Offenbarung 3, 16

Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. (Offb. 3, 16)

Was ist unser Christentum? Insgemein ist es eben ein laues Werk. Es ist nicht ganz kalt. Man tut doch so, als begehre man Gott zu gefallen und in den Himmel zu kommen; aber am Eifer und Nachdruck fehlt es gar zu sehr. Wenn es heißt, der Herr Jesus wolle einen ausspeien aus seinem Munde, was ist davon das Gegenteil? Er hat und behält die in seinem Munde, die er vor seinem himmlischen Vater bekennt und deren Namen er mit süßer Liebe und Wohlgefallen in seinem Munde führt, weil er sie für heilig und herrlich hält (Ps. 16, 3.4).

Es sind dreierlei Seelenzustände: kalt, lau und heiß. Jetzt merke ein jedes bei sich selbst, wie es beschaffen sei. Heiß ist der rechtschaffene, gute Stand einer durch den Heiligen Geist mit Eifer angezogenen Seele im Glauben, in der Hoffnung, in der Liebe, in der Verleugnung der Welt, in dem Verlangen nach dem lebendigen Gott, in der Bereitschaft auf das Zukünftige, in dem Haß gegen das Böse, im Fleiß, Christus nachzufolgen.

Dagegen ist kalt, wer von dem allen ganz abgekommen ist, dem es in seiner Unwissenheit gleichgültig ist, ob Himmel oder Hölle ineinander fiele, wer tut, was ihm gefällt, und nicht meint, daß es anders sein müßte oder daß man dem Willen Gottes untertan sein sollte, sondern eben so an der Welt und am Sichtbaren hängen bleibt.

Lau ist endlich, wer etwas dergleichen hat, das dem Christentum ähnlich sieht, und denen gegenüber, die ganz leer sind, noch etwas zu besitzen scheint. Bei der heutigen Kaltsinnigkeit, da die Liebe bei vielen erfroren ist, kann man das Ansehen haben, als ob etwas da wäre, und ist doch nicht heiß oder recht warm, sondern nur lau. Da ist es nötig, wenn man zur Erkenntnis seiner selbst kommen soll, daß man sich nicht mit solchen vergleiche, die noch weiter zurück sind, sondern mit denen, die in brünstiger Geisteskraft stehen. Wo nun Lauheit ist, da soll man nicht lange säumen, sondern ernsthaft nach Besserung trachten. Dann kann man, wenn es bisher noch so seichte hergegangen wäre, bald zu einer Inbrunst kommen, wie sie die Emmausjünger hatten, die da sprachen: „Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege?“

(Johann Albrecht Bengel)

Wie muß es mir ergehen, wenn Jesus genötigt ist, mich auszuspeien aus Seinem Munde? O, das darf nicht sein! Nein, es darf nicht geschehen! Die Beziehungen zu Ihm erlöschen, wenn er mich von sich tut. Wir wollen also leben und wandeln, daß Er mit Lust und Wonne auf uns blicken kann. Aber wie, wenn Lauheit uns befällt! Es darf nicht sein. Dieser Gefahr zu entgehen, ist heilige Pflicht. Der Herr soll nicht über uns klagen müssen. Sind wir heute lau? Warm im Herrn wollen wir wieder werden! Sind wir fröhlich vor Gottes Angesicht? Ist unser Herz entleert von den Dingen dieser Erde, ist es erfüllt von der Liebe Christi? O, dann wollen wir auch warm bleiben! Bewahrung tut not. Krankheiten heilen ist schwer, Krankheiten zu verhüten, so viel an uns liegt, ist tägliche Pflicht.

Sind wir lau – der Herr redet dennoch mit uns, und Er tut es, weil Er Hoffnung für uns hat. Er ist der große Arzt, der heilen will und heilen kann. Warum deckt der Herr Seiner Gemeinde den argen Schaden auf? Er will eine gründliche Umwandlung herbeiführen, Er kann dies aber nicht durch einen Machtspruch tun. So wendet Er sich an die Lauen; wird Sein Bußruf beherzigt, kann wieder alles gut werden. Gnade, viel Gnade liegt in Jesu ernstem Bußruf. In den Versammlungen der Gläubigen herrscht leider viel Lauheit. Wo ist der ersten Liebe Lebenskraft?

Brüder und Schwestern im Herrn, es ist an uns, darüber Buße zu tun.

(Markus Hauser)

Quelle: Glaubensstimme – Die Archive der Väter

Siehe auch die Betrachtung von Elias Schrenk: Offenbarung 3, 14-22 

Eingestellt am 16. Juli 2022