Galater 2, 21

Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn so durch das Gesetz die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben. (Galater 2, 21)

Petrus ist in Antiochien. Er hat erst mit den Heidenchristen gelebt wie ein Bruder; er hat mit ihnen gegessen und getrunken, als ob das Gesetz Mosis für ihn nicht mehr gälte. Kurz darauf kommen Etliche von den strengen Judenchristen aus Jerusalem nach Antiochien; sie halten noch fest an dem jüdischen Gesetze, und Petrus ist so schwach, daß er sich aus Furcht vor ihnen von den Heiden zurückzieht, fremd tut und sich der Speisen enthält, die er vorher mit ihnen gegessen hatte. Auch Barnabas wird mit in die Heuchelei hineingezogen. –

Da steht Paulus auf. Er ist der Mann, den der Herr zur Säule christlicher Freiheit gesetzt hat; er kennt die Tiefe des Wortes: „So bleibet nun in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat“ (Galater 5, 1); er widersteht Petro Auge gegen Auge, er straft ihn öffentlich vor der ganzen Gemeinde wegen seiner Heuchelei, daß er sich in Anwesenheit der Judenchristen von Jerusalem anders stellt als in ihrer Abwesenheit. Petrus aber wird stille. Er hat kein Wort geantwortet. Als Paulus das Wort nahm, fiel ihm der rechte Teil in Petri eigenem Herzen sogleich bei. Das ist die rechte Demut, wenn der Mensch sich strafen läßt. Es ist bei jeder ehrlichen Strafe ein Teil in uns, der sich freut, daß ihm der Bruder gegen den Feind zu Hilfe gekommen ist. Petrus gedenkt hernach in seinem zweiten Briefe des Paulus als eines lieben Bruders.

Petri vorgeblicher Nachfolger, der römische Papst, ist ihm nicht also nachgefolgt in der Demut. – Paulus aber hat den Eck- und Grundstein der Kirche wieder aufgerichtet, die Lehre von der freien Gnade Gottes in Christo Jesu ohne Verdienst der menschlichen Werke. Wohl uns, daß er ihn uns erhalten, und daß Luther ihn uns aus seiner Verschüttung wieder an’s Licht gezogen hat! Nur Hochmut und Selbstgerechtigkeit kann ihn verschütten und verwerfen. Weg mit allen Menschensatzungen außer uns und in uns! Protestiere alle Tage gegen Ablaß und Selbstgerechtigkeit, und ergreife die Gerechtigkeit, die dein Herr dir erworben, im Glauben: dann hast du hier und dort das wahre, heiligende und beseligende, ewige Leben.

Amen.

(Johann Friedrich Wilhelm Arndt)  


Paulus hat beides von sich ausgesagt, daß er gestorben sei und daß er lebe. Gestorben ist er durch das Gesetz, an dem er sich versündigt hat, und durch das Kreuz Jesu, das Jesus für ihn, den Sünder, gelitten hat. Die richtende Macht des Gesetzes hat Paulus aber so erfahren, daß er dadurch zum Leben kam. Den Grund seines Lebens findet er darin, daß Christus lebt. Paulus leitet sein Leben nicht von dem ab, was er selber, der Tote, ist und tut. Er weiß aber, daß Christus nicht bloß für seine eigene Person zur Herrlichkeit des Lebens gelangt ist, sondern auch aus uns ein Geschöpf zum Zeugnis seines Lebens macht.

Wie kann das sein, da Jesus bei Gott ist und Gottes Gestalt und Herrlichkeit hat, wir dagegen in der Natur stehen und die Gestalt haben, die die Natur uns gibt? Wir sind deshalb Fleisch, sterbendes Fleisch. Wie kann nun das Leben Jesu in mir wirksam sein? Freilich, sagt Paulus, lebe ich im Fleisch; aber das trennt mich von Christus nicht. Denn es gibt ein Band, das mich, der ich im Fleisch lebe, mit Jesus verbindet und sein Leben in mir wirksam macht. Das ist der Glaube. Durch den Glauben weiß ich, trotz meiner irdischen Art, daß Er in mir lebt. Denn ich habe meinen Glauben von Ihm empfangen, und was von ihm kommt, ist Leben. Habe ich aber Grund für meinen Glauben? Der Glaube, sagt Paulus, hat seinen Grund in der Liebe Jesu, in der durch den Tod bewährten Liebe des Sohnes Gottes. Darauf läßt sich bauen mit festem Glauben, der sich auf Ihn verlässt. Das Leben Jesu, sagt Paulus, sehe ich freilich jetzt noch nicht; ich sehe aber seine Liebe; denn Er hat sich für mich dahingegeben, und darum glaube ich.

Heiliger Gott! Was Du in mir tötest, das muß sterben, weil es mir das Leben nimmt. Du gibst unser menschliches Wesen in den Tod, weil Du uns das Leben bereitet hast. An Dir, Herr Christus, sehe ich, wie aus dem Tod das Leben wird; ich sehe es nicht an mir selbst. Du aber ziehst uns empor zu Dir, hebst uns über alles hinauf, was wir in uns selber finden, und sagst zu uns: Seht mich an, glaubt mir; ich bin der für euch Gestorbene und für euch Lebendige. Darum darf ich bitten: Gib mir Teil an Deines Todes Kraft und an Deines Lebens Macht.

Amen.

(Adolf Schlatter)

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