Johannes Brenz (1499-1570)

 

Johannes Brenz, latinisiert Brentius, (* 24. Juni 1499 in Weil der Stadt; † 11. September 1570 in Stuttgart) war ein evangelisch-lutherischer Theologe. Er war Reformator der Reichsstadt Schwäbisch Hall und des Herzogtums Württemberg. Brenz benutzte zeitweise auch die Pseudonyme Huldreich Engster, Ulricus Enc(h)aust(i)us (beides zu griechisch έγκαυστος „angebrannt“) und – nach seinem Versteck auf der Burg Hohenwittlingen – Johannes Wit(t)ling(ius).

Jugend und Studium

Johannes Brenz wurde am 24. Juni 1499 (Johannistag) in der Reichsstadt Weil der Stadt als Sohn des Richters und Schultheißen Martin Hess, genannt Prentz (1475–1535), und der vermutlich aus Enzweihingen stammenden Catharina Hennig geboren. Wie es üblich war, erhielt er bei der Taufe den Namen des Tagesheiligen. Über seine Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Er hatte drei jüngere Brüder und mindestens eine Schwester. Am 13. Oktober 1514, im Alter von 15 Jahren, wurde Brenz an der Universität Heidelberg immatrikuliert. Johannes Oekolampad war sein Mentor im Griechischen, Erhard Schnepf unterrichtete ihn in Rhetorik und Philosophie. (Brenz lernte in seiner Studienzeit eine Reihe von späteren Reformatoren kennen, allerdings nicht Philipp Melanchthon, mit dem er erst beim Marburger Religionsgespräch in näheren Kontakt kam.) Bereits hier entstand die gute Beziehung zu den Mitstudenten Johannes Isenmann und Michael Gräter, den späteren Kollegen in Schwäbisch Hall.

Der Auftritt Martin Luthers bei der Heidelberger Disputation am 26. April 1518 beeindruckte ihn. Gemeinsam mit seinem Mitstudenten Martin Bucer besuchte Brenz Luther in dessen Heidelberger Herberge. Später machte er sich durch das Studium von Luthers Schriften mit seiner Theologie vertraut. Das war der Beginn einer lebenslangen, engen Verbindung.

Am 18. Oktober 1518 erwarb Brenz den Magistergrad. 1519 wurde er Rektor der sogenannten Schwaben- oder Realistenburse (bursae realium regens) und unterrichtete dort Philosophie und Sprachen. 1520 war er als Kanoniker an der Heidelberger Heiliggeistkirche tätig. Er machte durch Bibelauslegungen auf sich aufmerksam.

1522 lud der Rat der Freien Reichsstadt Schwäbisch Hall Brenz zu einer Probepredigt (8. September 1522) ein und berief ihn anschließend auf die vakante Pfarrstelle an St. Michael.[2] Das kam ihm sehr recht, denn mittlerweile wurde er in Heidelberg wegen der Verbreitung lutherischer Lehren verdächtigt.

Nachdem er das dafür übliche Alter von 25 Jahren erreicht hatte, empfing er die Priesterweihe und feierte 1524[3] seine Primiz in Weil der Stadt.[4]

Wirken in Schwäbisch Hall

Die Durchsetzung der Reformation erfolgte schrittweise. Mit Predigten, die teilweise auch als Flugblätter gedruckt wurden, bereitete Brenz dafür den Boden. Er arbeitete eng mit zwei Heidelberger Studienfreunden zusammen: Johann Isenmann, dem zweiten Pfarrer an St. Michael, und Michael Gräter, dem Pfarrer von St. Katharina jenseits des Kocher, seinem späteren Schwager.

Ansicht der Freien Reichsstadt Schwäbisch Hall (Hala ad Cocharum)

An Weihnachten 1526 feierte Brenz erstmals das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Die Messe wurde in den Haller Kirchen St. Michael und in St. Katharina 1527 abgeschafft, in anderen Kirchen der Stadt (Schuppach- und Johanniterkirche[6]) wurde sie bis 1534 in traditioneller Weise gefeiert. Brenz ist es zu verdanken, dass in Schwäbisch Hall kein Bildersturm stattfand, so dass beispielsweise St. Michael bis heute viele spätmittelalterliche Kunstwerke birgt.

Mit der Kirchenordnung von 1527 entwarf Brenz eine Neugestaltung der religiösen Verhältnisse in Schwäbisch Hall. Predigt, Taufe und Abendmahl erhielten ebenso eine neue Form wie der Ablauf des Gottesdienstes oder das Eherecht, das aus dem Kirchenrecht in den Aufgabenbereich der weltlichen Obrigkeit überführt wurde. In Gutachten befasste sich Brenz zum Beispiel mit Themen wie Scheidungen, Ehehindernissen oder den Verfahren bei Ehebruch.

