Sechsundzwanzigste Bibelstunde
Das Ende des tausendjährigen Reichs. Der jüngste Tag.
7 Und wenn tausend Jahre vollendet sind, wird der Satanas los werden aus seinem Gefängnis
8 und wird ausgehen, zu verführen die Heiden an den vier Enden der Erde, den Gog und Magog, sie zu versammeln zum Streit, welcher Zahl ist wie der Sand am Meer. (Hesekiel 38.2)
9 Und sie zogen herauf auf die Breite der Erde und umringten das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt. Und es fiel Feuer von Gott aus dem Himmel und verzehrte sie.
10 Und der Teufel, der sie verführte, ward geworfen in den feurigen Pfuhl und Schwefel, da auch das Tier und der falsche Prophet war; und sie werden gequält werden Tag und Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit. (Offenbarung 19.20)
Der letzte Kampf
1. Die tausendjährige Heilszeit steht dem Paradies des Anfangs vergleichbar am Schluß der irdischen Menschheitsgeschichte. Aber wir dürfen den wesentlichen Unterschied nicht übersehen. Die Sünde, welche unsere Stammeltern aus dem Paradies vertrieben hat, lebt auch in der Völkerwelt dieses letzten Abschnitts der Weltgeschichte fort und darum übt auch der Tod seine Herrschaft weiter. Es werden ja Menschen von Fleisch und Blut sein, wie wir, und Fleisch bleibt Fleisch und kann das Reich Gottes nicht ererben, 1. Kor. 15, 50. Was Großes und Herrliches dennoch in jener letzten paradiesähnlichen Zeit verwirklicht sein werde, das mögen wir uns mit den Hoffnungen der Sehnsucht und mit den Bildern der alttestamentlichen Prophetie ausmalen. Nur daß wir zweierlei nicht dabei vergessen.
Erstlich: der Abstand der Gottesgedanken auch von unsern liebsten und besten und reinsten Menschengedanken ist – Gott sei gepriesen! – ein himmelweiter. Und zweitens: Nachdem Israel seinem Messias auf Erden keinen Thron gegönnt hat, sind auch die Zukunftsbilder, welche die Propheten mit der Sendung des Messias verknüpft hatten, in ihrer vorchristlichen Gestalt himmelweit überholt, um so viel, als der Thron des Himmels höher ist als der Thron, den die Propheten für den Davidsohn in Jerusalem vorausgeschaut haben. Es ist aller Beachtung wert, daß die Offenbarung darauf verzichtet, die tausendjährige Heilszeit mit Zukunftsbildern zu füllen, und daß sie uns auch keinen Fingerzeig gibt, daß wir dies von uns aus sollen oder dürfen.
Dem Paradies von ferne vergleichbar, so wagen wir vom tausendjährigen Reich zu sagen. In e i n e m Stück trifft es leider völlig zu. Wie der Satan des Stammeltern und dadurch der Menschheit durch seine Verführung das Paradies geraubt hat, so wird er Macht gewinnen, das Friedensreich zu vernichten. „Wenn die 1000 Jahre vollendet sind, wird der Satanas gelöst werden aus seinem Gefängnis.“ Wohlgemerkt! Nicht abgebrochen wird die Dauer des selbigen Zeitraums werden, sondern „vollendet“, und nicht sich selbst losmachen wird der Satan, sondern er wird losgebunden werden. Es steht alles unter Gottes Ratschluß.
