Katechismuspredigten, XIII. (Fünftes Gebot, 3.)

XIII.
Fünftes Gebot 3.

Du sollst dir dein Leben nicht verkürzen noch verkümmern.

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Zum dritten und letzten Male, in dem Herrn geliebte Gemeinde, erbauen wir uns heute am 5ten Gebote. Es steht geschrieben

  1. Mose 20, V. 13,

und lautet also:

Du sollst nicht töten.

Luther’s Erklärung dazu heißt:

„Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unserm Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden noch Leid tun; sondern sollen ihm helfen und fördern in allen Leibesnöten“.

In dem Herrn geliebte Gemeinde. St. Paulus schreibt im Briefe an die Hebräer, daß das Wort Gottes ein zweischneidiges Schwert ist. Warum denn ein zweischneidiges? War denn eine Schneide nicht genug? Darum, weil es allemal Zwei treffen soll; den, der es führt, und zugleich die, gegen welche es geführt wird. Die eine Schneide ist der Gemeinde zugekehrt und die andere dem Prediger des Worts. So wir sagen: „Du sollst nicht andere Götter haben neben mir; Du sollst den Namen deines Gottes nicht mißbrauchen; Du sollst den Feiertag heiligen; Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“, so geht das Wort hinaus und herein. — Wiederum ist es ein zweischneidig Schwert, insofern dir alle Pflichten, welche du gegen Andere üben sollst, auch gegen dich auferlegt werden.  “Du sollst nicht töten”, Andere nicht und dich nicht. Du sollst Niemanden in Unzucht und Unkeuschheit führen — Andere nicht und dich nicht. „Du sollst nicht stehlen“, sollst Andern ihr Geld und Gut, dir selbst den Glauben, die heilige Zucht und den Frieden Gottes nicht stehlen; du sollst dir auch durch Lüste, Verschwendung oder Geiz deine Güter nicht stehlen, die dir Gott der Herr geschenkt hat, damit sie dir selbst und Andern Hilfsmittel, Reisemittel werden nach dem Jerusalem, was droben ist. Du sollst Andern und auch dir selbst den guten Namen nicht verderben. -— Sieh‘, überall das zweischneidige Schwert! Nach außen haben wir es bereits beim fünften Gebot zweimal geschwungen. Wir haben einmal davon gehandelt, wie man seinem Nächsten an seinem Leibe und Leben keinen Schaden noch Leid tun soll. Dann haben wir gehört, wie man dem Nächsten an der Seele keinen Schaden tun soll. Zwar sind wir selbst da schon mit eingeschlossen. Wenn wir uns selbst in die Reihe unserer Nächsten denken, so sind wir doch immer die Allernächsten, und wir sollten uns wohl hüten, das an uns selbst zu tun, was wir an Andern nicht tun dürfen und nicht tun wollen. — Aber es ist doch besser, daß es ausgesprochen und dargelegt werde. Wir wollen demnach das Schwert des fünften Gebotes heute gegen uns selbst schwingen mit dem Worte:

Du sollst dir dein Leben nicht verkürzen noch verkümmern

I. Nicht durch Selbstmord. II. Nicht durch weltliche Lüste. III. Nicht durch Grämen und Sorgen.

Dreieiniger, gnädiger Gott, erleuchte uns Herz und Sinne, daß wir recht erkennen, wozu du uns das Leben gegeben hast. Es ist die Zeit, wo wir deine Kinder werden sollen, wo Jesus Christus in uns eine Gestalt gewinnen soll, wo wir in der streitenden Kirche heranreifen sollen für die triumphierende. So laß uns das Leben wert und teuer achten. Wenn es auch in demselben hart und kümmerlich geht, wenn es auch geht durch Schmerz und Trübsal, durch Ehre und Schande, durch gute und böse Gerüchte: so laß es uns doch lieb und wert halten, weil wir’s von dir haben, weil wir es empfangen haben als Anfang und Eingang zum ewigen Leben. Amen.

Du sollst dir dein Leben nicht verkürzen noch verkümmern.

