16. Februar

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr. (Jesaja 55, 8)

Es ist nicht gut, wenn wir uns unterstehen, die Art, Zeit und Weise der Erfüllung der göttlichen Weissagungen sowohl als Verheißungen im voraus festsetzen zu wollen. Denn wir verrechnen uns dabei gemeiniglich sehr, und es kommt sich viel anders, als man dachte. Gott erfüllt beides, aber nach seiner eignen Weise. Er hat z. B. verheißen, sein Volk zu heiligen, und thut das auch gewiß, aber er macht’s meistens wunderbar, und macht, wie Hiob Kap. 12. sagt, die Obersten wohl irre auf dem Umwege, wo kein Weg ist, macht etliche zum großen Volk und bringt sie wieder um, breitet ein Volk aus und treibet es wieder weg. Selbst ein leiblicher Arzt muß wohl auf entgegengesetzten Wegen das Ziel der Genesung suchen, und ein Übel wohl erst ärger machen, um es zu heilen, Schmerz durch Schmerz vertreiben, und schwächen, um zu stärken. „Unsere Natur weiß keinen andern
Weg, vollkommen zu werden,“ sagt ein erfahrener Heiliger, „als daß sie suche, etwas zu werden“.

Gottes Weg aber geht ganz anders. Er macht zu nichte, was etwas ist, damit er alles in allem sei. Der Glaube wird nicht selten auf Wegen gestärkt, welche ihn ganz unterdrücken zu sollen scheinen, wie wir an Jakob, dem kanaanäischen Weiblein, den Jüngern im Schiff und andern sehen, und mehrenteils muß das Weizenkorn verwesen, wenn es nicht allein
bleiben soll. Der Herr erfüllt sein Wort, und was er sagt, thut er auch.

Hilfe, die er aufgeschoben,
Hat er drum nicht aufgehoben;
Hilft er nicht zu jeder Frist,
Hilft er doch, wenn’s nötig ist.

Andacht aus: Tägliches Manna für Pilger durch die Wüste. Schatzkästlein aus Gottfried Daniel Krummachers Predigten, Seite 48. Neu herausgegeben von J. Haarbeck, Pastor in Elberfeld, im November 1899 (Verlag der Buchhandlung des Erziehungsvereins, Neukirchen, Kreis Mörs)

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Eingestellt am 5. Februar 2021 – Letzte Überarbeitung am 5. Februar 2021