Das sind die Worte, die Mose redete zum ganzen Israel jenseit des Jordans in der Wüste, auf dem Gefilde gegen das Schilfmeer, zwischen Pharan und Tophel, Laban Hazeroth und Disahab. (5. Mose 1, 1)
Man redet heute so viel von der Würde der menschlichen Natur, und viele bestreiten, dass sie fähig sind, solche Sünden zu begehen, wie sie in den vor uns liegenden Kapiteln und an anderen Stellen der Schrift erwähnt werden. Aber Gott würde uns sicher nicht vor einer Sünde warnen, wenn wir nicht fähig wären, sie zu begehen. Die göttliche Weisheit wird niemals einen Damm bauen, wenn nicht eine Strömung vorhanden ist, die ihn nötig macht. Einem Engel zu sagen: „Du sollst nicht stehlen“, wäre unnötig. Der Mensch aber ist diebisch veranlagt und hat darum jenes Gebot nötig. Ebenso verhält es sich mit jeder anderen verbotenen Sache. Das Verbot ist der Beweis dafür, daß die Neigung im Menschen vorhanden ist, das Verbotene zu tun.
Es mag hierauf erwidert werden, daß die in der Schrift erwähnten schrecklichen Verbrechen in der Geschichte der Menschheit wohl vorgekommen sein mögen, daß man aber doch nicht alle Menschen dazu für fähig halten dürfe. Aber das ist ein großer Irrtum. Hören wir, was der Heilige Geist in Jeremia 17, 9 sagt: „Arglistig ist das Herz, mehr als alles, und verdorben ist es; wer mag es kennen?“ Von wessen Herzen ist hier die Rede? Von dem eines schweren Verbrechers oder eines rohen Wilden? Nein, von dem menschlichen Herzen überhaupt, dem Herzen des Schreibers und dem des Lesers dieser Zeilen. So sagt auch der Herr Jesus: „Aus dem Herzen kommen hervor böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsche Zeugnisse, Lästerungen“ (Matth. 15, 19). Redet der Herr hier von dem Abschaum der menschlichen Gesellschaft? O nein, sondern von mir und dir.
Wenn Gott nur einen Augenblick seine bewahrende Gnade von uns zurückzöge, so würden wir alle zu den schrecklichsten Verbrechen fähig sein. Wir dürfen wirklich sagen – und tun es mit dankerfülltem Herzen – daß es seine gnädige Hand ist, die uns jeden Augenblick bewahrt, damit wir nicht nach Leib und Seele Schiffbruch erleiden.
(Charles Henry Mackintosh: Gedanken zum 5. Buch Mose)