Und auf daß ich mich nicht der hohen Offenbarung überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlage, auf daß ich mich nicht überhebe. Dafür ich dreimal zum HERRN gefleht habe, daß er von mir wiche. Und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf daß die Kraft Christi bei mir wohne.
(2. Kor. 12, Verse 7 —9)
Der Betrübte klagt über sündliche, garstige und gotteslästerliche Gedanken.
Betrübt ist es, einen Kranken klagen zu hören über Schmerzen an allen Gliedern des Leibes, aber noch betrübter ist der Seelenzustand, wenn angefochtene Seelen klagen über sündliche, garstige und gotteslästerliche Gedanken. Solchen betrübten Seelen aber dient zum Trost:
1) geistliche Anfechtungen: Traurigkeit, Schrecken und Seelenangst kommen von Gott, als nach dessen Willen sie dieses leiden müssen; ohne Gottes Willen kann nicht ein Härlein von ihrem Haupte fallen, wie viel weniger kann ihnen dergleichen Seelenangst widerfahren.
2) Fromme Christen und Kinder Gottes merken die garstigen und abscheulichen Gedanken, und erschrecken darüber; die Gottlosen haben sie auch, und lachen darüber.
3) Daß aber die Frommen darüber erschrecken, ist ein Kennzeichen, daß sie Gott herzlich lieben, in der Gnade Gottes und im Glauben stehen, und daher nicht leiden können, daß dergleichen böse Dinge in ihrem Herzen aufsteigen.
4) Diese Schrecken und Angst über die lästerlichen Gedanken sind ein Zeichen, daß Jesus und der heilige Geist noch im Herzen wohnen; wäre Satan darinnen (wie die Angefochtenen meinen), so würden sie nicht darüber erschrecken!
5) Solche lästerlichen Gedanken rechnet Gott der Seele nicht zu, weil sie wider ihren Willen geschehen, und sie darüber seufzet, davon keinen Gefallen hat, und einen Angstschweiß empfinden, wenn sie kommen, und ihr widerspricht.
6) Anfechtung ist kein Kennzeichen des Zorns, sondern der Gnade Gottes; solche Seelen haben doch einen gnädigen Gott, wie an Hiob zu sehen; Gott ist nicht von ihnen gewichen; er ist noch im Herzen, aber er verbirgt sich vor ihnen.
7) Die Seele stehet im Leiden und nicht im Tun, wenn die Gedanken kommen, wie ein Haus, darein man Feuerkugeln wirft; darum soll er nur seinen Mund zuhalten, und die garstigen Gedanken in Worten nicht ausreden, auch nicht Unverständigen erzählen, damit er nicht Jemand ärgere.
8) Er soll immer widersprechen und sagen: Es ist nicht wahr, ich bin nicht verdammt; Satan ist verdammt; ich bin erlöset; das garstige Wort ist nicht mein Wort; ich billige es auch nicht; weg aus meinem Herzen; ich bin Gottes, Gott ist mein; wer ist, der uns scheide?
9) Durch lästerliche Gedanken soll man doch nicht sich vom Gebet und Lesung des Wortes Gottes abhalten lassen, sondern wenig, aber oft beten und lesen.
10) Weil solche Seelen sagen, sie wollen lieber auf Dornen gehen, am Leibe Schmerzen leiden, als solche Gedanken haben; ja, weil sie sich auch vor Sünden und bösen Werken hüten, so ist’s ja eine unwidersprechliche Probe, daß der Glaube, Jesus, der heilige Geist, ja, die ganze heilige Dreieinigkeit noch im Herzen ist.
11) Können sie auch wegen der bösen Gedanken weder beten, noch an Gott gedenken, so ist ihre Klage schon ein Gebet und ihr Winseln nach Gott ein gewiß‘ Zeichen der Gegenwart Gottes im Herzen, denn das Verlangen kommt von der einwohnenden Gnade; ja, sie beten durch ihr Winseln und Klagen am heftigsten, eifrigsten und kräftigsten.
12 ) Ob sie sich gleich einbilden, sie erzürnen Gott in allen Dingen, was sie tun, so nimmt es ihnen Gott nicht übel auf; er sieht ihren Willen und ihr Verlangen an, sie meinen, sie seien die Allerentferntesten von Gott, und sind ihm die Nächsten; sie meinen, sie seien die Bösesten, und sind die Treuesten; sie meinen, sie seien die Verstoßensten, und sind Gott die Liebsten.
13) Sie sollen geduldig ausharren, denn man hat keine Exempel, daß Gott solche Seelen habe verlassen, sondern er erfreuet, erquicket und tröstet sie wieder; doch muß hier die Zeit erwartet werden, wie man eine Krankheit muß austoben lassen, mit der Zeit wird es sich schon nach und nach verlieren, geringer werden, und endlich nachlassen; so haben es bisher die Frommen erfahren.
