Man dürfte wohl erwarten, daß die Evangelischen unter den furchtbaren Kämpfen, die sie gegen ihre Feinde zu bestehen hatten, unter sich fest zusammengehalten hätten. Leider aber brachen in ihrer Mitte langwierige und heftige Streitigkeiten aus, die unter dem Namen der arminianischen bekannt sind. Sie haben ihren Namen von Arminius, der in Genf unter Beza Theologie studiert hatte, und seit 1587 Pastor zu Amsterdam war. Vornehmlich durch die Verbindung mit dem benachbarten Frankreich war der reformierte Lehrbegriff unter den Niederländern herrschend geworden, und derselbe wurde 1562 öffentlich ausgesprochen in der Belgischen Confession, die von Guido von Bres und Saravia verfaßt war, bald allgemeine Anerkennung fand und das innere Band der nun entstandenen Kirche wurde.
Indes wurde die hier im calvinischen Sinne aufgefaßte Lehre von der unbedingten Prädestination zuerst von einem Amsterdamer, namens Koornhert bekämpft und seitdem viel besprochen. Da forderte man nun auch Arminius auf, dieselbe in ihrer kirchlichen Fassung zu verteidigen. Bei näherer Prüfung kamen ihm aber allerlei Zweifel an derselben, welche er jedoch dann erst auf eine bestimmte Weise äußerte, als er nach Leyden versetzt, von einem seiner Collegen Gomarus dazu herausgefordert wurde.
Arminius war ein friedliebender Mann, dessenungeachtet konnte er es nicht verhindern, daß der Streit aufs heftigste entbrannte, indem sich immer mehr in denselben mischten. Im Schmerz darüber rief er aus: „Ach, meine Mutter, warum hast du mich zur Zwietracht geboren!“ – Es kam zu einem öffentlichen Religionsgespräch zwischen ihm und Gomarus, das im Haag 1609 abgehalten wurde, und welches dahin ausfiel, daß durch richterlichen Ausspruch die Verschiedenheit für unwichtig erklärt, ein friedfertiges Verhalten geboten, und nur im allgemeinen verboten wurde, etwas gegen die heilige Schrift und die Bekenntnisschriften der Kirche zu lehren. Mitten unter diesen Verhandlungen war Arminius gestorben, doch es fehlte viel, daß dadurch auch der Kampf beseitigt wurde. An die Spitze der Anhänger des Arminius traten der Prediger Uytenbogaert und Episcopius, Professor zu Leyden, und legten nun, um ungegründeten Beschuldigungen zu begegnen, ihr Glaubensbekenntnis in fünf Sätzen öffentlich dar, das sie remonstratio (Entgegnung) nannten, und wovon die ganze Partei den Namen Remonstranten erhielt. Darin sagten sie: Gott habe durch einen unwandelbaren Ratschluß vor der Schöpfung der Welt beschlossen, aus dem gefallenen Menschengeschlecht diejenigen durch Christum zum Heil zu führen, welche durch die Gnade des heiligen Geistes an ihn glauben und im Glauben bis ans Ende beharren würden, die Ungläubigen aber den verdienten Strafen zu überlassen; den seligmachenden Glauben habe der Mensch nicht durch sich selbst, Gottes Gnade müsse das Gute in ihm anfangen und vollenden, aber der Mensch könne ihr widerstehen; ob die empfangene Gnade wieder verloren werden könne, sei erst nach der Schrift noch genauer zu untersuchen.
Diese Sätze waren so unverfänglich, daß sich bald eine große Menge des Volks und auch viele angesehene Staatsmänner wie Grotius und Oldenbarneveld der Sache der Arminianer zuwandten.
Das aber war gerade der Schade, denn nun mischte sich das Staatsinteresse in den Streit. Der Statthalter Moritz wollte erst gar nichts von demselben wissen. Er sagte zu einigen Abgeordneten: „Meine Herrn, ich bin Soldat, dies sind theologische Sachen, die ich nicht verstehe und um welche ich mich nicht bekümmere“. Aber er änderte bald seine Gesinnung, als er sah, daß Oldenbarneveld sich der Arminianer annahm. Dieser würdige Greis, welcher seit frühster Jugend seinem Vaterlande und dem Prinzen Wilhelm die treusten Dienste gewidmet hatte, ehrte auch dessen Sohn Moritz. Als er aber wahrnahm, daß dieser nach unumschränkter Macht strebe, glaubte er gegen ihn die Rechte des Vaterlandes vertreten zu müssen. Als nun Oldenbarneveld die von der Gegenpartei in Antrag gebrachte Berufung einer Synode widerrief, so wurde das gerade für Moritz ein Grund, diese zu betreiben, um mit solcher Hülfe die aufkeimende Freiheit der Gedanken und Bestrebungen zu unterdrücken.
Die Synode trat am 13. November 1618 zu Dordrecht zusammen. Es wohnten ihr Bevollmächtigte der gesamten Stände bei, und sie wurde nicht nur von holländischen, sondern auch von den reformierten Theologen Deutschlands, Englands und der Schweiz mit weniger Ausnahme besucht, so daß sie sich als eine Kirchenversammlung darstellte, wie sie die protestantische Kirche sonst nicht aufzuweisen hat. Sie dauerte bis zum 9. Mai 1619 und hielt 180 Sitzungen. Der Präsident der Synode war der Prediger Johann Bogermann, ein ungestümer, leidenschaftlicher Kämpfer, der unter andern dem Grundsatz anhing, daß die Ketzer am Leben zu strafen seien.