Mit einbezogen in die Reform des Kirchenwesens waren auch die Schulen. Talentierte Jungen gleich welcher Herkunft sollten laut Brenz Latein lernen und so die Grundlage für eine höhere Schulbildung erwerben. Er forderte auch Schulunterricht für die Mädchen, denen die Heilige Schrift ebenso gehöre wie den Männern [4]. Das Haller Franziskanerkloster, ein Zentrum des Widerstands gegen die lutherischen Reformen, wurde 1524 aufgehoben und die Lateinschule hierher verlegt. Aus dem Klostergut wurden die Lehrer besoldet, so dass das Schulgeld für Jungen und Mädchen entfiel [7].

Brenz als theologischer Autor

Neben Luthers Kleinem Katechismus und dem Heidelberger Katechismus schuf Brenz den wichtigsten deutschen Katechismus der Reformationszeit. Er bündelte Glaubensinhalte in Frage- und Antwortform:

„Welches Glaubens bist du? Antwort: Ich bin ein Christ. Warum bist du ein Christ? Antwort: Darum dass ich glaub an Jesum Christum und bin in seinem Namen getauft.“

Johannes Brenz, Eingangsfragen in der Fassung der Kleinen Kirchenordnung (1553)

Die drei von Brenz verfassten Katechismen, am wichtigsten derjenige von 1535, entfalteten eine große Wirkung – bis 1999 erschienen davon insgesamt 518 Ausgaben. Brenz’ Katechismus wurde in mindestens 14 Sprachen übersetzt. „Er ist 1536 zum Landeskatechismus und fast zu einer Art Bekenntnisschrift für Württemberg geworden. Ende des 17. Jahrhunderts hat man den Katechismus hier um die Lutherfragen zum Credo, Vaterunser und Dekalog erweitert und in dieser Fassung ist er als der Württembergische Katechismus bis in die Gegenwart in Gebrauch“ [8].

Trotz seiner vielfältigen Verpflichtungen fand Brenz die Zeit, ein umfangreiches Gesamtwerk zu verfassen, das ihn zu einem der produktivsten theologischen Autoren des 16. Jahrhunderts machte. Zu seinem Werk gehören zahlreiche Predigtdrucke und Predigtreihen sowie Kommentare zu biblischen Büchern. Bis 1901 erschienen 681 Brenz-Drucke. Publizistischen Fehden mit katholischen und reformierten Autoren ging Brenz nicht aus dem Weg.

Täufer und Spiritualisten

Hervorhebung verdient seine Stellungnahme von 1528 zu der Frage, ob man die radikalreformatorischen Täufer hinrichten solle, wie es vom Reichsgesetz vorgeschrieben war. Obwohl es Brenz bei seiner Antwort nicht um Tolerierung Andersdenkender, sondern die Verhinderung von Exekutionen aus religiösen Gründen ging, spielte seine entschiedene Ablehnung eine wichtige Rolle in der Geschichte des Toleranzgedankens.

Dieser Linie ist Brenz auch in Württemberg gefolgt, wo er sich mit dem spiritualistisch-protestantischen Prediger Kaspar von Schwenckfeld und dessen Anhängern auseinanderzusetzen hatte. Trotzdem stand Brenz auch hinter der mehrfachen Verurteilung der Täufer, wie sie im von ihm selbst mitformulierten Augsburger Bekenntnis 1530 festgeschrieben wurde.

Sebastian Castellio meinte, Brenz’ Gutachten hätten viele Täufer vor dem Märtyrertod bewahrt.[11] De facto wurde in Württemberg unter Brenz’ Einfluss so verfahren, dass man Täufer nur selten auswies, sondern sie auf unbegrenzte Zeit in Haft hielt, und, da man die Todesstrafe vermeiden wollte, den Anschein eines „Unterrichts“ der Inhaftierten in Glaubensfragen wahrte.[12]

„Luthers Mann in Süddeutschland“

Durch seine Korrespondenz und seine erfolgreiche Arbeit als theologischer und weltlicher Ratgeber und Gutachter reichte der Wirkungskreis von Johannes Brenz weit über die Grenzen Schwäbisch Halls hinaus.

Wiederholt erhielt Johannes Brenz ehrenvolle Angebote, so auch aus England, die er aber ablehnte. Die Freie und Reichsstadt Nürnberg bemühte sich um Brenz, wie auch die früh lutherisch-evangelisch gewordenen Reichsritter aus dem Hause Gemmingen, Dietrich von Gemmingen († 1526) im Kraichgau, zu denen er enge persönliche Kontakte pflegte, und der Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach, der ihn als Berater immer wieder hinzuzog. Auch zu Herzog Ulrich von Württemberg unterhielt Brenz nach dessen Rückkehr 1534 enge Kontakte. Er wirkte als Berater bei der Einführung der Reformation und reorganisierte für Ulrich von Württemberg 1537 bis 1538 die Universität Tübingen.

