Es haben eitele Gemüter (Marperger, Württ. Gesangbuch 1912 #434)

Himmlischer Sinn

1) Es halten eitele Gemüter
Die Erde für ihr Vaterland;
Wer aber Jesum hat erkannt
Und die wahrhaften Himmelsgüter,
Der sieht ganzen Kreis der Erden
Für eine fremde Hütte an
Und sehnet sich, erlöst zu werden
von dieser rauhen Pilgerbahn.

2) Kein Fluß kann so zum Meere laufen,
Kein Stein eilt so der Tiefe zu,
Als wie Christ zur Himmelsruh‘
Hinweg eilt von dem Erdenhaufen.
Ob seine Füß‘ die Welt berühren,
So ist das Haupt doch in der Höh‘:
Er sucht den Wandel so zu führen,
Daß Herz und Sinn im Himmel steh.

3) Dies Heimweh gottverlobter Herzen
Vermehrt sich bei der Kreuzeslast,
Man find’t auf Erden keine Rast
Bei Leibes- oder Seelenschmerzen.
Wenn sich die Trübsalsflut ergießet,
So wird der engen Brust ganz bang,
Bis daß die Lebenszeit verfließet;
Ach Gott, heißt es, wie lang, wie lang!

4) Da hat ein Paulus Lust zu scheiden,
Ein Abraham ist lebenssatt;
Ein Hiob wird ganz müd‘ und matt
Vor langem Sehnen in dem Leiden;
Elias wünscht bei seinem Wandern,
Zu schließen den betrübten Lauf,
Von einem Morgen bis zum andern
Sieht David nach der Hilfe auf.

5) Doch ist dies Eilen zu dem Himmel
Gemäßigt mit Gelassenheit.
Man wartet auf die rechte Zeit,
Die zur Erlösung vom Getümmel
Des Allerhöchsten Rat beliebet.
Man setzt Gott weder Maß noch Ziel;
Und wird das Herz gleich lang betrübet,
So ist es ihm doch nie viel.

6) Der Herr, der über Tod und Leben
Die unumschränkte Herrschaft hat,
Wird seinen Kindern nie zu spat
Die lang verlangte Freiheit geben.
Ein selig End‘ muß alles wenden,
Was anfangs unerträglich war:
Und Gott reicht selbst mit seinen Händen
Den Lohn für allen Jammer dar.

7) Wir, die wir auf der Erde wallen,
Verlangen, daß zu rechter Zeit
Auch unser Abschied aus dem Streit
Dem frommen Gott mag wohlgefallen.
Du, Jesu, wollst uns Gnad‘ erweisen,
Daß wir dazu bereitet steh’n
Und uns auch so der Welt entreißen,
Damit wir froh gen Himmel geh’n.

Liedtext: Bernhard Walther Marperger (1682-1746)
Freylinghausen, 1714
Melodie: „Wo ist der Schönste den ich liebe“

Der oben wiedergegebene Liedtext folgt der Fassung von

Lied Nr. 434, in: Gesangbuch für die evangelische Kirche in Württemberg, Schmuckausgabe, S. 465f. (Verlagskontor des evangelischen Gesangbuchs, Stuttgart 1912)

Bernhard Walther Marperger (* 14. Mai 1682 in Hamburg; † 28. März 1746 in Dresden) war ein deutscher lutherischer Theologe. Marperger war ein Sohn des Paul Jacob Marperger aus Nürnberg und seiner Frau Sara, Tochter des Kaufmanns Bernhard Syburg aus Hamburg. Er besuchte das Gymnasium St. Ägiden in Nürnberg. Dort wurde er umfangreich ausgebildet und konnte sich 1699 an der Universität Altdorf immatrikulieren. Gefördert von den Professoren Johann Christoph Wagenseil und Johann Christoph Sturm, erwarb er sich 1702 den akademischen Grad eines Magisters.