14) Diese Anfechtungen machen den Meuschen demütig, andächtig, vorsichtig, fromm, daß er nicht leicht etwas Böses tun oder reden mag, ja, diese Auferstehung wird das Herz von bösen Gewohnheiten und Unarten, Lauigkeit im Gebet und Anhörung des göttlichen Worts reinigen; ist das nicht ein herrlicher Nutzen?
15) Diese Gründe soll man, einen nach dem andern, betrachten, oder von Freunden Gottes sie weiter auslegen lassen, und dabei leibliche Arznei gebrauchen, fleißig arbeiten, mit christlichen Personen in die Luft, in Gärten oder aufs Feld gehen, nicht allein bleiben, sondern christliche Leute, Kinder, oder Gesinde immer um sich haben, ausgenommen, wenn man beten will; mit den Gegenwärtigen ein Gesang anstimmen, ist auch erbaulich; man lese auch fleißig das 8. Kapitel an die Römer, ingleichem den 27. und 88. Psalm.
G E B E T.
Ach, du heiliger Gott! der du wohnest unter dem Lob Israel, und welchen alle heilige Engel und Auserwählten ohne Unterlaß loben und preisen, ich betrübte Seele klage dir von Grund des Herzens, wie ich an deinem Lobe gewaltig gehindert werde durch die garstigen und lästerlichen Gedankenreiche in meinem Herzen, so oft und fast täglich aufsteigen. Du allwissender Gott weißt ja wohl, daß sie mich quälen und ängsten; aber du weißt auch, daß ich darüber erschrecke und bitterlich weine, wenn ich die feurigen Pfeile empfinden muß.
Ach, mein Gott! rechne mir doch nicht zu, was wider meinen Willen geschieht; du siehest, wie ich kämpfe, wie ich ringe, wie ich darüber seufze, wie ich davor einen Abscheu habe, und sie gerne aus dem Herzen vertreiben wollte. Ach Herr! laß deine Hand nicht zu schwer über mir werden, daß ich nicht vergehe. Ich will den Kelch gerne trinken, den du mir, lieber Vater! eingeschenket hast. Laß es nur nicht ein Kelch des Zorns, sondern deiner Gnade sein. Ach! sei mir gnädig, denn ich bin schwach. Oh wie erschrecke ich, wenn ich merke, daß das böse Stündlein angehen will. Ach! verstoße mich deswegen nicht, weil ich’s nicht ändern kann; sondern ich muß das leiden, aber deine Rechte, du Allerhöchster! kann alles ändern. Erquicke mich, du dreieiniger Gott! und wenn das böse Stündlein und die Angst vorüber ist, so laß mich deine heilige Gegenwart und reichen Trost wieder empfinden, ja, gib mir mitten in der Angst einen Trost-Spruch in mein Herz, daran ich mich halte, und damit ich mich aufrichte und ritterlich wehre. Soll mein Jammer lange währen, ach! so gib mir auch große Geduld, viele Kräfte und Stärke. Laß meinen Glauben nicht aufhören, sondern gib Zeugnis meinem Geist, daß ich dennoch dein Kind und ein Erbe des ewigen Lebens sei.
Nun, mein Gott, ich will auch diese Anfechtung gerne leiden, weil ich weiß, daß du mir sie nicht zu meinem Verderben, sondern zu meiner Erweckung in dem Guten, zu meiner Reinigung von Sünden, bösen Unarten und weltlichen Gewohnheiten, und zur Heiligung meines Lebens zugeschicket hast; soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat? kommt er doch von geliebten Händen! Dieses Feuer soll die bösen Lüste und den alten Menschen aus meinem Herzen ausbrennen, und es dir, o großer Gott! zu einem Tempel und Wohnung heiligen. Daher spreche ich auch mitten in meiner Angst: Du bist doch mein Vater, mein Erretter, mein Helfer und treuer Beistand. Ach! sende deines heiligen Geistes Kraft in mein Herz. der mir helfe kämpfen und überwinden. Du hast gesagt, es sollen nicht zu Schanden werden, die auf dich harren. HErr! auf dich traue ich, laß mich nimmermehr zu Schanden werden, errette mich durch deine Gerechtigkeit, eilend hilf mir! Sei mir ein starker Fels und eine Burg, daß du mir hilfest; um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen. Du hast gesagt, deine Gnade soll nicht von mir weichen, mir soll eine ewige Gnade aufgehen. Ach HErr, HErr! laß auch jetzt dieses Licht mir aufgehen, daß ich noch meine Lust an deiner Gnade sehe. Ach, mein Vater! laß deine Stunde kommen, da du die Seelen-Angst mir wieder abnehmest; stärke mich; hilf mir; bewahre mein Herz mit einer Mauer; umgib es wie das Haus Hiobs, daß endlich die bösen Gedanken nicht mehr hinein kommen, ja, daß ich sie durch deine Kraft verachten lerne. Du getreuer GOtt! du wirst mich ja nicht lassen versuchen über mein Vermögen; lindre meine Angst, so will ich es auch als eine Hülfe annehmen, bis du mich endlich zu seiner Zeit gar davon befreien wirst.