Als „Luthers Mann in Süddeutschland“ (Martin Brecht) fiel Johannes Brenz bei den Diskussionen zwischen Anhängern Luthers und oberdeutsch-reformierten Theologen sowie bei der Vertretung des Protestantismus nach außen eine wichtige Rolle zu. Das am 21. Oktober 1525 an Johannes Oekolampad übersandte Syngramma Suevicum ist die Stellungnahme des Johannes Brenz zum Abendmahlsstreit, der sich vierzehn lutherische Theologen durch ihre Unterschrift anschlossen (darunter Johann Lachmann, Erhard Schnepf, Johann Geyling und Johann Isenmann), ein frühes Beispiel Brenz’scher Wirksamkeit. Im Abendmahlsstreit stellte sich Brenz an die Seite Luthers und nahm mit diesem 1529 am Marburger Religionsgespräch teil, bei dem vergeblich eine Einigung mit den reformierten Theologen um Ulrich Zwingli gesucht wurde. Brenz gehörte nach diesem Ereignis endgültig in den Kreis der wichtigsten protestantischen Theologen und wurde in der Folge oft bei Religionsfragen hinzugezogen. So nahm er 1530 am Reichstag zu Augsburg teil und verfasste zusammen mit Philipp Melanchthon das Augsburger Bekenntnis. 1537 beteiligte er sich am Schmalkaldischen Bundestag, ebenso an den Religionsgesprächen von Worms (1540) und Regensburg (1545/1546).

Flucht aus Schwäbisch Hall und Exil (1548–1553)

Die Spannungen zwischen den protestantischen Reichsständen und Kaiser Karl V. mündeten 1546 in den Schmalkaldischen Krieg, der mit einem schnellen Sieg des Kaisers in Süddeutschland endete. Im Dezember 1546 besetzten kaiserliche Truppen die Reichsstadt Hall. Da Brenz den bewaffneten Widerstand gegen den Kaiser abgelehnt hatte, konnte er eine Predigt vor Karl V. halten und ein Gespräch mit dem gnädig gestimmten Monarchen führen. Dann aber fand man bei Brenz angeblich belastende Dokumente. Sein Haus wurde geplündert. Brenz gelang in Verkleidung die vorübergehende Flucht aus der Stadt.

Nach seiner Rückkehr im Januar 1547 übte Brenz scharfe Kritik am Augsburger Interim, mit dem Karl V. 1548 die Lösung der religiösen Fragen im weitgehend katholischen Sinn zu erzwingen versuchte. Der kaiserliche Kanzler Granvella ließ schließlich eine Haller Delegation gefangen setzen, um die Auslieferung von Brenz zu erzwingen. Dank einer anonymen Warnung entging er um Haaresbreite der Verhaftung und floh am 24. Juni 1548 endgültig aus Schwäbisch Hall. Seine Ehefrau Margarethe litt an Schwindsucht und war bereits schwer krank, musste aber Hall mit den Kindern verlassen, um im Württembergischen Zuflucht zu suchen. Im September 1548 kehrte sie nach Hall zurück und verstarb dort am 18. November 1548.[13]

In den folgenden fünf Jahren führte Johannes Brenz ein Wanderleben im Exil.[14] Bekannt sind folgende Stationen:[3]

  • Burg Hohenwittlingen bei Urach, unter dem Schutz Herzog Ulrichs;
  • Straßburg;
  • Basel (hier erhielt er die Nachricht vom Tod seiner Frau);
  • Stuttgart;
  • Burg Hornberg (unter dem Pseudonym „Huldreich Engster“), ab 1549
  • Urach, am herzoglichen Hof, Herbst 1550;
  • Mägerkingen;
  • Sindelfingen;
  • Stuttgart;
  • Ehningen bei Böblingen, Anfang 1552;
  • Tübingen, bis Sommer 1553.

Literatur (Auswahl)

Friedrich Wilhelm BautzBrenz, Johannes. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 743–744 [Archivfassung, Stand 27.02.2008]

Quelle: Seite „Johannes Brenz“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. September 2020, 06:20 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Johannes_Brenz&oldid=203571897 (Abgerufen: 14. September 2020, 18:44 UTC)

Bildnachweise:

Portrait Ioannes Brentius Theologus, Kupferstich 17. Jahrh.: Wikimedia Commons / Public Domain

Portrait Johannes Brenz (Stiftskirche, Stuttgart): Ktiv / CC BY-SA  4.0

Freie Reichsstadt Schwäbisch Hall: Franz Hogenberg / Public domain

Weblinks und Verweise:

Brenz, Johannes: Fragstück des christlichen Glaubens (Catechismus minor)

Brenz, Johannes: Unvollendete Gesamtausgabe seiner Werke, hrsg. von Georg Gruppenbach, 8 Bde., Tübingen 1576-90.

Eingestellt am 14. September 2020 – Letzte Überarbeitung am 27. Juli 2021