2. Johannes 1, 10.11

So jemand zu euch kommt und bringt diese Lehre nicht, den nehmet nicht ins Haus und grüßet ihn auch nicht. Denn wer ihn grüßt, der macht sich teilhaftig seiner bösen Werke. (2. Joh. 1, 10.11)

Ein lieblicher und doch sehr ernster Brief des greisen Apostels an eine angesehene Christin gerichtet, eine wackere Hausmutter, namens Kyria, deren Kinder Johannes kennen gelernt und lieb gewonnen hatte. Nach der Überschrift und den Zusicherungen seines Segens und seiner Freude über ihre gläubigen Kinder ermahnt der Apostel zur Standhaftigkeit in der Liebe und Wahrheit Christi und warnt vor Irrlehrern, wie Christus vor den falschen Propheten warnte (Matth. 7, 15), so Johannes vor den Irrlehrern seiner Zeit. „Seht euch vor, daß wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen“. Wer zu Irrlehrern übertritt und nicht in der Lehre von Christo beharrt, der hat keinen Gott, weil er den wahren Gott in Christo nicht hat, sondern sich selbst einen toten Gedankengott meißelt durch seine Vernunft; nur wer in der Lehre von Christo bleibt, der hat durch den Glauben beide, den Vater und den Sohn.

Nur in dem Sohne wird der Vater erkannt, nur durch den Sohn mit dem Vater Gemeinschaft gestiftet; ohne die Erkenntnis des Sohnes ist der Mensch ohne Gott und ohne Teilnahme am ewigen Leben. Dem hochbetagten Johannes ist dieser Verlust so wehmütig, daß er hinzusetzt: „So jemand zu euch kommt, und bringt diese Lehre, daß Jesus Christus der im Fleisch erschienene Gottes Sohn ist, nicht, den nehmet nicht zu Hause freundlich auf und grüßet ihn auch nicht brüderlich; meidet jeden Schein, als ob ihr mit denen, die das Wesentliche des Christentums angreifen und leugnen, das Band der Brüderschaft noch festhaltet, denn wer ihn so grüßet, der macht sich teilhaftig seiner bösen Werke, indem er den Schein gibt, als ob er seine Irrlehre und böses Tun billigte oder für unschädlich hielte“.

So ernst warnt der Apostel der Liebe. Und mit Recht. Kannst du denn mit vollkommener Herzensfreundlichkeit den Mörder deines Vaters, den Räuber deines Kindes grüßen? Und was ist leiblicher Mord gegen Seelenmord? Aber allerdings ist Brüderlichkeit etwas andres als helfende Menschenfreundlichkeit. Sei nur, wenn auch nicht Aller Bruder, doch Niemandes Feind; oder handle, wie Jemand sagte: Schenk’ Allen deine Liebe, nur Wenigen dein Herz, – und du wirst die Klippen glücklich umschiffen, die hier vorspringen.

Amen.

(Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

Eingestellt am 17. November 2022