JEsu, du Brunn aller Gnaden!
der du Niemand von dir stößt,
der mit Schwachheit ist beladen,
sondern deine Jünger tröst‘;
sollt‘ ihr Glaube noch so klein,
als ein kleines Senfkorn sein,
wollst du sie doch würdig schätzen,
große Berge zu versetzen.
Laß mich Gnade vor dir finden,
der ich bin voll Traurigkeit;
hilf du selbst mir überwinden,
so oft ich muß in den Streit;
meinen Glauben täglich mehr‘,
deines Geistes Schwert verehr‘,
damit ich den Feind kann schlagen,
alle Feinde von mir jagen.
Amen.
Trost gegen lästerliche Gedanken
Gesang in voriger Melodie „O Gott, du frommer Gott„
1) Weicht, weichet nur von mir,
ihr sündliche Gedanken,
ich bleibe Gott getreu,
von dem will ich nicht wanken,
ich achte euer nicht,
und eure Lästerung,
ihr dienet mir vielmehr
zur Seelenreinigung.
2) Gott rechnet mir nicht zu,
was gegen mich geschiehet;
ja, was mein Will‘ nicht ist,
und was mein Herze fliehet
und davor Abscheu hat.
Gott kennet meinen Sinn,
daß ich hie nicht im Tun,
vielmehr im Leiden bin.
3) Die große Lästerung
erweckt mir tausend Schmerzen,
ich seufze immerdar
mit hochbetrübtem Herzen;
doch sie ist außer mir,
ins Herze kommt sie nicht,
dawider streite ich,
daß mir der Schweiß ausbricht.
4) So lang durch Gottes Kraft
ich nur noch widerspreche
und alle Lästerpfeil‘
durch seinen Geist zerbreche,
so schad’t der Pfeil mir nicht,
mein Jesu ist doch mein,
in ihm bin ich gerecht,
in seinem Blute rein.
5) Zwar fühl ich oftermals,
wie Satans Engel schläget
und giftig diese Wort‘
mir an mein Herze leget,
doch was kann ich dafür,
daß ich geschlagen werd‘,
weil ohne Schläg zu seyn
das matte Herz begehrt.
6) Gott sieht den Jammer wohl,
mein Seufzen, Weinen, Schreien
und wird zu seiner Zeit
mich schon davon befreien,
weil ich für solche Wort‘
hab Schrecken, Furcht und Scheu,
so schenk mir, Gott, die Schuld,
auf meine Buß‘ und Reu‘.
7) Ja, tobet immerhin,
ihr lasterhaften Worte,
ja tobet, wie ihr wollt
in mir an allem Orte;
Gott ist dennoch mein Freund,
ich achte euer nicht,
mein Jesus ist mein Trost,
und meiner Seele Licht.
8) Ihr habet mich von ihm
bisher noch nicht vertrieben,
ihr könnet es auch nicht,
ihn will ich ewig lieben,
und weils mein Will‘ nicht ist,
daß ihr im Herzen seid,
so bleib‘ ich Gottes Kind
in meinem Herzeleid!
9) Ach ja, ich werde schon
auch einst noch überwinden,
ich werde Ruh‘ und Trost
in Jesu Wunden finden.
Ich seh‘ den Himmel schon
mit Freuden wieder an
ich freue mich in Gott,
wie ich vorhin gethan.
Quelle:
Johann Friederich Starck, Evangelischer Prediger und Consistorialis zu Franckfurt am Main: Tägliches Hand-Buch in guten und bösen Tagen, enthaltend Aufmunterungen, Gebete und Gesänge, nebst mehreren Festandachten, S. 267ff. Philadelphia, Verlag von J. Kohler, No. 202, Nord Vierte Straße, Anno 1870.
Was klebst du wimmernd an der Erden?
So gottlos bin ich nie gewesen,
Sprichst du, als ich mich jetzo seh‘;
Ich werde von der Macht des Bösen
Umringet, wo ich geh und steh.
Will ich aus einem Greu’l mich winden,
So fällt mich, eh‘ ich denken kann
Ein ganzes Heer von andern an,
Und macht mir Muth und Hoffnung schwinden.
Da höhnet mich der Feind des Lebens,
Und treibt mit meinen Thränen Spott;
Gieb’s auf, spricht er, es ist vergebens,
Du hoffst umsonst auf deinen Gott!
Und ob er sich dein möcht erbarmen,
So machst du selbst die Sache schlimm;
Dein Herz ist voller Schlangenkrümm
Und dreht sich stets aus seinen Armen.
Dann bin ich wie auf’s Maul geschlagen,
Ich weiß nicht, was ich sag‘ und thu;
Ich muß die Schmach verstummend tragen,
Denn mein Gefühl sagt „Ja“ dazu.
O! möchte Gott nur einmal hören
Der stolzen Feinde Uebermuth
Und sich in dieser Höllengluth
Mit Gnadenaugen zu mir kehren.
(Leopold Franz Friedrich Lehr)