Philipper 3, 20

„Unser Wandel ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilands Jesus Christus, des Herrn.“ (Philipper 3, 20)

Gottes Haus, Gottes Wohnungen und Vorhöfe sind nicht nur im Himmel unter den vollendeten Gerechten und Engeln, sondern auch hier unten in den gläubigen und begnadigten Seelen, in unserm Allerinnersten des Herzens. Wenn wir da hinein kehren und drinnen bleiben, so sind wir in seinem Hause und in seinen Wohnungen des Friedens; denn wir finden Ihn und in Ihm den Himmel, wandeln in Ihm, wie im Himmel. Finden wir Ihn nicht allemal gleich, warten wir aber seiner, und harren wir auf seine Gegenwart, so stehen wir in den Vorhöfen des Herrn, und wenn es da auch manchmal schwer wird auszuhalten, wegen Dürre und Trockenheit, so ist’s doch besser als in den Hütten der Gottlosen sich zerstreuen und dem Vergnügen der Sinne und der Welt nachlaufen. Denn wenn wir in Seinen Vorhöfen, im Warten auf Ihn, verharren, so kommt Er gewiß und führt uns bald ein in Seine Wohnungen; dann ist alle Mühe des stunden-, tage- und jahrelangen Harrens in einem Augenblick reichlich ersetzt; man lobt den Herrn und singt mit David: Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth! (Psalm 84, 2)

(Johannes Goßner)

»Unser Wandel ist im Himmel!«
Wie ein Mensch, in sich versenkt,
oft vom lautesten Getümmel
nicht gestört, der Heimat denkt.
Wenn die Schritte dahin eilen,
wo das Herz längst eingekehrt —
so im Himmel wir schon weilen,
sind wir gleich noch auf der Erd‘.

(Philipp Spitta)

Weil unser Wandel oder unser bürgerliches Heimwesen im Himmel ist, so sind wir Fremdlinge und Pilgrime auf der Erde, wie schon Jakob gegen den König Pharao bekannt ist, da er seine Lebenszeit die Zeit seiner Wallfahrt nannte. Es zeigen aber diese Ausdrücke nicht nur dieses an, daß wir auf der Erde keine bleibende Stätte haben, und eine zukünftige und himmlische suchen müssen, sondern auch, daß wir durch die Wiedergeburt recht eigentlich zur Aufnahme in den Himmel, und zum Genuß dessen, was himmlisch ist, gebildet werden. Auch auf Erden fühlt ein Jeder, daß er zu seinem Vaterland einen besondern Hang habe, und da am liebsten sei, gesetzt auch, daß dieses Vaterland eine rauhe und für Andere unangenehme Gegend wäre. Allein der Mensch, der diesen Hang hat, ist schon so gebildet, daß ihm die Sitten und Gebräuche seines Vaterlands, und die Dinge, die man in demselben sieht und hört, hat und genießt, am besten behagen; dahingegen die Sachen, welche ihm in der Fremde vorkommen, seinem Gemüt leichtlich ungereimt scheinen, und widerlich sein können. Auf diese Weise ist nun auch ein Christ in Ansehung der himmlischen Dinge gebildet und gesinnt, aber freilich nicht nach seiner Natur, die er durch die leibliche Geburt empfangen hat. Es muß durch eine andere Geburt eine Veränderung in dem Menschen vorgehen, und diese ist die Geburt aus Gott, durch welche eine geistliche Natur in dem Menschen entsteht, welche mit den himmlischen Dingen eine Ähnlichkeit hat, und sich allein zu denselben schickt; denn was himmlisch ist, heißt auch geistlich, wie aus 1. Kor. 15, 44-49 erhellt. Nach dem Geist, der aus dem ewigen Geist Gottes geboren ist, suchet ein Christ, was droben ist, da Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes, Kol. 3, 1. Ein geistlicher Mensch hat Lust, außer dem Leibe zu wallen, und daheim zu sein bei dem HErrn, 2. Kor. 5, 8. Er hat Lust abzuscheiden, und bei Christo zu sein, Phil. 1, 23. Weil er aber auch weiß, daß Fleisch und Blut, das ist der irdische Leib, wie er aus Fleisch und Blut besteht, das himmlische Reich Gottes nicht ererben können (1. Kor. 15, 50), so legt er diesen Leib gern ab, und gibt ihn gern in die Verwesung hin, damit er als ein geistlicher Leib auferstehen, und als ein solcher die himmlischen Dinge auch genießen möge. Je völliger nun das geistliche Leben in ihm ist, mit einem desto völligern Glauben und mit einer desto gewissern Hoffnung kann er sagen: Mein bürgerliches Heimwesen ist im Himmel. Mit dem Wachsthum seines geistlichen Lebens wächst auch sein Verlangen nach diesem Heimwesen und sein Ekel an den irdischen Dingen. Welch‘ ein Unterschied ist zwischen einer Menschen-Seele, die nichts hat, als ihre zu dem irdischen Leben eingerichteten, und von der Sünde überdies geschwächten, zerrütteten und befleckten Kräfte und Sinne, und zwischen einer wiedergebornen Seele, die geistlich worden ist, und den Geist Dessen, der Jesum von den Toten auferwecket, in sich hat! (Röm. 8, 11) – Wir wollen also den Sinn der Pilgrime und Fremdlinge auf der Erde behaupten, alles, was unter der Sonne ist, nach Salomo’s Anweisung als eitel ansehen, an nichts, was sichtbar ist, uns vergaffen, unser Gutes nicht begehren in diesem Leben zu empfangen, der Stunde, worin wir alles Irdische verlassen werden, uns oft erinnern, indessen aber nüchtern und mäßig sein, wachen und beten, und dem HErrn leben. Lasset uns bei den Beschwerden des irdischen Lebens, die uns oft lange zu währen scheinen, nicht muthos werden, denn das himmlische Vaterland wird alle unsere Wünsche nicht nur erfüllen, sondern auch überschwenglich übertreffen. Hallelujah!

(Magnus Friedrich Roos)

Quelle: Glaubensstimme – Die Archive der Väter

Weitere Betrachtung zum Vers von Carl Olof Rosenius

Bibelübersetzung: Luther 1912 (bibeltext.com)

Eingestellt am 17. Dezember 2021 – Letzte Überarbeitung am 17. Januar 2023