Lukas 17, 10: Unnütze Knechte

Also auch ihr; wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprechet: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren. (Lukas 17, 10)

Was mir befohlen war, habe ich nicht getan, klagt die Reue, und dieser Schmerz sitzt so tief in uns, daß wir uns fürchten, das zu sagen, was Jesus seine Jünger sagen hieß: „Ich habe getan, was ich zu tun schuldig war“. Im Dienst, den der Mensch dem Menschen leistet, geschieht es freilich, daß der Knecht nach dem Gleichnis Jesu jeden Befehl seines Herrn ausführt und unverdrossen vom Morgen bis zum Abend seinen Dienst vollzieht. Wie soll aber der Knecht Gottes je dazu gelangen, sagen zu dürfen: Ich tat alles, was mir befohlen war? Nimmt nicht der Dienst Gottes unser ganzes Vermögen in Anspruch, und wer legt sein ganzes Herz und seine ganze Kraft in seinen Dienst? Und wenn wir diesen Stand erklommen hätten, zu dem wir wie zu einer unerreichbaren Höhe emporsehen, wäre uns dann nicht das Frohlocken des Gerechten beschieden, der jubeln darf, weil er den Fall vermied?

Statt dessen legt Jesus in seine Jünger den tiefen Schmerz: Wir sind unnütze Knechte, obwohl wir taten, was unser Herr uns befahl; Verschuldung ist nicht entstanden, aber auch kein Dienst, der seine Sache förderte und seine Ehre mehrte. Ist es nach unserer Meinung schon seltsam, daß Jesus von seinen Jüngern verlangt, daß sie ein gutes Gewissen haben, so ist es für uns erst noch ein besonders rätselhafter Anstoß, daß er ihr gutes Gewissen mit der Klage verband, sie seien unbrauchbar. Wenn ich aber das Wort Jesu rätselhaft heiße, so rührt das nur daher, daß ich die Liebe nicht kenne. Darum halten wir es für nötig, beständig unsere Sünden zu bedenken, weil wir uns nur so vor dem Stolz bewahren. Wir müssen das böse Gewissen in uns wach halten, damit uns nicht die Eitelkeit verblende und der Übermut verderbe. Jesus hat dagegen der Liebe zugetraut, daß sie uns jede Überhebung verbiete und alle Selbstgefälligkeit ersticke. Gibt sie uns denn nicht das wache Auge, das sieht, wie weit unser Dienst von dem entfernt bleibt, was geschehen könnte? Was ist unser Wort? Wir sagen es, wie wir es können, und können es nicht anders sagen. Hat es aber die Leuchtkraft, die Jesus offenbart? Wir helfen und stellen zwischen uns die Gemeinschaft her, wie wir es vermögen. Ist aber unser Helfen mehr als ein Tropfen auf einen heißen Stein? Wie ärmlich ist alles, was die Christenheit tut. Sie kann nicht mehr und tut, was sie kann. So ist es in der Tat; dann spreche sie aber, wie Jesus es ihr sagt: unnütze, unbrauchbare Knechte sind wir.

Den Schmerz, den die Liebe mir bereitet, will ich, o mein Herr, nicht fürchten. Du schenkst mir ihn dazu, damit er mich wach erhalte, wenn ich müde werde, und mich beweglich mache, wenn mir Deine Gnade die neue Gelegenheit zum Dienen gibt. Hilf mir, daß ich vergesse, was hinter mir liegt, und nicht bei dem verweile, was vollbracht ist, sondern immer wieder mit neuer Willigkeit bereit sei für Dich. Amen.

(Adolf Schlatter)

Quelle: Glaubensstimme – Christliche Texte aus 2000 Jahren


Eingestellt am 10. September 2023