I.
Die einfache Abendmahlzeit war beendet. Der alte Henrichs, seine Frau Katharina, Johannes ihr Sohn, der Knecht und zwei Mägde saßen noch um den Tisch. Es war seit alten Zeiten so gewesen auf dem Hofe, daß gleich nach dem Abendessen die Abendandacht gehalten wurde. Eine der Mägde holte aus dem Wandschrank neben der alten Uhr die große Bibel und Bogatzky’s güldenes Schatzkästlein. Vater Henrichs nahm sein Käppchen ab, las einen Psalm und für den Tag den Abschnitt aus dem Schatzkästlein.
Dann stand er auf und mit ihm die anderen. In einem freien Gebete pries er die Güte des Herrn, der auch heute wieder Schutz und Schirm gewesen, dankte für das Erntewetter und für die Früchte des Feldes, rief seine erbarmende Gnade an über sich und seine Hausgenossen, daß ihrer keiner verloren gehe am Tage der großen Ernte, gedachte des ganzen Dorfes mit seinen Gläubigen und Ungläubigen, bat für die Mission, für Kaiser und Reich und befahl sich und sein ganzes Haus für die kommende Nacht dem Schutze des Allmächtigen. Das war kein Plappern und viele Worte machen, sondern kam aus einem gläubigen Herzen wie ein Strom lebendigen Wassers.
Der Tisch war abgeräumt. Der Knecht und die Mägde besorgten das Vieh und was sonst noch vor dem Schlafengehen zu tun war. Die drei waren allein in dem großen niedrigen Zimmer, von dem eine Tür auf die geräumige Deele und die andere in die Schlafstube führte. Der alte Henrichs saß im Lehnstuhl. Er blies den Rauch seiner Pfeife in kurzen Stößen von sich, was er immer zu tun pflegte, wenn ihm etwas durch den Kopf ging. Seine Frau, Kathrin, wie er sie nannte, saß auf der Bank, die sich hinter dem Tische an der ganzen Breite der Wand hinzog, und schnippelte Bohnen. Johannes lehnte am Fenster. Er hatte in der Hand ein Zeitungsblatt, in dem er soeben gelesen. Jetzt schaute er die Dorfstraße entlang. Eine stattliche Erscheinung, dieser junge Bauer. Seine Haltung und Bewegung zeugten von Kraft und Stärke, sein gebräuntes Gesicht von wetterfester Gesundheit. Und daß der Mann Energie hatte und ein stolzes Selbstgefühl, verrieten die dunklen Augen und buschigen Augenbrauen, zeigten die fest geschlossenen Lippen.
Als er im Jahr 1869 um Pfingsten als Garde-Kürassier auf Urlaub von Berlin ins Dorf kam, waren, wo er ging und stand, die Blicke von alt und jung auf ihn gerichtet, und hinter dem Fenster schaute manche Dorfschöne verstohlen ihm nach. Er war kaum 2 Jahre beim „Kommiß“, da ging’s nach Frankreich. Das war eine bange Zeit für die alten Henrichs, denn es war der einzige Sohn. Aber der Herr hatte sich zu ihren Gebeten bekannt. Er kam zurück, die Brust geschmückt mit dem Eisernen Kreuz.
Kugeln hatte er genug pfeifen gehört, aber kein Haar war ihm gekrümmt. Die Strapazen des Feldzuges schienen seinen Körper noch mehr gestählt zu haben. Da war es bei der Welt nur eine Stimme: Der alte Henrichs war ein glücklicher Vater. Ja bei der Welt. Vater Henrichs schaute tiefer und dachte anders. Das war wahr, Johannes war sein Lebtag kein Säufer, Spieler oder liederlicher Bursche gewesen. Das vierte Gebot hatte er bei seinem Lehrer und Pfarrer nicht bloß auswendig, sondern auch inwendig gelernt. Henrichs konnte mit dem Hauptmann zu Kapernaum sprechen: Komme her – so kam er; gehe hin – so ging er; tue das – so tat er’s. Es war eine Lust und Freude, den Johannes bei der Arbeit zu sehen. Henrichs Hof galt beim ganzen Dorfe für einen Musterhof. Das tote wie das lebende Inventar war in einem ausgezeichneten Zustande. Und wenn einer den alten Henrichs darum lobte, pflegte er zu sagen: „Wenn Johannes nicht da wäre, sähe es nimmer so aus.“
Was bekümmerte denn den Henrichs? Daß Johannes noch kein gebrochenes Herz hatte, noch kein bekehrter, wiedergeborener Christ war. Ja, wenn er es nur hätte werden wollen. Aber nie war er dazu zu bewegen, an der kleinen Versammlung teilzunehmen, die an jedem Sonntag Nachmittag beim alten Henrichs gehalten wurde. Es waren ihrer 20 bis 30, die da zusammen kamen. Man sang ein Lied, betete, sprach über die Predigt des Pastors vom Vormittag oder las eine Predigt vor.
