Jakobus 3, 8

Aber die Zunge kann kein Mensch zähmen, das unruhige Übel, voll tödlichen Giftes. (Jakobus 3, 8)

O wie schwer ist es, unsere Zunge zu hüten! Ein Wort ist bald gesagt und bald verhallt, und von einem jeglichen unnützen Wort, das wir geredet haben, müssen wir Rechenschaft geben am jüngsten Tage (Matth. 12, 36). Wie viel tausend Worte reden auch die Besseren unter uns in der Langeweile, in der Leidenschaft, im Leichtsinn, die nie über unsre Lippen gekommen wären, hätten wir uns zuvor besonnen. Ach, mit wie viel leichtfertigem, nichtssagendem, boshaftem Geschwätz haben wir so manche Stunde hingebracht! Wohl haben sie keine Spur in der Luft zurückgelassen und sind längst in unserem eigenen Gedächtniß verwischt, aber im Schuldbuche des Lebens sind sie doch verzeichnet und werden uns einst schwer auf die Seele fallen, wenn vielleicht unsere Zungen und Lippen längst in Staub zerfallen sind.

„Wer auch in keinem Wort fehlet, der ist ein vollkommener Mann“. Es gibt nur Einen so vollkommenen Mann: Jesus Christus, welcher keine Sünde getan, ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden worden. Seine Worte waren holdselig zu hören, ob er ein Kindlein herzte oder einen Sünder zur Buße rief, ob er im Tempel predigte oder am Hochzeitstische saß, ob er zu seinem Vater im Himmel betete oder mit seinen Brüdern auf Erden redete. Auf ihn laßt uns sehen! Von ihm laßt uns lernen, die Zunge zu hüten vor Lug und Trug, vor Spott und Bosheit, vor Zorn und Unsauberkeit.

Obwohl das köstlichste Leibesgeschenk und das lauteste Zeugnis unserer göttlichen Abkunft, wie viel Schaden richtet sie doch an, diese redende Zunge, dieses unruhige Uebel voll tödlichen Giftes. Sie entflammt im Herzen die unreinen Begierden; sie sät im Hause Zwietracht zwischen Mann und Weib, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Herrschaft und Dienstboten; sie entzündet im Staate Haß und Feindschaft zwischen Obrigkeit und Untertanen; ja die Schlangenzunge wird zum Leibes- und Seelenmörder. Aber soll meine Zunge gezähmt werden, so muß vor Allem mein Herz behütet sein. Das Herz ist die Quelle, die Zunge die Rinne. Aus dem Herzen kommen die argen Gedanken. Darum, lieber Vater im Himmel, reinige mein Herz durch deinen heiligen Geist, und tue meinen Mund auf, daß meine Lippen allzeit reden was wahrhaftig ist, lieblich und wohllautet zu des Nächsten Nutz und zu deiner Ehre.

(Christian Wilhelm Spieker)

Quelle:

Glaubensstimme – Christliche Texte aus 2000 Jahren

Eingestellt am 25. Juni 2023