I. Nicht durch Selbstmord.

In dem Herrn geliebte Gemeinde. Judas, der den Herrn verraten hatte und darauf hinging und sich erhängte, ist weder der erste noch der letzte Selbstmörder gewesen. Es gibt kaum ein Mittel, mit dem sich der Mensch nicht nach seinem eigenen Leben gestanden hätte. Gift und Dolch, Feuer und Wasser, Strang und Gewehr, bis auf die Räder der Lokomotiven haben dazu dienen müssen, den Lebensfaden abzuschneiden. — Wie kann aber der Mensch, dem Gott eine so warme Liebe zum Leben eingehaucht hat, zu dieser Tat kommen? Welches sind die Gründe zum Selbstmorde? — Wir möchten voran sagen: „ Etliche haben’s getan in Geistesirre, im Wahnsinn. In diese Seelen hat Niemand hineinschauen können. Über solchen Toten beten wir: „ Herr, halt‘ uns helle das Licht des Verstandes durch dein heiliges Wort! Laß uns den Glauben, daß du auch noch Heilswege hast, wo wir keine sehen!“ Aber wir treten nun herein in das Gebiet des gewöhnlichen Selbstmords. Da hat Einer erst im großen Reichtum, in Herrlichkeit und Freude gelebt. Er kommt um sein Vermögen, er soll nun leben wie ein armer Mann, sich wohl gar sein Brot mit seiner Hände Arbeit verdienen. Er geht hin und macht seinem Leben ein Ende. — Da hat Einer fremdes Gut angegriffen; es ist ihm eine Kasse anvertraut gewesen, er hat sie bestohlen. Die Sache wird offenbar; er geht hin und nimmt sich selbst das Leben. — Ein Anderer hat lange, lange in Sünden hin gelebt. Endlich wird sein Gewissen wach. Glauben an die Gnade Gottes in Jesu Christo hat er nicht. Das Feuer brennt, und es ist kein Wasser da, womit er es löschen könnte. Es ist seine Schuld, denn der Brunnen fließt immer fort. Er geht hin und tut, was Judas getan hat. — Wieder einen Andern trifft eine Not über die andere. Es geht durch Armut, Krankheit, Schande und Herzeleid. Er sagt sich: „Ich kann es nicht mehr tragen“. Er tut dasselbe. — Und endlich gibt es in dieser unserer Zeit ein Geschlecht, das die Freuden und Lüste des Lebens ausgekostet hat bis auf die Neige und auf die Hefen. Nichts in der Welt hat für sie mehr einen Reiz. An einen lebendigen Gott aber, an einen Herrn, der Tote auferweckt, einen neuen Himmel und eine neue Erde bauet und ein ewiges Leben schenkt, aber auch ewig verdammt, glauben sie nicht mehr. Aus Überdruß, langer Weile und Ekel am Leben nehmen sie sich das Leben. Ist jetzt ein nicht seltenes Ende der alten Wüstlinge bei jungen Jahren in großen Städten. — Woher kommt also der Selbstmord? — Aus Hochmut, daß sich der Mensch nicht demütigen will unter Gottes Zucht und Strafe. Der Teufel gebraucht den alten Kunstgriff, daß er vor der Sünde dem Menschen die Scham nimmt, also daß er sich der Sünde nicht schämt. Nach der Sünde gibt er sie ihm wieder. Nun schämt er sich der Strafe, nun fällt er in Verzweiflung. — Aus Unglauben, denn, wenn ich glaube an Gott den Vater, dann weiß ich auch, daß er mich ernähren wird, ob ich über Hunderttausende kommandiere, oder ob ich nicht weiß, wo ich über Nacht mein Haupt hinlege. Wenn ich glaube an seinen eingebornen Sohn, meinen Heiland, meinen Mittler, dann kann mich kein Gewissen so angst machen, daß die Leuchte der Hoffnung auf die Barmherzigkeit des Herrn drinnen auslöschte. Wenn ich glaube an den Heiligen Geist, dann weiß ich, wozu meine Leiden da sind. Es ist auch Gnadenarbeit Gottes zur Heiligung. Ja, wenn solches Leiden da ist, dünket es uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein. Darnach aber wird es geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübt sind. Und wiederum kommt der Selbstmord aus Unglauben. Denn jener Lebensekel, jene blasse Gleichgültigkeit gegen das Leben, entsteht doch nur aus reiner Gottlosigkeit. Sie glauben an keinen lebendigen Gott, sie glauben an kein hochheiliges Ziel dieses Lebens. Sind die gewöhnlichen Wünsche befriedigt, dann muß dem armen Kinde der Welt das Leben langweilig werden. Wem aber das Leben dasteht als Schule zur Heiligung, ach, dem wird es nicht langweilig, der hat so viel zu tun, er wird nie fertig. Dieser träge Ekel am Leben, und diese Frechheit im Selbstmord ist ein furchtbares Zeugnis, wie weit unser Geschlecht wieder in das Heidentum versunken ist. Ja, bei den Heiden kann man sich nicht wundern, wenn sie mit dem Leben so umgehen. „Die Tür steht offen“, pflegten die Stoiker zu sagen, denen wir neulich in den Sonntagspredigten in Athen begegnet sind. „ Es raucht im Zimmer, darum gehe ich heraus“, sagte Einer von ihnen. Ihr versteht das Wort. Und wieder ein Anderer erklärt: „Wenn du nicht streiten willst, so fliehe und danke Gott, daß dich nichts im Leben zurückhalten kann“. Das sind Heidengedanken; aber selber unter frommen Heiden hat zuweilen mehr Vernunft geherrscht. — Wie hat ein Christ über solche Judastaten zu urteilen? Wem gehörst du