Das war dem Johannes denn doch zu viel. Was über den Gottesdienst in der Kirche hinausging, das war ihm, wie hundert anderen im Dorfe, Muckerei und Separatismus. Er konnte heftig werden, wenn er mit seinem Vater darüber zu reden kam. Und daß Katharina, seine Mutter und die meisten im Dorfe so dachten wie er, bestärkte ihn in seiner Ansicht. Wie oft hatte der alte Henrichs im Gebet mit seinem Herrn gerungen um die Seele seines Sohnes und Weibes. Aber er wußte sich immer zu demütigen unter das Wort: „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig!“, und in seinem kindlichen Glauben hielt er sich an die Verheißung: „Glaube an den Herrn Jesum, so wirst du und dein Haus selig!“ „Herr“, betete er oft, „ich lasse dich nicht, Du segnest mich denn und bringest auch meine Kathrin und den Johannes zum lebendigen Glauben.“ Doch kehren wir zurück zu jenem Abend.
„Johannes“, sagte der Alte, nachdem sie vom Wetter und von den Erntearbeiten des folgenden Tages geredet, „der Nachbar Klaus meinte heute, Wiegand’s Marie würde wohl meine Schwiegertochter werden. Ich habe ihm den Marsch geblasen, daß er so dummes Zeug schwatzte. Daß Du an’s Heiraten denkst, ist mir schon recht, denn ich bin nicht weit von den Siebzigern und deine Mutter könnte auch eine Schwiegertochter brauchen. Du bist jetzt 30 Jahre alt und ohne Frau geht’s doch nicht auf die Dauer. Aber Wiegand’s Marie – das ist ja Unsinn. Wie kommt der Klaus dazu?“
Eine peinliche Stille. „Junge“, fuhr der Alte fort, „es ist doch nichts daran?“ Kathrine hörte auf zu schnippeln und sah erschrocken ihren Sohn an. Der antwortete mit erzwungener Ruhe: „Vater, der Nachbar hat recht, ich bin mit Wiegand’s Marie eins.“
„Johannes“, fuhr der Alte auf, setzte seine Pfeife in die Ecke und erhob sich, „dann sind wir nicht mehr eins. So lange ich lebe, kommt die Marie Wiegand als Schwiegertochter nicht in mein Haus, Junge, diesen Kummer wolltest Du mir antun, und Wiegands Tochter heiraten.“ „Aber Vater,“ antwortete Johannes, „warum ist Euch denn Marie nicht recht? Wer kann ihr denn etwas anhängen?“ „Daß Du nch so fragst,“ sagte der Alte wehmütig. „Du willst ein katholisches Mädchen nehmen? Die Tochter eines Mannes, der erzrömisch und ultramontan ist, viel schlimmer als der katholische Pastor? Junge, das kann dein Ernst nicht sein. Rom und Wittenberg auf meinem Hofe, in meinem Hause – das geht nicht, das geht nicht. Eine gemischte Ehe, davor sei Gott in Gnaden. Ich habe genug in meinem Leben durchgemacht, aber ein solches Unglück möchte ich nicht noch erleben. Johannes, weißt Du noch, was der Wiegand für Reden geführt im Jahre 1866 nach der Schlacht von Königgrätz? Damals meintest Du, windelweich müßte der Mann geschlagen werden, der uns Preußen den Sieg mißgönnt über die Österreicher. Du bist in Frankreich gewesen und hast Deine Kameraden bluten und sterben sehen im Kampfe gegen unseren Erbfeind, der uns die Waffen in die Hand genötigt.“ […]
„Noch eins, Johannes, neulich hat er in der Schenke öffentlich einen Zeitungsartikel zum Besten gegeben aus einer römischen Zeitung, ich glaube sie nennen sie Germania. Da stand drin, die Protestanten in Eisleben wollten zum 400jährigen Geburtstage dem Dr. Luther ein Standbild setzen. Aber im Jahre 1883 gäbe es keine evangelische Kirche mehr. Ich glaube es auch, hat er ausgerufen, die Protestanten pfeifen aus dem letzten Loch! Johannes, lieber Junge, die Tochter dieses Mannes willst Du in mein Haus führen, die soll an unserm Tische mit essen? Nun, ich glaub’s nicht, und wenn Du es willst, dann will’s der Wiegand nicht. Der giebt seine einzige Tochter keinem Ketzer.“ Der Alte setzte sich nieder und schüttelte mit dem Kopf. Dann faltete er die Hände, als wenn er Gott anrufen wollte, ihn vor solchem Unheil zu behüten.