Und was wird der Satan tun und zuwege bringen? Versetzen wir uns in das Bild, das der Seher vor Augen sieht! Die Gemeinde des Christus, soweit sie die antichristliche Drangsal überstanden hat und auf Erden erhalten geblieben ist, bildet unter dem unsichtbaren Regimente Christi und der zu ihm erhöhten Heiligen den beherrscehnden Mittelpunkt der im Gottesfrieden lebenden Menschenwelt. „Von Zion geht aus das Gesetz und das Wort des Herrn“: so wird es gelten. Ob dieses Zion, „die geliebte Stadt“, wirklich das alte Jerusalem im Land Palästina sein werde, wie wir fast vermuten möchten, oder ob das vergangenen Zion nur als sinnbildliche Bezeichnung der künftigen Gottesgemeinde und ihrer Wohnstätte zu gelten habe, bleibe unentschieden. Jedenfalls wird die Gemeinde im selben Sinn wie Hesekiel 5, 5 und 38, 12 „mitten auf der Erde“ wohnen, und ihre Stadt ist als der Mittelpunkt geschaut, von wo aus sich die Erde in die Weite und in die Breite dehnt. Weitumher auf dem Erdenrund wohnen die Völker. Nicht sie, sondern nur ihre Kriegsheere sind ja bei dem Gericht über die antichristliche Weltmacht (19, 18) vernichtet worden. Sie werden wohl in der Heilszeit, die diesem Gericht folgte, für das Licht Gottes zugänglicher als je gewesen sein; doch ist nichts ausdrücklich darüber gesagt. Jetzt am Ende dieser wunderbaren Zeit sind sie gegen die Verführung durch den Satan wie wehrlos. Die Geschlechter haben ja in dem langen Zeitraum fort und fort gewechselt; sollen wir es uns etwa denken, wie bei Israel, das die großen Taten Gottes erlebt hatte, dem Herrn diente, daß aber dann ein anderes Geschlecht aufkam? Die Verführung sieht Johannes aus den entlegensten Ecken der Erde herankommen. Will das vielleicht zugleich sinnbildlich anzeigen, daß auch im geistlichen Sinn die einen Völker dem Lichte Gottes näher, die anderen ferner davon stehen, und daß nun die am fernsten stehenden die andern mit sich fortreißen, so daß schließlich der Aufruhr laweinenartig anschwillt und die Heiligen Gottes wie auf einem von der Meeresflut umbrandeten Eiland allein übrig bleiben?
„Wie der Sand am Meer“: so bezeichnet die Heilige Schrift oftmals die Segensmenge des auserwählten Volks; „wie der Sand am Meer“: so wird die Menge sein, die durch den Satan sich nicht bloß von Gott wegdrängen, sondern sich zum Aufruhr wider Gott sammeln und in den Kampf gegen die Heiligen Gottes hetzen läßt! Gibt es ein entsetzlicheres Zukunftsbild als dieses? Tausend Jahre göttlicher Gnade, göttlichen Lichts und göttlicher Behütung: sie genügen nicht, um die Menschheit gegen die Schliche des Verführers zu festigen! Aus allen Himmelsgegenden strömen sie herbei, eine vom Irrsinn überwältigte Massenherde! Welch eine Absage der Heiligen Schrift an alle Träume von einer Veredelung des Menschengeschlechts! Wir Menschen sind und bleiben Adamskinder, dem Satan innerlich zugänglich, solange die Erde steht.
Dort, wo die Gemeinde Christi dem Ansturm des Antichrists zum Trotz auf Erden bewahrt geblieben ist (14, 1), hat sie auch im Wechsel der Zeit die 1000 Jahre hindurch sich erhalten. Es hat sich in ihr von Geschlecht zu Geschlecht erfüllt, was Psalm 103 (V. 17-18) geschrieben steht:
„Die Gnade aber des HERRN währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über die, so ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote, daß sie darnach tun.“
Gog und Magog
Jetzt aber ist aus der Friedensstadt Zion ein Heerlager geworden, darin man sich gegen den Feind zu schützen sucht. „Gog und Magog“ heißt die Menge der Völker, die der Seher heraufziehen sieht. Wer Hesekiel 38 und 39 nachliest, erkennt, daß kaum ein passenderer sinnbildlicher Name für diese Menschenmassen, die das heilige Volk Gottes bedrohen, zu finden war. Ob Johannes, wie Hesekiel, mit „Gog“ den König und mit „Magog“ sein Volk bezeichnen will (wie wir etwa sagen: „Attila und die Hunnen“, „Tamerlan und die Mongolen“) oder ob er, wie uralte Urkunden, unter „Gog“ auch ein Volk versteht, bleibe dahingestellt. Die Völkerheere ziehen herauf, aber es geht wie 19, 21 und wie 2. Mose 14, 14: Der Herr vom Himmel übernimmt es, für sein Volk zu streiten und vernichtet sie durch seinen flammenden Zorn. Johannes sieht im Bild das Feuer vom Himmel fallen und sie verzehren (vgl. Hes. 38, 19; 39, 6), d.h. sie verfallen zuvörderst dem leiblichen Tod. Über ihr jenseitiges Schicksal entscheidet das jüngste Gericht.
