Hebräer 10, 29

Wie viel, meint ihr, ärgere Strafe wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt und das Blut des Testaments unrein achtet, durch welches er geheiligt ist, und den Geist der Gnade schmäht? (Hebräer 10, 29)

Es ist lieblich, daß der Heilige Geist der Geist der Gnade und des Gebets (Sacharja 12, 10), und Hebräer 10, 29 der Geist der Gnade genannt wird. In beiden Stellen ist von dem Heiligen Geist die Rede, wie Er Sich im Neuen Testament offenbart. Es gibt Leute, welche mit einem finstern Grimm Andere richten, drücken, verdammen, und wenn es ihnen möglich ist, vertilgen, dabei aber selbst die Gnade Gottes nicht genießen. Wenn nun solche Leute vorgeben, sie seien im Heiligen Geist versammelt, oder sie werden von dem Heiligen Geist getrieben, so betrügen sie Andere, und vielleicht auch sich selber.

Der Geist Gottes ist ein Geist der Gnade, weil Er nicht nur aus Gnade geschenkt wird, sondern auch die Gnade Jesu Christi den Menschen offenbaret, zueignet und zu genießen gibt, ja durch Seine Inwohnung und Wirkung das Pfand oder der Beweis derselben ist. Wer nun diesen Geist der Gnade empfangen hat, kann andere Menschen, wenn er sie auch für irrende und gottlose Menschen halten muß, nicht mehr grimmig richten und verdammen oder tätlich beleidigen; ja es steht ihm auch die Strenge nicht mehr an, welche den Heiligen des Alten Testaments wohl anstand, wie Christus Seinen Jüngern, die sich bei ihrem Eifer auf den Propheten Elias beriefen, Lukas 9, 51-56 angedeutet hat.

Wenn der Geist der Gnade in dem Herzen eines Menschen wohnt, so fließt auch desselben Menschen Mund in Worten der Gnade, oder holdseligen Worten über, Lukas 4, 22, Epheser 4, 29. Licht ist in seinem Angesicht, Hiob 29,24., und Gnade auf seinen Lippen, Psalm 45, 3. Er wandelt im Licht und in der Liebe, wie vornehmlich der Apostel Johannes gelehrt hat.

Wo bleibt aber alsdann die Schärfe, die gegen das Böse ausgeübt werden muß? Auch diese mangelt nicht, wo der Geist der Gnade das Regiment führt, denn Er ist ein heiliger Geist, und die Gnade ist nicht die Rechtfertigung oder Entschuldigung des Bösen, sondern die Befreiung von dem Bösen, welche nicht ohne die Anwendung einer heilsamen Schärfe geschehen kann. Der Geist der Gnade lehrt also die Sünde hassen, und den Sünder lieben. Er treibt diejenigen, die Er regiert, zur Bestrafung der Irrtümer und Laster, erhält sie aber bei der lautern Absicht, das Heil der Irrenden und Lasterhaften zu suchen, und treibt sie an, ihnen zu vergeben und für sie zu bitten. Die Schläge eines solchen Liebhabers meinen es recht gut, da hingegen das Küssen des Hassers ein Gewäsche ist, Sprüchw. 27, 6.

Der Geist der Gnade bringt den Frieden Gottes in das Herz; denn wo Gnade ist, da ist auch Friede. Wenn also die Gottlosen wie ein ungestümes Meer sind, das nicht stille sein kann, und wenn Christen, die noch unter dem Gesetz sind, die verdammende Kraft desselben fühlen, und sich mit unkräftigen Bemühungen ermüden, so hat hingegen derjenige, welcher den Geist der Gnade empfangen hat, ein gereinigtes Gewissen, ein beruhigtes Herz, eine kindliche Zuversicht zu Gott, und eine Kraft, die Versuchungen zu überwinden.

Wer den Geist der Gnade nicht empfangen will, und nicht darum bittet, stehet unter der Gewalt des bösen Feindes, der ein Lügner und Mörder von Anfang ist, und Lügner und Mörder aus den Menschen macht. Wer aber sogar den Geist der Gnaden, der in wahren Christen ist, schmähet, wird die Rache Gottes erfahren.

(Magnus Friedrich Roos)

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Eingestellt am 6. Juni 2024