Johannes schwieg eine Weile. „Vater,“ begann er darauf, „ich will ja den Wiegand nicht heiraten, sondern seine Tochter und die ist nocht so mwie ihr Vater. Wenn der Wiegand einen evangelischen Schwiegersohn hat, wird er auch anders. Und dann hat er mir neulich gesagt, er sei auch ein guter Deutscher und wenn die Maigesetze aufgehoben würden und die katholische Kirche nicht mehr verfolgt würde, dann sei wieder alles in Ordnung.“
„Johannes,“ erwiderte der Alte, die Liebe macht blind. Ich traue den Römischen nicht, wie sie heutzutage sind. Die sind nicht eher zufrieden, als bis der letzte Protestant aus dem Reiche gejagt ist.“ „Aber Vater,“ fuhr Johannes dazwischen, was hat das mit der Marie zu tun. Die ist katholisch, schlicht und recht, wie ich evangelisch bin. Wir glauben ja doch an einen Gott. -“
„Junge,“ rief der Alte mit erregter Stimme, „komm mir nicht mit solchen Phrasen. Es gibt nur einen Gott, den Gott der Bibel, den Christus offenbart hat, aber auch nur einen Weg zu Gott zu kommen, nämlich durch den Glauben an Jesum Christum. Und die Römischen haben einen anderen Weg. Die haben den Herrn Jesum beiseite geschoben und die Kirche und den Papst und Maria und wer weiß was alles an seine Stelle gesetzt. Die Marie Wiegand ist ’ne nette Dirn‘ und ein proper Mädchen, aber sie muß tun was der Vater will und der Kaplan befiehlt, und die sollen in meinem Hause nichts zu schaffen haben. Nochmal, Johannes, schlage dir die Geschichte aus dem Kopf. Der Wahn ist kurz und die Reu‘ ist lang. Meine Einwilligung hast du nicht, kannst du nicht bekommen. Ich kann nicht einwilligen in eine unglückliche Ehe.“ „Unglückliche Ehe? Vater, wir heiraten uns, weil wir uns lieb haben und darum werden wir glücklich sein. Ich bitte euch um Gotteswillen, macht mich nicht unglücklich.“
„Johannes, das Glück liegt nicht in der Ehe, das Glück liegt im Glauben an den Herrn. Das können nimmer glückliche Eheleute sein, die nicht zusammen beten, nicht zusammen Gottes Wort hören, nicht zusammen dem Herrn dienen können. Junge, es ist jetzt noch deinen Augen verborgen, Du bist noch kein Christ, der im Glauben an den gekreuzigten Christus Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit hat. Aber wenn der Herr mit seinem Wunderstab dein Herz anrührt, wenn Du zum armen Sünder wirst und Frieden findest in deinem Heiland, Johannes, dann wirst du das Elend verstehen, ein Weib zu haben, das in die Messe läuft und fünfzig Ave Marias plappert, ein Weib zu haben, mit dem Du kein Wort Gottes lesen, mit der Du deine Kniee nicht beugen kannst. Johannes, ich habe noch von keiner glücklichen gemischten Ehe gehört. Machen sie sich beide nichts aus ihrem Glauben, dann sind sie unglücklich und halten sie beide auf ihrem Glauben, sind sie auch unglücklich. Und die Kapläne, Johannes“, die Kapläne, die sorgen im Beichtstuhl schon dafür, den faulen Frieden in den gemischten Ehen zu stören.“
Eine Weile war es still im Zimmer. Dann reichte Johannes seinem Vater die Hand und sagte: Vater, ich weiß, Ihr meint es gut mit mir. Ich möchte Euch nicht betrüben. Aber von der Marie zu lassen, Vater, ich weiß nicht, ob ich es fertig bringe. Und die Marie läßt nicht von mir. Ihr seht zu schwarz. Die Liebe überwindet alle Hindernisse.“
„Gewiß, Johannes, aber die Liebe zum Herrn! Gib dem Herrn dein Herz und Er wird dir schon sagen, was du tun sollst.“
„Es ist genug für heute“ , erwiderte der junge Bauer, und Tränen rollten über seine Backen. „Mein Gott, ich weiß nicht was und wie’s noch werden soll. Gott erbarme sich über mich und Marie. Ich muß noch in’s Freie, Ihr habt mir’s Herz sehr schwer gemacht.“