Damit sind alle Feinde Gottes auf Erden niedergeworfen. Auch des Teufels Werk und Geschichte ist zu Ende. Der Seher schaut, wie er in den See von Feuer und Schwefel geworfen wird, wo auch seine Werkzeuge, das Tier und der Lügenprophet sich befinden. Daß sie wieder hervorkommen, ist nicht zu fürchten; ihr Los ist unaufhörliche und ewige Qual.
Warum werden der Satan und seine zwei Genossen nicht vernichtet, sondern endlos gequält? Wir würden das erstere lieber sehen. Aber wenn wir in unsern machtlosen und lichtarmen Gedanken es so leicht nehmen, etwas, das „ist“, zu „nichts“ werden zu lassen, so müssen wir bedenken: Das Geheimnis des Seins und Nichtseins ist uns verschlossen, und wie man davon redet, dass im Reich der Natur alle Kraft, die „ist“, niemals und in keiner Weise ausgetilgt, sondern nur gebunden werden könne, so steht noch viel undurchdringlicher vor uns die Frage: kann ein Geistwesen, ein Ich, das „ist“, in eine Null verwandelt werden? Wir haben davon keine Ahnung, wir können es uns nicht vorstellen und nicht ausdenken. Wir nehmen es nur an, weil es unter Umständen unsern Wünschen entspräche. Die Heilige Schrift aber nimmt es nicht an, soviel wir erkennen. Redensarten wie die, Gott sollte die Gottlosen und die Teufel vernichten, sind darum Träume, die sich in Gebiete verirren, die unserer Denkkraft verschlossen sind. Wem das Rätsel des „Seins“ unlösbar ist der hüte sich, zu dekretieren: „Sein“ soll „Nichtsein“ werden! Wir sollen das dem Schöpfer alles Seienden überlassen.
11 Und ich sah einen großen, weißen Stuhl und den, der darauf saß; vor des Angesicht floh die Erde und der Himmel und ihnen ward keine Stätte gefunden. (Matthäus 25.31) (2. Petrus 3.7) (2. Petrus 3.10) (2. Petrus 3.12)
12 Und ich sah die Toten, beide, groß und klein, stehen vor Gott, und Bücher wurden aufgetan. Und ein anderes Buch ward aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach der Schrift in den Büchern, nach ihren Werken. (Johannes 5.28-29)
13 Und das Meer gab die Toten, die darin waren, und der Tod und die Hölle gaben die Toten, die darin waren; und sie wurden gerichtet, ein jeglicher nach seinen Werken.
14 Und der Tod und die Hölle wurden geworfen in den feurigen Pfuhl. das ist der andere Tod. (1. Korinther 15.26) (1. Korinther 15.55)
15 Und so jemand nicht ward gefunden geschrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl.
Das Weltgericht
2. Nun ist die Weltgeschichte zu Ende. Es folgt der „jüngste Tag“, wie der Ausdruck im Johannes-Evangelium lautet. Dieser Tag bringt die allgemeine Totenauferstehung, die der Gerechten wie die der Ungerechten (Joh. 6, 39. 40. 44. 54.; 11, 24). Er schließt weiter in sich das „jüngste Gericht“ (Matth. 10, 15; 12, 41 und sonst.) und den Weltuntergang. Wie lang dieser Tag sich dehnen oder wie kurz er dauern wird, ist nirgends angedeutet (vgl. 2. Petr. 3, 8) Was sich ereignen soll, ist in dem Bild, das Johannes sieht, in wenigen Strichen gezeichnet; denn was die Gemeinde hierüber wissen soll, ist schon von Jesu her Gemeingut ihres Glaubens und Hoffens. So wird denn von Jesu Kommen in den Wolken, von der Sammlung der noch Lebenden um den Thron nicht weiter geredet, sondern Johannes sieht ihn im Bilde sofort sitzen „auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit“ (Matth. 25, 31), auf dem „Richtstuhl“ (bēmatos, Röm. 14, 10; 2. Kor. 5, 10), um das Gericht zu halten, welches ihm der Vater übertragen hat (Joh. 5, 22-27).
