Des Königs Herz ist in der Hand des HERRN wie Wasserbäche, und er neigt es wohin er will. (Sprüche 21, 1)
Was hier von einem König gesagt wird, gilt ohne Zweifel auch von einem Fürsten, und von einem jeden andern Regenten, ja auch von ihren Räten, denen sie einen Teil ihrer Gewalt übergeben. Gott hat unter Seinem Volk Israel ehemals Könige gesetzt, welche nach dem Gesetz Mosis regieren sollten; aber vom vierten Jahr Jojakims an, welches das erste Jahr Nebukadnezars war, hat Er Sein Volk und hernach die christliche Kirche in äußerlichen Dingen solchen Königen und Fürsten unterworfen, welche nach menschlicher Willkür und weltlichen Gesetzen regierten, und ehemals sogar Heiden waren.
Damit aber rechtschaffene Israeliten und Christen bei dieser Anordnung Gottes nicht kleinmütig werden, oder denken möchten, sie seien von Gott verlassen, und dem Willen gewaltiger Menschen ganz übergeben, so mußte Salomo sie trösten, und versichern, des Königs Herz sei in der Hand des HErrn wie Wasserbäche, und Er neige es, wie Er wolle. Salomo sagt dieses von einem König, insofern er König ist, und sagt nicht, ob er gläubig oder unglaubig, fromm oder gottlos sei. Gott lenkt allen Menschen das Herz, Ps. 33, 15, insonderheit aber den Königen und Fürsten, weil durch sie vielen Andern Gutes oder Böses widerfahren kann, und einige derselben auch viele Gerechte, die Gottes Augapfel sind, unter ihrer Herrschaft haben. Er neiget also ihre Herzen zur Strenge oder zur Milde, zum Strafen oder zum Verschonen, damit Seine Absichten erreicht werden.
So erweckte Gott den Geist der Feinde Israels, wenn ER Israel strafen wollte (Jes. 13, 17), Ezeh. 23,22. Er erweckte den Geist Kores‘, Israel wieder in die Freiheit zu setzen, Esr. 1, 1. Weil auch sehr Vieles auf die Worte eines Königs und Fürsten ankommt, und doch Vieles vor ihnen versteckt und verborgen wird, so sagt Salomo, Spr. Sal. 16, 10: Weissagung ist in dem Munde eines Königs, sein Mund fehlt nicht im Gericht, das ist, der König redet und richtet recht, wenn er unter der Herzlenkung Gottes steht, als ob er weissagte. Die Gerechtigkeit seiner Worte geht weiter als seine Einsicht. Er trifft’s oft in seinen Worten wie ein Wahrsager. Freilich können Könige und Fürsten im Tun und Reden auch ungerecht sein, und für sich selbst viele Sünden begehen: wenn nämlich Gott ihre Herzen nicht neiget, von ihnen weicht, und sie gar in einen verkehrten Sinn dahin gibt.
Wir lernen aber aus den Worten Salomo’s, daß ein Christ seinem König und Fürsten, er sei für sich selbst, wie er wolle, um des Gewissens willen treulich untertan sein solle, weil Gott Seine herzlenkende Kraft an ihm beweist, und ihn als ein Werkzeug in Seiner göttlichen Regierung braucht. Man kann und soll auch für gottlose Regenten bitten, weil Gott, wenn Er sie auch nicht bekehren kann, doch durch die Neigung ihrer Herzen verschaffen kann, daß Vieles geschieht, das geschehen soll, und man unter ihnen ein stilles und ruhiges Leben führen kann, in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit (1. Timotheus 2, 2).
Man kann auch durch einen jeden König einen rechtmäßigen und göttlichen Beruf zu einem Amt bekommen, wenn nämlich Gott sein Herz zu Erteilung desselben neigt. Glückselig aber ist der König, dessen Herz Gott nicht nur zu politischen Werken und Rechtssprüchen, sondern auch zur Buße, zum Glauben und zu einem heiligen Wandel neigen kann, und der den Ruf Gottes annimmt, welcher Ps. 2, 10.11.12. an ihn ergeht. Solche Könige werden dereinst ihre Herrlichkeit in’s neue Jerusalem bringen.
Mel.: Entfernet euch, ihr matten Kräfte
1) Man kann doch keine Hoheit denken,
Gott ist noch höher über die,
Der Hohen Herzen kann Er lenken,
Wie Wasserbäche lenkt Er sie;
Er neigt sie still,
Wohin Er will;
So muß sein Rat und Werk gescheh’n,
Eh‘ sie ein Mensch zuvor erseh’n.
2) Wenn Er Tyrannen will verstocken,
Führt Er Sein Volk doch mächtig aus.
Will Er dort einen Hirten locken,
Geh’n Gefangene nach Haus.
Was anders scheint,
Was Niemand meint,
Das macht noch Gott zur Wundertat,
Er hat die Hand in jedem Staat.
3) So betet Ihn an, alle Götter*;
Das Herz ist nicht in eurer Hand.
So trau dem mächtigen Erretter,
Du Herdlein, das die Welt verbannt.
Gott hat das Reich,
Gott schützet euch.
Ihr singt ihm einst nach langem Krieg,
Sein ist das Heil, Sein ist der Sieg!
Liedtext: Philipp Friedrich Hiller (1699-1769)
*) „Götter“ = Obrigkeit, Joh. 10, 34.35
Quellen:
Morgenandacht zum 6. Juli, in: M. Magnus Friedrich Roos, württ. Prälaten zu Anhausen Christliches Hausbuch, welches Morgen= und Abend=Andachten auf jeden Tag des ganzen Jahres nebst beigefügten (Hiller’schen) Liedern enthält. Nebst einem Anhange von weiteren Gebeten für zwei Wochen und für einige besondere Fälle. Mit dem Lebensabriß des sel. Verfassers, eingeleitet von seinem Urenkel Repetent Fr. Roos. Mit einem Stahlstich. Stuttgart, 1860. Druck und Verlag von J. F. Steinkopf. Seiten VII-XVI [Digitalisat]
Lied: Geistliches Liederkästlein zum Lobe Gottes, bestehend aus 732 kleinen Oden über so viel biblische Sprüche. Kindern Gottes zum Dienst aufgesetzt von M. Ph. Friedr. Hiller, Pfarrer in Steinheim bei Heidenheim. In zwei Theilen. Neue, sorgfältig durchgesehene Auflage. Vermehrt mit dem Lebenslauf, sowie Bildniß des Verfassers und einem Register über sämmtliche Liederverse. Reutlingen, 1851. Druck und Verlag der D.G. Kurtz’schen Buchhandlung. [Digitalisat]
Querverweise
Er lenkt ihnen allen das Herz; er merkt auf alle ihre Werke. (Psalm 33, 15)
Im ersten Jahr des Kores, des Königs in Persien (daß erfüllt würde das Wort des HERRN durch den Mund Jeremia’s geredet), erweckte der HERR den Geist des Kores, des Königs in Persien, daß er ausrufen ließ durch sein ganzes Königreich, auch durch Schrift, und sagen… (Esra 1, 1)
Denn siehe, ich will die Meder über sie erwecken, die nicht Silber suchen oder nach Gold fragen; (Jesaja 13, 17)
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