„Bleib nicht so lange“, rief ihm der Alte nach. Morgen früh um 6 Uhr gehts an den Weizen.“
„Gottfried“, sagte Kathrin zu ihrem Manne, „das ist ja eine fatale Geschichte. Daß ich nicht eher dahinter gekommen bin. Da hätte ich die Funken noch austreten können. Aber dies Feuer zu löschen, wird schwer werden. Die Marie könnte mir schon gefallen. Der Junge hat keine schlechte Wahl getroffen. Ich sah sie neulich noch auf der Kindtaufe bei Schneiders. Wie andächtig hörte sie unserem Pastor zu, als er die Taufrede hielt. Und hinterher war sie so lieb und freundlich zu mir. Ein tüchtiges Mädchen, das habe ich rausmerken können. Gottfried, vielleicht ging es doch. Die Beiden werden schon fertig werden, wenn sie sich lieb haben.“
„Kathrin, das verstehst du ebensowenig wie Johannes. Die beiden brocken sich eine Suppe ein, an der sie lebenslang zu würgen haben.“
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II.
Ein herrlicher Augustmorgen. Es war, als wollte der scheidende Sommer noch einmal seine ganzen Reize entfalten. Ein blauer, wolkenloser Himmel wölbte sich über die Fluren, deren reichen Segen einzuernten fleißige Hände sich regten, so weit das Auge schauen konnte. Roggen und Gerste waren bereits sicher geborgenund mächtige Diemen hin und her bezeugten, daß der Herr das Lnd voll Früchte gemacht. Jetzt fiel der goldige Weizen unter der Sense der Schnitter.
Das einförmige Geklapper einer Dresch- oder Mähmaschine drang aus der Ferne durch die Stille des Morgens. Das muntere Heer der Spatzen machte sich bald hier, bald dort mit lautem Geschrei bemerkbar. Die hatten gute Zeit. Überall war ihr Tisch gedeckt. Sie kannten keine Sorgen, von denen das arme Menschenherz gejagt und geplagt wird. Der junge Mann, im blauen westfälischen Bauernkittel, der auf dem breiten Kommunalweg, welcher vom Dorfe mitten durch die Felder führte, langsamen Schrittes dahin wanderte, schien ganz in Gedanken zu sein. Wir kennen ihn wieder. Johannes ist es, des alten Henrichs Sohn. Wir wissen schon, was ihn beschäftigt. Drei Tage waren dahin, seit jenem Abend, als sein Vater zu ihm sagte: „So lange ich lebe, kommt die Marie nicht in mein Haus!“ Und was für drei Tage! Das war ein unaufhörliches Kämpfen und Ringen gewesen in seinem Herzen. Gegen den Willen des Vaters an der Marie festhalten – ach, er fühlte, was das bedeutete. Und wenn der Vater recht hätte mit dem, was err da sagte über gemischte Ehen? und die Marie loslassen, auf sie verzcihten -o, alles in der Welt, nur das nicht. Drei Tage lang hat er sie nicht gesehen, nicht gesprochen. Er hatte es versucht, ihr Bild zurückzudrängen, sie zu vergessen. Sein Herz spottete dieses ohnmächtigen Versuches. Erst seit vier Wochen hatten sich ihre Herzen gefunden. Merkwürdig, wie es geschah. Er war auf diesem Wege, den er jetzt wandelte, eines Sonntags abends. Er wollte sich die Ernte besehen, da sah er plötzlich seitwärts auf einem Feldwege, der in den breiten Weg mündete, ein kleines Gefährt mit rasender Schnelligkeit dahin jagen. Er blieb stehen, der laute Schrei einer Mädchenstimme drang an sein Ohr. Der Wagen kam näher und näher. War das nicht der einspännige Korbwagen des Wiegand? Schon konnte er sehen, wie der Bauer vergebens sich bemühte, das wildgewordene junge Pferd zu bändigen und wie seine Tochter, bleich vor Schrecken, an den Wagen sich anklammerte. Rasch sprang Johannes seitwärts. Mit fester hand fiel er dem Pferde in die Zügel, ein paar Schritte wurde er mitgeschleift. Dann stand das Pferd.
