P a s t o r T h e o d o r A u g u s t S c h e i n p f l u g
geboren in Pernau 6. Mai 1862
ermordet in Riga 14. März 1919
Im väterlichen Pfarrhause war Scheinpflug der Älteste im großen Geschwisterkreise. Er bewahrte sich den kindlichen Sinn bis an sein Ende. Nie ist ein unreines Wort über seine Lippen gekommen. Unter schweren inneren Kämpfen rang er sich während seiner Studienzeit zum persönlichen Glauben an seinen Heiland hindurch und übernahm
dann mit Begeisterung das heilige Predigtamt. 1891 wurde er Pastor von Pernigel. Der Umstand, daß er vom deutschen Patron gewählt war, genügte, daß ein Teil seiner lettischen Gemeinde ihm als Deutschen mit Mißtrauen begegnete. Der große blauäugige blonde Pastor wußte aber die Herzen der Kinder seiner Gemeinde zu gewinnen, durch sie die Mütter und Väter. Viele seiner anfänglichen Feinde wurden seine besten Freunde.
Er predigte seiner Gemeinde treu den Christus „für uns“ und das Himmelreich „in uns“. Je älter er wurde, desto bescheidener dachte er von der Wirkung seines gepredigten Wortes, „das Christentum muß vorgelebt werden“. Schon seine Braut fragte er: „Kannst du mit mir singen: nehmen sie den Leib – – – „. Auf Leiden, Verfolgung, Tod um des Glaubens willen hat er sich sein Lebtag vorbereitet. Nur die eine Furcht kannte er, daß er einmal verzagt sein könnte, dann tröstete er sich mit dem Verse: „Christus ist ein Siegesfürst,
Schmach, wenn du geschlagen wirst“.
1905/6 hat er in der Revolution viel Trübsal zu tragen bekommen, aus der ihm Gott wunderbar heraushalf. „Das nächste Mal wird es wohl ärger kommen, dann muß man sich bereit halten, auch den Tod zu erleiden“, sagte er damals.
Während des Weltkrieges wird er 1917 von den Russen arretiert. Als er fortgeführt werden soll, hält er noch mit den Seinen eine Andacht. Er stimmte an: „Ist Gott für mich, so trete„ und betete dann so herzbeweglich, daß die mit aufgepflanzten Bajonetten im Zimmer weilenden russischen Soldaten, obgleich sie kein Wort von dem verstanden, was der Deutsche redete, tief ergriffen, still warteten, bis die Andacht zu Ende. Nun führten sie ihn fort. Scheinpflug wurde durch etliche Gefängnisse geschleppt, kam endlich nach Riga und wurde dort unerwarteterweise freigelassen. Er kehrte zu den Seinen zurück, die jede Spur von ihm verloren hatten. Das war im Mai 1917. Im September 1917 wurde Riga deutsch. Pernigel aber blieb außerhalb der deutschen Front. Die erste Lettische Revolution begann zu wüten, schon wurde Scheinpflug vor das Tribunal nach Wolmar gefordert, da erschienen in letzter Stunde die Deutschen, und er blieb frei.
In überströmender Freude, endlich eine Macht über sich zu haben, die dem Redlichen mit Vertrauen entgegenkommt, ließ er sich die schwarz-weiß-rote Binde als Vertrauensmann der deutschen Gewalt anlegen in der Hoffnung, in dieser Stellung auch seiner Gemeinde
helfen zu können. Er ahnte nicht, daß diese Binde eine Ursache seines Todes werden würde.
Als im November 1918 die Deutschen abzogen, erschienen die Roten wieder auf dem Plan. Alle Deutschen seines Kirchspiels flohen nach Riga, Scheinpflug blieb trotz der inständigen Bitten der Seinen auf seinem Platz. Da langte ein Zirkular des Konsistoriums an, das den Pastoren den Rat gab, ihr Leben nicht unnütz zu opfern. Das machte ihn wankend. Am 29. Dezember machte auch er sich nach Riga auf. Am Tage darauf wurde das Pastorat auf das genaueste durchsucht, man fahndete nach dem Pastor und seiner schwarz-weiß-roten Binde. Fand beide nicht.
Ein Monat erquickender Gemeinschaft mit den Seinen und den vielen Leidensgenossen in Riga war ihm beschieden. Er predigte in Riga im trauten Kirchlein des Diakonissenhauses. In seiner vorletzten Predigt redete er über Römer 8, 55ff.: „Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes — —“. Er redete von dem Schweren, das uns getroffen, aber jubelt mit Paulus, „in dem allem aber überwinden wir weit“.
Am 27. Januar wurde er verhaftet. Mit den Worten: „hat er es denn beschlossen, so will ich unverdrossen an mein Verhängnis gehn“, gab er sich in die Hände der Häscher. Aus dem Gefängnis schrieb er immerfort voll Dank, „mein Herz ist voll Frieden“, und „der schöne Friede weicht nicht von mir“. Den größten Teil der Haftzeit hat er mit einem Genossen geteilt, der wurde am 22. Mai befreit und hat von dieser Zeit erzählt, welch köstlich selige Stunden sie miteinander verlebt. Scheinpflug hat früher einmal geäußert, „es kommt mir vor, als ob ich ganz vergeblich arbeite. Wenn doch Gott mir die
Gnade geben wollte, wenigstens von einer Seele zu wissen, der ich zum Glauben geholfen habe“. Hier in der Gefängniszelle hat es ihm Gott beschieden. Sein Zellengenosse war ein unruhiger, unzufriedener Mensch gewesen, hier wurde er ein frohes Kind Gottes.
Sie haben beide in der Zelle selige Stunden erlebt. Scheinpflug war es vergönnt, eine Seele dem Heiland zuzuführen, und dem anderen gab es Gott, den Heiland zu finden.
Einst traf Scheinpflug auf dem Gefängnishof einen lettischen Bekannten aus einer Nachbargemeinde; dieser, der auch sterben mußte, hat seiner Frau vor seinem Tode über dieses Zusammensein wie folgt in lettischer Sprache berichtet: „Nachdem wir uns begrüßt, haben wir zusammen geweint, dann haben wir miteinander gebetet, und dann hat er mich so zubereitet, daß ich selig sterben kann.“
Am 14. März 1919 wurde Scheinpflug zur Hinrichtung hinausgerufen.
Beim Abschiede von seinem Zellengenossen hat er sich von diesem, seinem geistlichen Sohne, die Sündenvergebung verkünden lassen. Dann ging er getrost mit seinen über 60 Leidensgenossen den weiten Weg zum Bickernschen Walde. Da soll er gesungen oder gesprochen haben den zweiten Vers aus dem Liede „Du Stern aus Jakob“:
Ich sitz im Schatten dieser Welt,
Da alles trauervoll bestellt.
Und lebe in der Ferne;
Doch leuchtest du, Herr, in mein Herz
Bei meinem dunklen Seelenschmerz
Mit deinem Gnadensterne.
Dies Licht kann nicht untergehen,
Muß bestehen
Auch im Sterben;
Läßt im Tode nicht verderben.
Zu seiner Grabschrift hat er sich erkoren: Apostelgeschichte 4, 12:
Es ist in keinem Andern Heil, ist auch kein andrer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden.
D. Oskar Schabert, Pastor zu St. Gertrud in Riga: Baltisches Märtyrerbuch, Furche-Verlag. Berlin 1926. S. 119-122 [Digitalisat, pdf]
Weblinks und Verweise
Seite „Theodor Scheinpflug„ bei Wikipedia (DE)