Er übte einen sehr starken, aber keinesweges günstigen Einfluß auf die Versammlung. Der Geist der Liebe und Duldsamkeit, der Geist dessen, der nimmer müde wird, das Verlorne zu suchen, das Schwache zu tragen und zu stärken, war ferne von derselben. Das zeigte sich darin, daß man förmlich, wie es Brauch war in den Gefechten der Ritter, den Kampfhandschuh einander hinwarf, und auf Tod und Leben miteinander stritt; besonders aber zeigte es sich in der Art, wie man die Arminianer behandelte. Diese waren, wenigstens bis jetzt, noch nicht etwa Leute, welche das schiedsrichterliche Ansehn der heiligen Schrift, wie es heut zu Tage doch so oft selbst von Dienern der Kirche geschieht, leugneten und bestritten, nur das Ansehn der kirchlichen Bekenntnißschriften wollten sie jenem untergeordnet wissen, und zwar machten sie diesen Grundsatz nicht etwa geltend in Bezug auf eine unbestrittene Haupt- und Grundlehre der evangelischen Kirche um die Rechtfertigung durch den Glauben, sondern eine Lehre, über welche die heilige Schrift selbst anscheinend so widersprechende Bestimmungen enthält, daß sie nicht in einer begriffsmäßigen Formel, sondern nur in der tiefsten Erfahrung des gläubigen Herzens ihre Vereinigung finden sollen und gewiß immer finden werden.
Hier also wäre gewiß vor allem ein gegenseitiges Tragen und Dulden ein aufrichtiges Bemühen gegenseitiger Verständigung an der Stelle gewesen; statt dessen verweigerte man jedes nähere Eingehen in die Bedenken der Arminianer; wie sehr diese auch dagegen protestierten, so wollte man sie nur als Angeklagte betrachtet wissen, welche vor der Synode als ihrer Richterin die Anklage zu beantworten und dann ihr Urteil zu empfangen hätten. Und dieses war denn auch hart genug. Man verurteilte sie allesamt zur Amtsentsehung, weil sie die Religion verfälscht, die Kirche entzweit und das größte Aergernis gegeben hätten. An zweihundert Prediger und viele Schullehrer verloren ihre Stellen, welche jedoch Gott und Jesu Christo dankten, daß sie würdig erfunden wären, um der Wahrheit willen Schmach zu leiden. Viele von ihnen verließen Holland und fanden in andern Ländern eine gastfreundliche Aufnahme. Die Zurückgebliebenen hielten in Wäldern, Scheunen und Kellern ihren Gottesdienst. Jedoch gelang es ihnen später, freie Religionsübung zu erhalten; sie erbauten eigne Kirchen und legten in Amsterdam eine eigne Schule zur Bildung ihrer Geistlichen an, welche sich bald durch sehr bedeutende Lehrer auszeichnete. Späterhin artete die Freiheit, welche die Arminianer hinsichtlich des Glaubens für sich in Anspruch genommen hatten, sehr aus, indem sie jede Richtschnur für die Auslegung der heiligen Schrift verwarfen, fingen sie an dieselbe ganz willkürlich zu deuten, und jetzt sind ihre immer mehr zusammenschmelzenden Gemeinden von dem eigentümlich christlichen Glauben fast ganz gewichen. Die Dordrechter Synode machte nach der Verurteilung der Arminianer ihre Beschlüsse feierlich und unter Freudenfesten bekannt: Gott habe aus der verderbten Masse der Menschen etliche zur Seligkeit erwählt, diesen schenke er den Glauben ohne irgendwelche Rücksicht auf ihr Verhalten; nur für diese sei Christus eigentlich gestorben, diese bewahre er auch im Glauben, selbst wenn sie einmal in grobe Sünden fallen sollten, die andern gingen aus eigner Schuld verloren.
Diese Sätze sind das Bekenntnis der reformierten Landeskirche von Holland geblieben, und obwohl auch in sie der Unglaube Eingang gefunden, so hat sich doch im Allgemeinen in ihr die kirchliche Lehre reiner erhalten, als in irgend einer andern reformierten Kirche des Festlandes. Merkwürdig aber ist es, daß, wenn von Anfang der Reformation an der Staat hier so entschieden für die Kirche Partei genommen hatte, er jetzt sich nicht allein gegen alle christlichen Bekenntnisse, sondern auch gegen alle Religionen gleichgültig verhält, und sich als solcher keines Glaubens irgendwie annimmt.
Aus: Geschichte der christlichen Kirche. Herausgegeben von dem christlichen Vereine im nördlichen Deutschland. Sechster Band, welcher die Geschichte der evangelischen Kirche des Auslandes und der Secten enthält. Zweite Auflage. 1858. Verlegt durch den christlichen Verein und zu haben in der Niederlage seiner Schriften bei August Klöppel in Eisleben, wie auch bei G. E. Schulze zu Leipzig. [Digitalisat]
Quellen und Verweise
Seite „Dirck Coornhert„ in der englischen Wikipedia
Gaß, Wilhelm, „Arminius, Jakob“, in: Allgemeine Deutsche Biographie (1875), S. 536-540
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