Das junge Mädchen aber wurde durch ds plötzliche Aufhalten über den Rand des Wagens geschleudert. Sie fiel auf den Rain, der sich längs des Feldes hinzog. Johannes eilte auf sie zu, richtete sie auf mit den Worten: „Mein Gott, Sie haben doch keinen Schaden genommen, Jungfer Marie?“ An allen Gliedern zitternd antwortete sie: „Ich hoffe nicht, es ist gut gegangen. Ich danke Ihnen, Johannes, das hätte bös‘ werden können, wenn Sie nicht da gewesen wären.“ Wiegnd sprang vom Wagen, schüttelte dem Johannes die hand mit den Worten: „Das waar eine brave That, Herr Henrichs, Gott vergelt’s Ihnen. Ohne Ihre Hülfe hätte es zerbrochene Glieder gegeben.“ – „Nun, Herr Wiegand“, entgegnete Johannes, „ein Garde-Kürassier nimmt’s mit einem Pferde noch auf.“
Noch einige Worte wurden gewechselt. Wiegand brachte Pferd und Wagen in Ordnung, schüttelte dem Johannes noch einmal unter herzlichem Danke die Hand und fuhr weiter. Marie, die alle Lust verloren hatte, sich wieder in den Wagen zu setzen, ging mit Johannes nach dem Dorfe zurück. Niemand war Zeuge dieses Vorfalles gewesen. Johannes begleitete das junge Mädchen bis an das Haus ihrer Eltern. Dann faßte sie noch einml seine beiden Hände, sah ihm treuherzig in die Augen und sagte: „Ich danke Ihnen sehr, Johannes; ich weiß nicht, wie ich das gut machen soll.“
„Ich freue mich, daß ich Ihnen einen Dienst erweisen konnte, und daß es so gnädig abgelaufen ist. Leben Sie wohl, Jungfer Marie!“ Und dann war er fort. Aber sonderbar, am folgenden Tage zog es ihn wieder hin , sich zu erkundigen. Wie freundlich wurde er aufgenommen. „Es ist gut, daß Sie kommen,“ kam ihm Frau Wiegand entgegen, „ich hätte Sie sonst heute aufsuchen müssen, umm Ihnen zu danken. Mag gar nicht dadan denken, was geworden wäre aus Marie und meinem mann, wenn der liebe Gott Sie nicht zur rechten Zeit geschickt hätte. Jesus, Maria, Joseph, was hätte das für ein Malheur geben können! Kommen Sie und trinken Sie mit uns eine Tasse Kaffee. Marie, nun bediene deinen Lebensretter,“ wandte sie sich an ihre Tochter.
„Guten Tag, Johannes!“ Mit diesen Worten streckte das junge Mädchen ihm die hand entgegen. Er ergriff sie errötend. Dann schaute er ihr ins Auge. Es war ihm merkwürdig dabei zu Mute. Er konnte den Blick nicht wieder vergessen.
(wird fortgesetzt)
Julius Dammann: In gemischter Ehe. Eine Erzählung nach dem Leben zur Beherzigung für junge Leute. 4. Aufl., Düsseldorf. Verlag von C. Schaffnit, Buchhandlung für christliche Literatur und Kunst.
Bildquellen:
Kirche Burgscheidungen (Tnemtsoni / CC BY-SA 3.0)