Wie sie seiner ansichtig wird, entflieht die ganze sichtbare Schöpfung, Himmel und Erde (1. Mose 1, 1): sie verschwindet und ist nicht mehr vorhanden. Aber die dieser Schöpfung angehört haben, sind nicht mit ihr verschwunden, sondern sie finden sich „vor den Thron“ gestellt *), um ihr Urteil zu empfangen. Bei denen, die in die Erde begraben sind, verbirgt es sich dem Auge und darum auch den Gedanken noch eher, dass die Leiber vernichtet sind; darum erscheinen gerade die, die kein Grab gefunden haben, die Toten des Meeres, als Zeugen dafür, dass kein Vorgang der Natur und keine irdische Gewalt hindern kann, dass der Richter „lebendig mache die Toten, und dem, das nicht vorhanden ist, rufe, dass es da sei“ (Röm. 4, 17) Und ebenso gibt es keine Macht jenseits der sichtbaren Schöpfung, die einen Toten zurückhalten könnte; die Macht des Todes, die alle Menschen bezwingt, und der Bewahrungsort der abgeschiedenen Seelen, die dort des Gerichtes warten: sie geben, wie Johannes im Bilde sieht, ihre Opfer und ihre Gefangenen heraus. Da stehen sie nun alle „vor dem Thron“ *), ohne jeden Unterschied, einer wie der andere.
*) Die Lutherbibel hat V. 12 statt „vor dem Thron“: „vor Gott“ (Warum?)
Bengel glaubt die Worte „die Großen und die Kleinen“ „am natürlichsten“ auf den Altersunterschied beziehen zu sollen und ist davon tief ergriffen, dass der Richter aller Welt auch den Kindern ihr Los zuteilen wird: „Christus wird alles richtig entscheiden. Der Großen sind viele und der Kleinen sind sehr viele; die Großen sind ihm nicht zu groß und die Kleinen sind ihm nicht zu klein.“
Über eines jeden Leben ist Buch geführt. Auch von uns hat jeder, bildlich zu reden, sein besonderes „Buch“, worin all unser Tun und Verhalten aufgezeichnet steht; auch von jedem nichtsnutzigen Wort müssen wir Rechenschaft geben (Matth. 12, 36); auch „der Rat der Herzen“ wird offenbar werden (1. Kor. 4, 5). Aber daneben ist noch ein anderes Buch aufgeschlagen, das „Buch des Lebens“, und hierbei gibt es nur ein Entweder-Oder. Wessen Name darin verzeichnet steht, geht ein in das ewige Leben; wer nicht drin zu finden ist, verfällt dem „andern Tod“, der Verdammnis.
