1. Johannes 4, 1: Von Prüfung der Geister

CX.

4. Ein Sermon von D. Mart. Luth. von Prüfung der Geister.

(Gehalten im Jahr 1537.)

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1. Joh. 4, 1.

Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind.

Ihr habt gehört, wie theuer die Lehre sei, die da stehet im Widerspiel, denn die ist: Wir sollen Acht haben auf die Geister. Denn zween Geister werden zusammen kommen (und) bei einander sein, dieweil Gottes Reich stehet. Diese werden nur mit dem Wort handeln; darumb müssen wir den Probierstein wohl brauchen, die Lehre zu scheiden.

Zween Beschluß führet Johannes hie. Der erste: Der da bekennet, daß Jesus Christus sei ins Fleisch kommen, der ist von Gott; der ander: Der nicht bekennet, daß Jesus Christus sei in Fleisch kommen, der ist nicht von Gott.

Hie ist’s klar daß der eine Geist nicht von Gott ist. Der rechte Geist hat dieß Zeichen an ihm, daß er das Zeichen Jonä treulich predigt. Wenn nu‘ die Lehre herab schallet vom Himmel, Gottes Sohn sei Mensch worden, da beschleußt nu‘, daß ihm niemands hat können helfen vom Tode, sonst wäre Christus umbsonst gestorben. Zum andern, folget die Freiheit mit Gott, mit uns im Gewissen, und mit allen Creaturen.

Sonst verklagt uns allezeit unser Gewissen: so wir übel sündigen, so nagt uns unser Gewissen, lässet uns keine Ruhe. Mein Herz fället ein Urtheil, ich soll Strafe dafür nehmen, da fället denn Gottes Zorn auf mich, der kein Übels kann ungestraft lassen. Da folget denn zum vierten, Verzagen und ewiges Sterben. Zum fünften so sind da die Stockmeister und die Henker, die sperren den Hals auf, wollen über mich des Gerichts gewärtig sein.

Aus dieser Angst kann uns keine Creatur oder Werk helfen, denn allein diese reine Lehre des Geistes Gottes, die tröstet uns und spricht: Verzage du nicht, ich will dir einen Geist zeigen, der dir helfen soll. Du solltest die Strafe ewig dulden; aber Christus hat des Richters Zorn abgelehnet, den Feind niedergelegt, er

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will deiner Sünde nicht gedenken, trag es nur ihm auf. Der diesen Glauben hat, der ist ein Kind Gottes, der ist neu geboren und hat alle Creatur Gottes.

Das spüren die frommen Christen, und haben Freudigkeit für Gott, und sagen Dank. Erfahren sie das nicht, so kriechen sie zum Kreuz, klagen’s Gott, bitten ihn umb Gnade. Er will sie auch ihnen nicht versagen. Allein, halt dich nur nicht zu sicher!

Also wirket das geringe Wort große Thaten in uns, daß wir Gottes Kinder sind und seine Erben. Zum andern macht es uns frei, daß wir aller Creatur brauchen, und lasse mich an keins binden, auch keine scheiden von der andern, daß sie mich sollten Gott angenehmer machen, denn andere Creaturen. Zum dritten da folget denn der Dienst zum Nähesten mit allen Creaturen, die man recht brauchet, aus dieser Freiheit; sonst brauchet man keiner recht.

Der ander heißt der Widerchrist, der machit diese reine, gesunde Lehre (daß Gottes Sohn sei für uns gestorben) unrein und falsch mit seinem Zusatz, da er sagt: Christus ist gestorben, aber du mußt auch etwas dazu thun. Diese antichristische Lehre stecket auch noch in unserm Fleisch. Denn dieweil Gottes Lehre ist vom Himmel, so wächset sie nicht in unsern Gärten, sondern Gott muß sie geben, wo nicht, so leben wir in der falschen Lehre.

Den Brauch der Creaturen nimpt dieser Geist auch hinweg. Da ist das beste Sprichwort: Ich gläube wie der Köhler gläubt. Wie gläubt er? Wie die christliche Kirche gläubt. Was gläubt sie? Ich gläube an GOtt, den Vater und an JEsum Christ, der empfangen ist vom heiligen Geist, geboren, gelitten, gestorben , ich gläube an den heiligen Geist, Vergebung der Sünden, Das gläubt der Köhler. Der antichristische Geist theilet die Geschlecht, heißt sie ein Theil Münche, die andern Laien, Pfaffen und Ehehalter. Das gläubt der Köhler nicht, sondern gläubt, wer ein Mann ist und nimpt auf Gottes Gebot ein Weib, der ist ein Gotteslästerer. Wie der Papst nöthigt sein Volk, wider die Schöpfung Gottes, daß ein Mann soll allein bleiben ohn‘ Weib, ein Weib ohne Mann; das sind eitel

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Teufelslehre, 1. Timoth. 4 (V. 3), die die Ehe verbieten und die Speise Wenn Paulus itzt lebte, so müßte er in des Papsts Banne sein, daß er diese Lehre von Verbietung der Ehe und Speise Teufelslehre heißet, als Papst, Bischof sein. Das kann man nicht leugnen, wer das hält, der folget dem Teufel und seiner Lehre nicht, denn es soll uns keine Creatur binden, wir müssen ihr‘ brauchen, wie es uns gelüstet, zur Besserung der Gemeine.

