16. Dezember

Und es wird eine Rute aufgehen vom Stamme Isai, und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. (Jesaja 11, 1)

Im Paradiese stand ein Baum, von welchem es hieß: Esset nicht davon, damit ihr nicht sterbet; hier aber steht ein Baum, von dem gesagt wird: Esset, so werdet ihr leben! Denn, sagt Jesus Joh. 6: Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brote essen wird, der wird leben in Ewigkeit. Was muß das für ein Baum, was für ein Brot muß das sein, das dem, der nur etwas davon isset, ewiges Leben gibt! Wer sollte da nicht mit den Juden sagen: Herr, gib uns allewege solches Brot. Das Essen von jenem Baume brachte der ganzen Welt den Tod. Hier ist Arznei dagegen. Willst du gesund werden, dann iß! – Freilich werden die Früchte dieses Baums auch zum Teil herbe und sauer sein. Gewiß werden dir, der du davon issest, die Augen darnach übergehen. Aber siehe! hast du dich nicht gescheut zu sündigen, so scheue dich auch nicht, es zu beweinen.

Hast du oft ohne Grund gelacht, so weine auch, wozu du so viel Grund und Ursache hast, und wünsche dir Glück dazu, weil dir von diesem Baume eine Frucht gereicht wird, die dein hartes Herz in Wehmut auflöst, und dir die heilsamen Tränen eines Petrus, und jener berüchtigten Sünderin auspreßt. Es wird deiner Seele besser bekommen, als wenn du einer von denen wärest, von welchen Jesus sagt: Wehe euch, die ihr hier lachet, denn ihr
werdet weinen und heulen. Ja, niemand kann euch dafür stehen, ob euch nicht von diesem Baume so herbe Früchte gegeben werden, daß ihr ans Zittern davon kommt. Ging’s nicht jenem Manne in Philippi, ging es Paulo nicht selbst so, welche zitternd fragten: Was soll ich tun? Hast du nicht gezittert, Gott zu beleidigen, so zittere darnach, daß du ihn beleidigt hast! Der Herr möchte dir vielleicht gnädig sein. Ja, zerreißet eure Herzen! Läßt
sich ein leiblich Kranker viel bittere Arznei und harte Kuren gefallen in der Hoffnung, seine körperliche Gesundheit wieder zu erlangen, wer wollte dann in Absicht seiner Seele und seiner ewigen Gesundheit so weichlich sein?  Es werden auch von Zeit zu Zeit so ungemein angenehme und erfrischende Früchte gereicht, daß du, der du mit den herben auch vorlieb nimmst, gestehen wirst, daß kein Genuß diesem gleicht.

Wer nur nach ihm hungrig ist
Und voll Durst nach seiner Freude,
O, ein solches Herz genießt
Unaussprechlich süße Weide,
Bis es ganz wird satt gemacht,
Wenn’s nach seinem Bild erwacht.

Andacht aus: Tägliches Manna für Pilger durch die Wüste. Schatzkästlein aus Gottfried Daniel Krummachers Predigten, Seite 352. Neu herausgegeben von J. Haarbeck, Pastor in Elberfeld, im November 1899 (Verlag der Buchhandlung des Erziehungsvereins, Neukirchen, Kreis Mörs)

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Lied zum Vers: Es ist ein Ros entsprungen

Eingestellt am 16. Dezember 2022