Das Urteil wird also beides in sich vereinigem: es wird jeder einzelnen Persönlichkeit aufs genaueste angepasst und also unendlich verschieden und abgestuft sein, und doch zugleich die Menschheit in zwei große Gruppen scharf auseinanderscheiden. „Wer in Gnaden ist, hat ewiges Wohl vor sich; wer unter dem Zorn ist, hat ewiges Wehe vor sich.“ (Bengel). Die grundlegende Entscheidung hängt also daran, ob ein Name im Buch des Lebens eingeschrieben steht oder nicht. Was will die Bildrede „Buch des Lebens“ sagen? Der Sinn des Wortes, so wie er dem Evangelium und den Briefen des Apostels entspricht, dem wir die Offenbarung verdanken, läßt sich kaum treffender ausdrücken als mit den Worten der Konkordienformel: „Das Wort Gottes führtet uns zu Christo, der das Buch des Lebens ist, in welchem alle die geschrieben und erwählet sind, welche da ewig selig werden sollen.“ An Christo scheidet es sich, ob rechts oder links. Aus dem Gleichnis des Herrn vom Völkergericht (Matth. 25, 31-46) aber sehen wir, daß auch für solche, die Jesum nie gekannt oder als den, der er ist, nie erkannt haben, an seiner Person die Entscheidung hängt. Er, dem alle Dinge und alle Menschenseelen von seinem Vater übergeben sind (Matth. 11, 27; Joh. 5, 22), bringt auch jeden Menschen, ohne daß dieser es ahnt, in eine Beziehung zu sich, dem König und Richter, wenn auch fürs Menschenauge nur ganz mittelbar oder überhaupt unerkennbar; und auf Grund dieser unendlich oft unbewußten Stellungnahme, die sich im ganzen Wandel und in einzelnen Werken ausprägt, wird ihn der König als seinen Untertanen ins ewige Reich hereinrufen oder durch seinen Urteilsspruch hinausweisen in „das ewige Feuer“. Für diejenigen aber, welchen viel gegeben ist (Luk 12, 47f.), ja welchen Jesus selbst durch sein Wort nahetritt, ist das ewig entscheidende „Werk“, auf Grund dessen ihr Los sich entscheiden soll, klar und unzweideutig benannt durch Jesu eigene Antwort an die, welche ihn fragen; „Was sollen wir tun, daß wir Gottes Werke wirken?“ Der Bescheid des Herrn und künftigen Richters heißt: „Das ist Gottes Werk, daß ihr an den glaubet, den er gesandt hat“ (Joh. 6, 28f.)
Wir, die seinen Ruf an uns kennen und verstehen, können unsern Namen in keiner Weise durch allerlei „Werke“ ins Buch des Lebens einschmuggeln, wenn wir dabei das entscheidende, grundlegende „Werk“ beiseite lassen, unter ihn als unsern Versöhner im Glauben uns zu flüchten und unter ihn als unsern König im Gehorsam uns zu stellen. Darum heißt es für uns: „Allein durch den Glauben“; die aber, welchen dieser Glaubensweg nicht eröffnet worden ist, die wird Er auf anderm Wege nach rechts oder nach links leiten, „einen jeglichen nach seinen Werken“. Wer aber dem Willen des Vaters sich unterstellt, daß, „wer den Sohn sieht, an ihn glaube“, d.h. sich für Zeit und Ewigkeit ganz Christo anvertraue, der soll nicht in Ungewißheit seines ewigen Loses bis zum jüngsten Tag verbleiben müssen, sondern soll hier schon zu einer gewissen Hoffnung des ewigen Lebens gelangen, so daß er eben dadurch,daß er sich der Gnade Christi glaubend unterstellt, „in keine Verurteilung kommt, sondern vom Tod zum Leben hindurchgedrungen ist“ (Joh. 5, 24) und daß er des letzten Gerichtes nicht im Totenreich wartet, sondern daheim bei Christus (Joh. 14, 2; Phil. 1, 23). Dieser Glaube ist aber nicht ein Ding, das man ein für allemal sich anschafft, sondern es ist der immer neu lebendige stetige Blick auf Jesum, den Richter und Stellvertreter. Dieses „Werk“ müsse in uns fortgehen, dann tritt Christi Werk für unsere Werke ien am Tag des Gerichts! –
Mit dem jüngsten Gericht ist der Tod, der letzte Feind, außer Wirkung gesetzt (1. Kor. 15, 26), und es bedarf auch keines Behältnisses für die abgeschiedenen Seelen (keine „Hölle“, wie Luther übersetzt) mehr; deshalb sieht Johannes Tod und Hölle dorthin geworfen, wohin sie gehören, in den Feuerpfuhl, an den Ort, wo der Urheber des Todes ist, der Teufel (Hebr. 2, 14). Die aber, welchen die neue Gottesschöpfung durch des Richters Urteilsspruch verschlossen ist, werden auch geworfen in den „Feuerpfuhl“, und das ist „der andere Tod“. Unsere Einbildungskraft reicht nicht aus und noch weniger reicht unser verständiges Denken aus, um zu erfassen, was in diesem andeutenden Bild und Wort verschlossen liegt. Das aber ist klar damit gesagt: Ausgeschlossen von der Welt der göttlichen Lebens- und Liebesgemeinschaft unterliegen die Verdammten dem Feuer des göttlichen Zorns. Die Welt Gottes dürfen sie nicht mehr verderben (Matth. 13, 41), und die ihnen angewiesene Welt ist ihre Qual, denn es ist eine Welt des Todes, wo nichts geschieht, und zugleich des brennenden Feuers, wo der dazu Verurteilte nichts vermag, als die auferlegte Qual zu erleiden, die gewiß auch abgestuft und verschieden jedem einzelnen zugemessen ist nach seinen Werken. Aber für wie lange?
