1. Thessalonicher 1, 10

Und zu warten auf seinen Sohn vom Himmel, welchen er auferweckt hat von den Toten, Jesum, der uns von dem zukünftigen Zorn erlöst. (1. Thess. 1, 10)

Es gibt also einen zukünftigen Zorn, und es ist eine große Gnade, von demselben erlöst zu sein. Auch der Täufer Johannes redete von diesem Zorn, da er zu den Pharisäern und Sadducäern, die zu seiner Taufe kamen, sagte: „Ihr Otterngezüchte, wer hat denn euch geweiset, daß ihr dem zukünftigen Zorn entrinnen werdet?“

Die heilige Schrift sagt zwar mehrmals, daß der Zorn Gottes über die mutwilligen Verächter der Gnade ausbreche, dieweil sie noch auf der Erde leben, wenn sie nämlich schwere Strafgerichte erfahren, s. Ps. 85, 6; Jes. 9, 12; Jes. 60, 10; Luk. 21, 23, aber doch ist nichts dem zukünftigen Zorn zu vergleichen. Dieser bricht aus, wenn die Langmut Gottes aufhört, wenn kein Raum zur Buße mehr gegeben wird, wenn der Richter Alles an’s Licht bringt, und einem Jeglichen vergilt nach seinen Werken.

Eine fürchterliche Beschreibung dieses zukünftigen Zorns steht 2. Thess. 1, 8.9, wo gesagt wird: Der HErr Jesus wird mit Feuerflammen Rache geben über die, so Gott nicht erkennen, und über die, so nicht gehorsam sind dem Evangelium unsers HErrn Jesu Christi, welche werden Pein leiden, das ewige Verderben von dem Angesicht des HErrn und von Seiner herrlichen Macht“. Wie herzlich und demütig haben wir also dem Sohn Gottes, Jesu Christo, zu danken, daß Er uns von dem zukünftigen Zorn erlöst hat, und wie sehnlich haben wir darnach zu streben, daß wir dieser Erlösung wirklich froh werden!

Von den Plagen, welche Gott dem Adam und der Eva und allen ihren Nachkommen 1. Mose 3 aufgelegt hat, hat uns Christus nicht erlöst, weil sie den Sündern nötig und heilsam sind. Er hat überhaupt die zeitlichen Trübsale, welche von daher auf den Menschen liegen, nicht aufgehoben. Meint Jemand bei denselben einen Zorn Gottes wahrzunehmen, wie denn diese Vorstellung bei Trauernden, die ihre Sündenschuld erkennen, oft vorkommt, so darf man doch dabei sagen: „Ich will des HErrn Zorn tragen, denn ich habe wider Ihn gesündigt, bis Er meine Sache ausführe, und mir Recht schaffe; Er wird mich an’s Licht bringen, daß ich meine Lust an Seiner Gnade sehe“ (Micha 7, 9). Der Zorn des HErrn also, den bußfertige und zugleich durch äußere Leiden gedemütigte Menschen tragen müssen, ist nicht derjenige Zorn, welchen die heilige Schrift den zukünftigen nennt. Es ist auch nicht der lautere Zorn (Off. Joh. 14, 10), sondern mit einer verschonenden Liebe gemildert. Man trägt ihn ohne Murren, weil man sich bewußt ist, daß man wider den HErrn gesündigt hat.

Der HErr führt aber die Sache solcher gedemütigten Sünder aus. Er schafft ihnen Recht gegen ihre Feinde, aber auch vor Ihm selbst läßt Er ihnen das Recht der Erlösten und Glaubigen widerfahren, indem Er sie rechtfertigt. Er bringt sie an’s Licht, nachdem sie vorher im Finstern gesessen waren, V. 8, und läßt sie ihre Lust an Seiner rechtfertigenden Gnade sehen. Diesen Zorn haben alle Heiligen eine Zeit lang tragen müssen. Die Pfeile des Allmächtigen, die drückende Hand Gottes, die Wasserwogen und Wellen Gottes, die Grube, die Finsternis, die Tiefe, der Grimm Gottes, die Verstoßung, der Tod, auf welchen eine Lebendigmachung folgt, die Hölle, aus welcher Gott wieder herausführt – dieses Alles, und was noch mehr von dieser Art genannt wird, darf ein Christ nicht scheuen, weil alle Heiligen es erfahren haben. Aber vor dem zukünftigen Zorn bewahre uns, lieber HErr Gott!

(Magnus Friedrich Roos)


Eingestellt am 17. Oktober 2023