Römer 9, 11ff

»Ehe die Kinder geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten, da wurde, damit der Ratschluß Gottes bestehen bliebe und seine freie Wahl – nicht aus Verdienst der Werke, sondern durch die Gnade des Berufenden –, zu ihr gesagt: ›Der Ältere soll dienstbar werden dem Jüngeren‹ (1.Mose 25, 23), wie geschrieben steht (Mal 1, 2–3): ›Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst‹. Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne! Denn er spricht zu Mose (2.Mose 33, 19): ›Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.‹ So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.
Denn die Schrift sagt zum Pharao (2. Mose 9, 16): ›Eben dazu habe ich dich erweckt, damit ich an dir meine Macht erweise und damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt werde.‹ So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will. Nun sagst du zu mir: Warum beschuldigt er uns dann noch? Wer kann seinem Willen widerstehen?
Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, daß du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so? Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?«

»Ficht dich deine Sünde und Unwürdigkeit an, fällt dir darüber ein, du seiest
von Gott nicht erwählt, auch sei die Zahl der Auserwählten klein und erschrickst über den greulichen Beispielen göttlichen Zorns und Gerichts, so diskutiere nicht lange, warum Gott dies oder jenes also mache und nicht anders, obwohl er doch wohl könnte.

Auch unterstehe dich nicht, den Abgrund göttlicher Vorsehung mit der Vernunft zu erforschen, sonst wirst du gewiß darüber irre, verzweifelst entweder oder fällst ganz vom Glauben ab. Sondern halte dich an die Verheißung des Evangeliums. Die wird dich lehren, daß Christus, Gottes Sohn, in die Welt gekommen sei, daß er alle Völker auf Erden
segnen, das ist, von Sünde und Tod erlösen, gerecht und selig machen sollte, und daß er solches aus Befehl und gnädigem Willen Gottes, des himmlischen Vaters, getan habe. Folgst du dem Rat, so zweifle nicht daran: Du gehörst unter das Häuflein der Erwählten!

Wenn man auf solche Weise, wie denn Paulus auch tut, die Vorsehung handelt, so ist sie über alle Maßen tröstlich. Wer es anders vornimmt, dem ist sie schrecklich.«

(Martin Luther)

Quelle:

Joachim Kummer: ERwählt! Gottes Wahl und der freie Wille des Menschen (pdf)

Eingestellt am 26. August 2022