Ja, wie lange? Darüber ist dem Wortlaut nichts Gewisses zu entnehmen. Vom Satan und vom Tier und Lügenpropheten hat es V. 10 geheißen: fortwährend, ewig! Dieser Beisatz fehlt V. 15 bei den Verurteilten. Gibt es für sie ein Ende der Qual? Als Frage sei es gesagt. – Kap. 14, 9ff*. werden die Menschen gewarnt vor der Strafe, welche den Anbetern des Tieres drohe:
*) Offb. 14, 9-11: So jemand das Tier anbetet und sein Bild und nimmt sein Malzeichen an seine Stirn oder an seine Hand, der wird vom Wein des Zorns Gottes trinken, der lauter eingeschenkt ist in seines Zornes Kelch, und wird gequält werden mit Feuer und Schwefel vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm; und der Rauch ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht.
Dort ist die Rede von einem rauchenden Feuer, das fortwährend, ewig glühe und dazu da sei, sie zu quälen. Heißt das nur so viel, daß die quälende Flamme und ihr Rauch ohne Ende bleiben (ganz wie Mark. 9, 43-48), oder bedeutet es zugleich, daß niemand mehr draus befreit werde, der einmal dem nie verlöschenden Feuer übergeben sei. Eine bestimmte Antwort möchten wir nicht wagen in Furcht vor dem Wort 22, 18.19.
Weder die Lehre von der für alle Verdammten endlosen Qual noch die Lehre von der Wiederbringung aller Dinge oder vollends von der endlichen Vernichtung des Teufels oder der Gottlosen ist, wie uns scheint, von der Bibel uns an die Hand gegeben **.
** Anm. des Bearbeiters: Bei der Beurteilung dieser Frage ist das Gesamtzeugnis der Heiligen Schrift, nicht nur die Stellen Offb. 14, 9-11 und Mark. 9, 43-48 heranzuziehen. Man denke an Dan. 12, 2, wo die Dauer der ewigen Schmach und Schande im Urtext mit dem selben Wort bezeichnet wird wie die Dauer des ewigen Lebens. Die Confessio Augustana, bis heute zu den verbindlichen Bekenntnisschriften der lutherischen Kirchen gehörend, lehrt in Artikel XVII schriftgemäß:
Auch wird gelehrt, dass unser Herr Jesus Christus am Jüngsten Tag kommen wird zum Gericht, dass er alle Toten auferwecken, den Gläubigen und Auserwählten ewiges Leben und ewige Freude geben, die gottlosen Menschen aber und die Teufel in die Hölle und zu ewiger Strafe verdammen wird.
Darum ist es das Geratenste, hier in Furcht zu erschweigen. Wir kommen über das Grauen vor dem Gericht, ob wir an uns oder an andere denken, nicht anders hinaus als indem wir immer wieder flehen:
Heiliger Herre Gott!
Heiliger, starker Gott!
Heiliger barmherziger Heiland!
Du ewiger Gott!
Laß uns nicht verzagen
vor der tiefen Hölle Glut!
Erbarm dich unser!
zurück zu Offenbarung 20, 1-6 — weiter zu Offenbarung 21, 1-8
Quelle:
Christian Römer, weil. Prälat und Stiftsprediger zu Stuttgart: Die Offenbarung des Johannes, in Bibelstunden erläutert, S. 209-219 (Verlag von D. Gundert, Stuttgart 1916)