Während seines zweijährigen Aufenthalts in Halle wandte er sich, durch eine Krankheit beeinflußt, der lutherischen Theologie zu. Zurückgekehrt nach Nürnberg ging er an die St. Egidienkirche als Prediger, wurde daselbst 1706 Diakon, wozu er in Altdorf ordiniert wurde. Am 14. Januar 1711 zum Diakon an die Nürnberger Hauptkirche St. Sebald berufen, wurde er am 5. Mai 1714 in das Predigerkollegium aufgenommen und übernahm damit die Inspektion des Nürnberger Gymnasiums. 1715 wurde er zum auswärtigen Mitglied der Königlich Preußischen Sozietät der Wissenschaften gewählt.

Als man 1718 die Grundsteinlegung der neu errichteten Egidienkirche vorgenommen hatte, hielt er die Antritts- und Einweihepredigt. Nachdem er in Altdorf am 13. Juni 1724 zum Doktor promoviert hatte, folgt er im selben Jahr einem Ruf an den Hof des sächsischen Kurfürsten August des Starken als Oberhofprediger, wurde damit der oberste sächsische Kirchenrat und Oberkonsistorialassessor. In Dresden wurde Marperger von den konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen Pietismus und lutherischer Orthodoxie erfaßt.

Aus seiner 1706 geschlossenen Ehe mit Agathe, der Tochter des Johann Gräfen, des Seniorpfarrers an der Nürnberger St. Sebaldkirche, und seiner zweiten Ehe mit Anna Magdalena Murrer sind 7 Kinder hervorgegangen, von denen zwei Söhne Marperger überlebten.

Quelle: Seite „Bernhard Walther Marperger“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28. November 2021, 16:17 UTC. (Abgerufen: 4. Januar 2022, 21:20 UTC)

Über Marpergers geistliches Lied „Es halten eitele Gemüter“

Dieses geistliche Lied ist ein Heiligungs- und Sterbelied in 9 Strophen. Rambach, Anthol. IV. S. 215 gibt das Lied aus dem Ulmer Gesangbuch (Gläubiger Kinder Gottes Englische Sing-Schule) 1717, S. 693, und bemerkt, daß Freylinghausen es vielleicht aus dem von dem Verfasser 1710 herausgegebenen Communionbuche genommen habe. In dem von Marperger besorgten Gesangbuche (Andächtige Hertzens-Music, bestehend in 869 außerlesenen Liedern etc.), Leipzig 1725 (die Vorrede d. d. Dresden den 15. Februarii A. C. 1725) findet es sich nicht. Nach Koch IV., S. 396 steht es in des Vfs. Erbauungsschrift „Verlangen nach einem seligen Tod“, Nürnberg 1726 (mit Vorrede des Diaconus Hirsch an St. Sebaldi). – Aufgenommen: Wernigerode 1735, Altona 1767; bei Schöber (Lieder=Segen) 176,  S. 1387; Würtemberger Gesangb. 1842.

Quelle: Albert Friedrich Wilhelm Fischer, Kirchenlieder-Lexicon: Hymnologisch-literarische Nachweisungen über ca. 4500 der wichtigsten und verbreitetsten Kirchenlieder aller Zeiten in alphabetischer Folge, nebst einer Uebersicht der Liederdichter. Zusammengestellt von Albert Friedrich Wilhelm Fischer, Oberpfarrer zu Groß=Ottersleben, Superintendent a. D. Erste Hälfte, die Lieder aus den Buchstaben A-I umfassend. Gotha, Friedrich Andreas Perthes. 1878. [Digitalisat]

Weblinks und Verweise

Liedeintrag bei Hymnary.org

Lied Nr. 785, in: Gesangbuch der Evangelischen Brüdergemeinen in Nord Amerika. Neue vermehrte Aufl., Moravian Publication Office, Bethlehem, Penn./U.S.A., 1891 [Digitalisat]

Lied Nr. 365 , in: Gesangbuch für die Evangelische Kirche in Württemberg, S. 272, Stuttgart 1842. Verlags-Comptoir der ersten Auflage des neuen evangelischen Gesangbuchs, Königsstr. Nr. 31, Stuttgart.

Das Krancken- und Sterbe-Bett, mit dem Wort des Lebens beleuchtet, von Bernhard Walther Marperger / Pastore bei St. Egidien und des löbl. Gymn. Inspect. Nürnberg, bey Johann Friederich Rüdiger. Gedruckt bey Johann Ernst Adelbulnern. 1714. [Digitalisat]

Eingestellt am 4. Januar 2022