an? Bist du dein Eigentum? Nein, wir sind nicht unser, wir sind Christi und Gottes. Der Vater hat uns erschaffen, er hat den Tag unserer Geburt bestimmt, er will auch den Tag unseres Todes bestimmen. Der Sohn hat uns erlöst; er hat uns am Tauftage, am Tage der Wiedergeburt, in die streitende Kirche aufgenommen. Er will auch den Tag bestimmen, wo wir in die triumphierende einziehen sollen. Keiner unser lebt ihm selber, Keiner unser stirbt ihm selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, wir mögen leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Eins mußt du nun sein unter Gottes Hand. Du kannst ein Knecht sein. Wenn sich aber ein Knecht, ein Sklave tötete, würde sein Herr, wenn er nachher noch Gewalt über ihn hätte, ihn nicht strafen? Und Gott hat noch Gewalt, auch über Jeden, der sich das Leben genommen hat. Oder du bist ein Kind Gottes. Ein Kind soll Nichts tun wider den Willen seines Vaters. Du bist ein Kämpfer Gottes. Ein Krieger darf nicht vom Schlachtfelde laufen wahrend des Kampfes. Am wenigsten darf er gehen, wenn der Kampf recht heiß brennt. Und solche Stunden des brennenden Kampfes sind es eben, wo der Mensch in Kleinmut und Verzweiflung das Schlachtfeld verläßt. Du bist ein Schüler des Heiligen Geistes. Darf ein Schüler weglaufen, wenn die schweren Lektionen angehen? Es gibt aber keine schwerere, als die Demütigung unter die Hand Gottes, wo uns seine Wege dunkel sind. Das sind ja gerade die hohen Elasten des Unterrichts. — Dein Leib ist ein Tempel Gottes. Wer aber den Tempel Gottes verderbet, den wird Gott auch verderben. — Die grünen Früchte von den Bäumen schlagen nur lose Buben ab; die grünen Aehren schneiden nur schadenfrohe Leute ab; ein verständiger Mann läßt beide im Sonnenbrande reif werden. Ein Licht läßt man ausbrennen bis zum letzten Stümpfchen, wenn es auch die letzte Zeit nicht mehr so helle brennt. Und du solltest dein Leben nicht brennen lassen, bis es dein Gott auslöscht, um es drüben nur heller wieder anzuzünden? — Ja, siehe noch einmal recht hin, welche Gottlosigkeit und Thorheit in solchen Gedanken, in solcher That liegt. „Die Zeit ist kostbar“, pflegt der Mensch zu sagen. Ja, sie ist kostbar. So lange ich noch in der Zeit lebe, ist die Möglichkeit der Buße und der Zukehr zu Gott da. Und doch kann sich der Mensch seine Buß- und Gnadenzeit wegschneiden. Er schneidet den Ast ab, auf dem das ewige Leben wachsen soll. Ferner, wo kommt der hin, der seinem Leben selbst ein Ende macht? Er muß ja doch vor Gott. Wer nur ein Fünklein von lebendigem Gottesglauben hat, sagt doch: „Er muß vor Gott!“ Wenn dann ein Solcher kommt, wie soll ihn Gott empfangen. Augustinus sagt: „Gott kann ihm kein gnädiges Gesicht zeigen, denn er kommt eher, als er ihn gerufen hat“. — Wenn wir fragen, wo er hinkommt, dann ersehet man erst die Tiefe der Thorheit recht. Er fliehet vor der Armuth, und läuft in die ewige Armuth. Was will doch aller Mangel auf Erden sagen gegen den ewigen Mangel der Gnade Gottes? — Er entfliehet dem irdischen Richter, und läuft unter das Schwert des ewigen Richters. Er will dem Gewissen, dem Wurme, der nicht stirbt, dem Feuer, das nicht erlischt, entlaufen. Als ob Wurm und Feuer nun todt wären! Nun brennen sie erst recht helle, nun nagen sie erst recht scharf. Er entläuft dem Schmerze und Herzeleide hier. Nein, er entläuft ihnen nicht, sie gehen mit. Hier hätten sie aufhören müssen, dort hören sie nicht auf. Die verlebten Buben aber, denen das Leben keine neue Lust mehr bieten kann, denen es langweilig und zum Ekel worden ist, die mögen sehen, ob die Hölle mehr Unterhaltung und Kurzweil bietet. — Fühle dich in die Seele eines Selbstmörders hinein und frage, ob der auf dem Wege zum Himmel ist. Wer ihm selbst Schaden tut, den nennt man billig einen Erzbösewicht. Größern Schaden aber kann sich Niemand tun, als daß er mit einem Streiche einschneidet in das leibliche Leben und auch in das ewige Leben. O daß doch der Glaube an den lebendigen Gott die Herzen erfüllete, so würde Jeder sein Leben gern behalten, bis Gott ihn ruft. Am Liebsten aber sollte es der behalten, der sich immer noch nicht hat zur Buße wecken lassen; er mag vor Gott kommen, wann er will, er kommt noch zu früh.— Hier sagt vielleicht Mancher von euch: „ Warum hältst du uns denn dabei so lange auf. Wer noch zur Kirche und zum heiligen Sakrament kommt, dem kommen doch wohl selten solche Gedanken in die Seele! „ Mag das sein; aber wir müssen wissen, wie Gottes Wort darüber urteilt, besonders in Zeiten, wo gewisse Sünden vor der Menschen Urteil fast zu Ehren gekommen sind. Überdies hast du auch in deinen Nöten schon öfters gedacht: „Wenn ich doch gleich aus der Welt wäre!“ — Wir wollen denn übergehen zu einer Verkürzung und Verkümmerung des Lebens, die öfter vorkommt:

II. Nicht durch weltliche Lüste.

Gott sieht die Todeswaffe nicht an, sondern die Sünde und den Tod. Wenn du dein Leben zerstörest durch Zorn und Grimm, so ist dieser Zorn vor seinen Augen so gut ein Dolch, wie wenn er von Stahl wäre. Du bist auch ein Selbstmörder. — Wenn du dich hineinstürzest in die Flut der Sünde, in Völlerei, Trunkenheit und Wollust und du gehst dann als junger Greis mit hohlem Angesichte und enger Brust dem Grabe zu: so ist es vor Gott eine eben so große Sünde, wie wenn du in den Fluten des Wassers dein Ende gesucht hättest. Du bist auch ein Selbstmörder. — Oder du hast dich gehängt an der Erde Güter. Du jagst ihnen nach Tag und Nacht, du hast Sonntag und Woche keine Ruhe. Deine Seele zittert und bebt, wenn es mit dem Gewinn einmal nicht so geht, wie es gehen sollte. Darunter bricht das arme Leben zusammen. Leib und Seele wollen ja auch ihre Ruhe und Erholung haben. In solchem Falle hört man oft recht milde Urteile: „ Er hat es sich zu sehr angelegen sein lassen, er hat sich Tag und Nacht keine Ruhe gegönnt“. Das sagt man ganz im Guten. Und doch ist er auch ein Selbstmörder gewesen. Es ist vor Gott gleich, ob der Strick oder die Geldgier dem Leben ein Ende macht. — Aber auch hier möchtet ihr sagen: „ Wer sein Leben so an die Welt und das Geld verkauft hat, der kommt am Mittwoch frühe schwerlich in die Kirche“. Nun, es könnte ja doch einmal Einer hier sein. Für Alle aber, die wir hier sind, bleibt uns sicher nun noch ein Kapitel übrig, das für Jeden seine Bedeutung hat:

III. Nicht mit Sorgen.

Die Sorge hat ein doppeltes Angesicht. Mit einem sieht sie in die Vergangenheit und hängt dem nach, was uns Gott genommen hat. Mit dem andern sieht sie in die Zukunst und ängstet sich um das, was er uns etwa noch nehmen könnte. Und dabei zersorgen wir uns das Leben. Ach, wir sind alle noch solche Sorgenseelen! Aber sollen wir’s denn sein? Gleichgültig können wir allerdings nicht sein. Wir können nicht kalt darüber weggehen, wenn Gott uns Freunde, Verwandte, Gesundheit oder sonstige Güter genommen hat. Er hat sie uns ja nicht umsonst genommen. Er will ja an unsern Seelen Etwas ausrichten, das nämlich, daß wir ihn mit größerer Treue suchen und in ihm diese Güter wiederfinden sollen. Das will er haben. Daß wir aber täglich am Kummertuche nagen, daß wir uns das Angesicht des Gestorbenen mit aller Mühe heraufrufen und die Tränen wecken, das will er nicht. Es hilft uns ja auch Nichts. Nicht im Gram, sondern im Glauben, in Jesu Christo finden wir die Unsrigen wieder. — Das andere Angesicht der Sorge schaut in die Zukunft, und in diesem sehen wir noch viel mehr Kümmernisse und Furchen, als in jenem. Sollst du da sorgen? Mein lieber Christ, wir sollen es gut haben, wir wollen es aber eigentlich nicht gut haben. Wir sollen alle unsere Sorge auf ihn werfen, er will für uns sorgen. „Sorget nicht, sondern in allen Dingen lasset eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden“. Wir sollen nicht sorgen für den andern Morgen. Es soll genug sein, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe. Wir wissen, daß Kummer und Sorge den Menschen alt machen vor der Zeit. Wir wissen, daß sie mit ihrem Griffel frühe die alten Jahre in’s Gesicht schreiben. — Richtest du denn Etwas damit aus? „ Mit Sorgen und mit Grämen Und mit selbsteig’ner Pein Läßt Gott sich gar Nichts nehmen, Es will erbeten sein“. Du sorgest hinaus um dein irdisches Fortkommen. Du sorgst um deine Gesundheit im Winter. Du sorgst um das Fortkommen deiner Kinder. Du sorgst um die Ruhe des Staates in künftigen Jahren. Richtest du Etwas damit aus? Nein, noch nie hast du dich und die Deinen gesund gesorgt; krank hast du dich gesorgt. Noch nie hast du dir Kundschaft in’s Haus gesorgt; weggetrieben hast du sie mit deinen Klagen. Noch nie hast du die Kältegrade im Winter weggesorgt; auch das Herz ist noch kalt geworden. Noch nie hast du eine reiche Ernte auf’s Feld gesorgt; deine Kräfte, die sie einbringen sollten, und die Freude an Gottes Segen hast du weggesorgt. Noch nie hast du ein leichtsinniges Kind in heiligen Ernst, noch nie einen Verlornen in die Wege Gottes gesorgt. Noch nie hast du Frieden in die Völker und Staaten gesorgt, wohl aber dir Unfrieden in das Herz. „Es ist umsonst, daß ihr frühe aufstehet und hernach lange sitzet, und esset euer Brot mit Sorgen, denn den Seinen gibt es der Herr schlafend“. All solch Sorgen quillt aus dem Unglauben. Ich will es selbst machen. Ich will selbst mein Gott und Heiland sein. Ich will selbst die Zukunft bauen. Darüber zerarbeitet sich die Seele. Sie will hinein in die weite Zukunft, und kann nicht einmal in den morgenden Tag.— Ja, Beten ist besser als Sorgen. „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet“. Beim Sorgen nehme ich es in meine Hand, beim Beten lege ich es in Gottes Hand. Als Luther in den letzten Tagen seines Lebens in Eisleben war, schrieb ihm seine Frau Katharina rechte Sorgenbriefe. Da antwortete er scherzhaft und doch im tiefen Ernste, sie solle das Sorgen lassen, es sei letzt im Haus, da er wohne, ein großer Stein herunter gefallen und habe ihn beinahe getroffen; er glaube, sie habe den losgesorgt, weil sie ihren Mann mit ihrer Sorge tragen wolle. — „Gott lebet noch, lebe du nur im Glauben in ihm“. Ein armer Handwerker hing schon längere Zeit in großen Sorgen um seine Zukunft das Haupt. Alle Bitten der Frau sammt ihren Hinweisungen auf die Schrift waren ohne Erfolg. Da fand der Mann die Frau plötzlich an einem Morgen ebenso traurig. Und nun fragte er, was s i e  quäle. Sie antwortete: „ Ich habe über Nacht einen bösen Traum gehabt. Der liebe Gott war gestorben, sie trugen ihn zu Grabe, und alle heiligen Engel gingen mit zur Leiche“. Da lachte der Mann seit langer Zeit zum ersten Male und sprach: „Törichtes Weib, der stirbt nicht, da mache dir keine Gedanken“. Und sie antwortete: „Wenn er denn lebt, dann kannst du auch dein Sorgen und Grämen lassen, dann sorgt er“. Und der Mann besann sich. Es kehrte wieder Christenfreudigkeit in das Haus. —- Und du sollst wissen, daß es in der ganzen Welt keine bessere Arznei gibt auch für den Leib, als einen fröhlichen Glauben an seinen Herrn und Gott! Amen.