Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, zu welchen Gott uns zuvor bereitet hat, daß wir darin wandeln sollen.
(Epheser 2, 10)
Alle, denen Paulus das Wort Jesu brachte, hatten das süße Gift des Eigenruhmes getrunken. Denn sie waren alle, Griechen und Juden, nach ihrer Meinung Edelmenschen, die einen als die bevorzugte Rasse, die durch lange fortgesetzte Zucht die Menschlichkeit zu besonderer Schönheit bei sich entwickelt hat, die anderen als die durch ihren gottesdienstlichen Beruf Bevorzugten.
Nun aber hebt Paulus sie auf einen Gipfel empor, der ihnen eine völlig neue Aussicht gewährt. Wir, das haben sie nun erkannt, sind Gottes Werk, nicht das, was wir selbst aus uns machten, sondern das, was Er aus uns machte, nicht das, was wir uns erworben, sondern das, was Er uns gab. Weil wir empfangen haben, was uns Christus gab, stellen wir nicht aus, was unsere Kraft kann, sondern machen das Wunder seiner Gnade offenbar. Dadurch sind sie von dem Gift befreit, das früher alle ihre Gedanken verdarb und alles, was sie taten, beschädigte; denn nun ist ihr Eigenruhm verstummt. In ungeahnter Weite breitet sich nun ihr Leben vor ihnen aus und bekommt eine Füllung, an die sie früher nicht denken konnten. Denn jetzt gibt es Arbeit für sie, nicht nur geschäftigen Müßiggang, der die Tage damit vergeudet, daß sie ihr Persönchen schmücken. Denn sie sind nun zur Schar derer hinzugetan, die Gutes zu wirken berufen sind. Denn Gottes Gnade sorgt für alles, was sie bedürfen, nicht nur für ihr Herz, sondern auch für ihr Werk.
Wie Er ihr inwendiges Leben dadurch begnadet, daß sein Wort dort Gerechtigkeit, Friede und Freude heimisch macht, so hat er ihnen auch in vorsorgender Güte ihre Werke vorbereitet. Von innen wie von außen wird ihnen nun der Weg zur Tat gebahnt, die nicht ohne ein mannigfaches göttliches Geben gelingen kann. Sie hat die Gelegenheit nötig, ohne die sie unmöglich bleibt, und braucht das Auge, das die Gelegenheit sieht, und erwächst aus der inwendigen Ausrüstung, aus der freudigen, tapferen Liebe, die den Dienst gern anfaßt, und ist an die Mitwirkung der anderen gebunden, die keiner bei seinem Wirken entbehren kann. Indem ihnen die Begabung und Leitung von oben zuteil wird, erreichen sie das Höchste, was uns geschenkt werden kann, das den Willen Gottes vollbringende Werk, und doch lebt die alte Not des Eigenruhms nicht wieder in ihnen auf; denn gerade dann, wenn sie wirken dürfen, tritt es hell in ihre Wahrnehmung: Wir sind Gottes Werk!
Zu dem, Vater, was ich tun soll und tun darf, bin ich nicht durch mich selbst gekommen. Mein Platz ist mir von Dir bereitet und mein Vermögen von Dir mir geschenkt. So bin ich ein Glied Deiner Schar, die im Himmel und auf Erden dir freudig dient und das ausrichtet, was Du ihr verordnet hast. Nimm das Werk meiner Hand an, daß es nach Deinem Willen geschehe. Amen.
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Welch ein armes, unglückseliges Wesen ist doch ein bloß natürlicher Mensch ohne Wiedergeburtsgnade, ohne ein Leben aus Gott! Er liegt tief im Fall und Verderben. Diesen elenden Zustand erkennen und unter dem grausamen, verderblichen Sündendienst seufzen, ist zwar schon Gnade; aber durch diese auch von der Sündenherrschaft errettet werden, ist noch weit mehr. Geschieht dies, so wird der Mensch aus der Finsternis ins Licht, aus dem Tod ins Leben, aus dem Zorn in die Liebe und aus der Hölle in den Himmel versetzt. Solches vermag aber Gottes Gnadenkraft und Macht allein.
Das ewige Liebeserbarmen Gottes ist unergründlich und an Kraft und Vermögen überschwenglich und unbeschreiblich. Es ist in den Eigenschaften der ewigen Gottesnatur die siegende, die Kraft der Überwindung. Gott hat nach den Rechten der Heiligkeit alles, was Sünde und Finsternis heißt, samt ihrer Mutter, dem Unglauben, unter Gerichte beschlossen; sobald aber diese ihren Zweck erreicht haben, siegt die Erbarmung über die Gerechtigkeit. Die Sünde fällt der Gerechtigkeit anheim; denn sie ist Unglaube. Glaube hingegen ist Gnade, und in dieser siegt das Erbarmen. Diese in Freiheit und Seligkeit versetzende Krafteigenschaft Gottes hat auch uns von dem Sündendienst und von der Sklaverei des Satans errettet; dafür sei der gnädige Gott in Ewigkeit gepriesen!
