigkeit, und wie sehr eingeschränkt seine Wirksamkeit sei.

(Magnus Friedrich Roos)

=================================

Allgütiger Vater, Gott aller Hoffnung und alles Trostes, verleihe mir in allen Widerwärtigkeiten, die mich im Leben, insbesondere im Bekenntnis des Glaubens, treffen, den lebendig machenden Trost und die wahre Beruhigung der Seele. Eitel und vergeblich ist aller Trost der Welt; in Dir allein liegt die Stärke und Stütze meiner Seele. Es drückt mich die Last von mancherlei Unglück; aber durch Dein innerliches Zureden und Deinen Trost wird sie leichter gemacht. Keine Kreatur wird mich so traurig machen können, daß Du nicht vielmehr durch den Geist der Freude mich aufheitern könntest. Es bedrängt mich die Hitze von mancherlei Anfechtungen; aber das Kosten Deiner Süßigkeit gewährt mir eine angenehme Labung. Es träufeln aus den Augen die Tränenströme; aber Deine allgütige Hand wischt sie ab. Wie Du dem Stephanus mitten unter den Steinwürfen Dein freundliches Antlitz anzuschauen gabst, so wollest Du mir Elenden in allen Widerwärtigkeiten Deinen Trost zu genießen geben. Wie Du im traurigsten Todeskampf Deinem Sohne einen Engel zum Tröster sandtest, so wollest Du mir in jeder meiner Traurigkeit Deinen Geist zur Unterstützung senden. Ohne Deine Stärke falle ich unter die Last des Kreuzes hin. Vertilge in mir die Liebe zur Welt und zu den Kreaturen, denn wer diesen anhanget, wird niemals der wahren und ungetrübten Ruhe teilhaftig werden, denn alles Irdische ist dem beständigen Wechsel der Veränderung unterworfen. Sollte aber eine dürftige und schwache Kreatur die Ruhe der Seele stören können, welche ich in Dir, meinem Vater und Erlöser, gewiß und unbeweglich besitze? Sollten die Fluten der Welt, jenes unruhigsten Meeres, den Felsen meines Herzens erschüttern können, den ich in Dir, dem höchsten und unveränderlichen Gute, unbeweglich fest habe?

Ja, Dein Friede übertrifft alle Erkenntnis; derselbe wird auch den Angriff aller Widerwärtigkeiten überwinden. Um diesen innern Frieden bitte ich Dich, allgütiger Vater, mit demütigem Seufzen, und wenn einst meine Todesstunde kommt, um den offenen Himmel über mir, um die Bitte: „Herr Jesu, nimm meinen Geist auf“, in mir, und um das Amen Deiner Erhörung vor mir.

Amen.

(Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

Quelle:

  


◄  Apostelgesch. 7, 59+60  ▲ Übersicht Apostelgeschichte des Lukas  ► Apostelgesch. 7

Eingestellt am 10. September 2024 – Letzte Überarbeitung am 12. September 2024