Die Sünde ist eine mächtige, eine despotische Herrscherin; denn ihre Knechte müssen sich selber verderben und an Leib und Seele ruinieren. Sie rächt sich meist an ihrem eigenen Täter; und darum, dächte ich, sollte es nicht so schwer fallen, einzusehen, daß in ihr der Zorn Gottes herrscht, und wir daher von Natur Kinder des durch den Fall geoffenbarten Zornes Gottes heißen. Wer bis zum tiefsten Seufzen und Sehnen nach Freiheit und Erlösung von der Sünde gerungen hat und errettet worden ist, der kann von der Kraft und Macht der Sünde sagen, aber auch von der noch stärkeren Macht und Kraft der Gnade im ewigen Liebeserbarmen Gottes. Dieses hat ihn mit der Liebe ergriffen, die an Gefallenen nicht gleichgültig vorübergeht. Auch an uns, schreibt Paulus den Ephesern, hat sich das ewige Liebeserbarmen überwindend und kräftig bewiesen; denn da wir geistlich tot waren in den vielen Sündenfällen, hat uns das kraftvolle Wirken des ewigen Liebeserbarmens mit Christo lebendig gemacht.
Niemand denke aber, daß er um seiner guten Werke, um seines Wohlverhaltens willen so begnadigt worden sei. Nein, äußere Vorzüge retten nicht von der Sündenherrschaft, sondern bloß die Gnade des ewigen Liebeserbarmens Gottes, die durch Anzündung des Glaubens ein neues Leben in uns schafft.
Gnade ist Leben des Erbarmens; denn Erbarmen ist Liebesbewegung im Herzen Gottes oder in der Kraft der Zentralquelle aller Gotteseigenschaften, und das ausdehnende Ergießen dieser Herrlichkeitskraft in Jesu, der Herrlichkeit Gottes, ist Mitteilung der Gnade. Denn Gnade und Wahrheit sind uns durch Jesum Christum und nicht durch Mose gegeben worden. Der Stammvater des geistlichen Lebens soll und wird alle, die in Adam gestorben sind, geistlich beleben; aber Ewigkeiten sind dazu verordnet und bestimmt, in welchen die erbarmenden Lichts- und Liebesabsichten Gottes endlich an allen erreicht werden können. Die Seelen aber, an denen dies schon hier in der Gnadenzeit geschieht, sind Erstlinge der Herrlichkeit. Diese unverdiente Gnade macht klein und demütig, so daß in diesen Auserwählten Gottes ein herzliches Liebeserbarmen gegen alle armen Miterlösten sich regt. Dies ist sodann priesterlicher Sinn und Geist der auserwählten Kinder Gottes. Da, wo Erstgeborne sind, gibt es auch Nachgeborne. Denket darum ja nicht gleichgültig von andern! Wirket auf sie mit Wort und Wandel ein! Seid Lichter der Welt und ein Salz der Erde! Gott hat Gnadenanstalten gemacht, damit er in den auf unsre Zeit folgenden Zeitläufen, wenn nämlich einst wieder alles unter das einzige rechtmäßige Haupt zusammen verfaßt sein wird, den überschwenglichen Reichtum seiner Güte und Gnade kann sehen und endlich auch genießen lassen. Die Gnade, die uns schon hier durch Jesum Christum zuteil geworden ist, wird endlich allen zuteil werden. Aber wie viele Ewigkeiten wird Gott dazu brauchen! Welche Barmherzigkeit ist es doch, daß wir Begnadigte und Erwählte sind! Kann ein armes Menschenkind im Erdenleben dieses Glück hoch und teuer genug schätzen?
Was hast du aber, armes Menschenkind (du habest es durch die natürliche Geburt oder aus Gnaden durch die Wiedergeburt), das du nicht solltest empfangen haben? Wenn du es aber empfangen hast, wie kannst du dich dann dessen rühmen, als ob du es nicht empfangen, als ob du solches aus dir selbst, durch dich selbst und zu deiner eigenen Ehre hättest? Was rühmst du dich deiner Vorzüge und Gaben? Weißt du nicht, daß du damit dich selbst zum Götzen, Gott gegenüber aber zum Greuel machst? Sollten nicht die Dinge und Gaben, die man Vorzüge nennt, dich sehr demütigen, daß du zu deinem Gott sprächest: Ach Gott, ich bin nicht wert aller deiner Gnade und Barmherzigkeit!
Man darf annehmen, daß vorzügliche Gaben, wenn keine Herzensdemut damit verbunden ist, in Bezug auf die Ewigkeit leicht mehr schaden können als nützen. Man hätte mehr Ursache, einen vorzüglich Begabten, wenn ihm Herzensdemut fehlt, zu bemitleiden, statt ihn zu bewundern oder zu beneiden. Denn was muß doch aus einer Menschenseele werden, wenn ihr Gott widerstehen muß! Und wer hat ihn mehr zum Widerstand als der Hochmütige? Bewundert daher lieber das Glück demütiger Seelen, denen Gott seine Gnade schenken kann; und wenn sie durch das Teilhaftigwerden der göttlichen Natur noch demütiger werden, möchte ich fast sagen, sie übertreffen die Engel, weil dieselben nicht alle ihre Vorzüge ertragen könnten. Es ist himmlische Seligkeit, die eine solche Seele genießt.
Wenn denn nun auch uns, liebe Seelen, mancherlei Gaben und Gnaden gegeben sind, so bittet doch den lieben Herrn, daß er, wenn nötig, Demütigungen uns begleiten lasse! Eine demütigende Begleitung soll uns aber nicht verzagt machen; denn die Verzagtheit bei den Demütigungen ist auch ein schädlich Ding, das sogar den Brauchbarsten unbrauchbar machen könnte. Zaghaftigkeit und Herzensdemut sind sehr verschieden: in der Herzensdemut kann Gott wirken, was er will, bei den Zaghaften ist dies aber nicht der Fall.
Quelle: Glaubensstimme – Epheser, Kapitel 2