Fleisch essen macht niemand fromm: so wären die Wölfe frömmer denn die Menschen. Also lässestu dein Gewissen ans Fleisch binden, daß Gott Gefallen habe, wenn du kein Fleisch issest am Freitage, so ist sie gewiß des Teufels Lehre. Wehe dem Papst, denn er ist schuldig an allen Seelen, die seine Lehre haben angenommen. Sind unser Altväter darinnen gestorben, so ist ihnen nicht geholfen worden. Gott will seine Ordnung halten, die Leute seligen mit dieser reinen Lebre Gottes Geists.

Das dritte ist, der Greuel für Gott, so man Decret, Satzung macht: Wer dawider red’t, der soll den Hals verlieren; der dieses thut, ist ein Christen. Denn also lästert der Bube, ihm gebühre zu reden, Gesetz zu geben; uns gebühre, dasselbige anzunehmen und darnach zu thun.

P r o b a t e   s p i r i t u s.  Dieß Schwert müssen wir uns nicht nehmen lassen. Hie ist uns allen befohlen, daß wir urtheilen sollen, die Lehre von einander scheiden. Es gilt nicht, ich will warten aufs Concilium, wie das schleußt, und wo es hinaus will. Es gilt also, daß du gewiß seist, es sei keine Lehre anders, denn die: Christus sei gestorben für dich und auferstanden Willtu auf den Papst sehen, so wird dich dein Gewissen erschrecken, daß du mußt verzweifeln. Darumb lerne wohl, daß du den Prob’stein habest, daß Christus ins Fleisch sei kommen; daran streich alle Lehre. Es wird einem jeglichen gelten, ein jeglicher muß vor dem Gerichtstuhl das Urtheil hören, ob er Gott kenne oder nicht. Wer da die rechte Lehre hat bei ihm, der wird bestehen. Also thut St. Paul, da er predigt von der Auferstehung Christi, Actor. 17 (V. 11), da fragten sie die Schrift fleißig nach, ob ihm also sei. Also stehet im Esaia:

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Ad legem et ad testimonium Das gefället Gott, daß du allda Rath suchest und sonst nirgend.

Also thut Christus Johan. 4 (V. 21. 23) mit dem Weiblin: Es wird die Zeit kommen, daß man weder auf diesem Berge , sondern an allen Orten der Welt; der Vater wird Anbeter haben, die ihn anbeten im Geist und in der Wahrheit. Diese Lehre verkündigt das Weiblin in der Stadt, da fallen die Leute zu dem JEsu, hören ihn selbs‘, und sagen (V. 42): Nu gläuben wir nicht an Christum umb deiner Rede willen, sondern wir habens selbs gehöret.

Also sind zwei Stücke: eins ist das Hören, das ander die Erfahrung. Das Hören muß schmecken und fühlen die Gunst Gottes, wie das Evangelium lautet, sonst ist es umbsonst gehöret. Hie mögen wir wohl zu Gnaden kriechen, Gott bitten und anrufen, er wolle es uns ins Herz pflanzen, daß wir’s fühlen: sonst will er die Verachtung seines Sohnes strafen mit dem ewigen Feu’r. Er will seine Ehre erhalten Seine höheste Ehre ist, ihn vor einen wahrhaftigen Gott halten und von ihm Hülfe begehren.

Also lehret St. Paulus, die Zuhörer sollen richten; nicht die obenan sitzen, 1 Corinth. 14 Redet er wider die Lehre, die Christus Geist ist, so stehet mir zu, die zu urtheilen und sein müßig zu gehen, so er anders lehret. Daniel heißt den Antichrist: rex facierum, er soll keine Wahrheit haben, allein äußerliche, schöne Geberde und Gepränge der Heiligkeit haben, im Grunde Soll es nichts Sein; wie Paulus spricht. Ore fatentur Christum; factis negant.

Der Papst schreibt allzeit in seinen Briefen: In nomine Domini, wir suchen allein Gottes Ehre (und) der Christen Nut.  Darnach hängt er seinen Stift und Gift an: Wer dawider sei, der soll verbannt sein. Also lassen sie Gottes Wort nicht als viel gelten, als ihre Lehre. Da müssen die Pfaffen ohne Weiber sein; die nicht Fleisch essen, also Sünde abbüßen. Das heißt Christum verleugnen mit der That. Darumb müssen wir also gewiß sein, daß, wenn tausend Concilia also schließen, so wollt ich es allein darumb nicht halten, daß sie es sagen.

Gottes Wort soll unser Grund sein, nicht ihre Satzung. Denn das ist rechte Erkenntniß, auf Gott sich also verlassen.

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Wie Christus hie jedermann nützlich und dienstlich ist gewest; item, wie Gott seinen Sohn errettet vom Tode, also wird er mich auch ‚erauß reißen. Wer das nicht im Herzen fasset, der wird es mit seinem Schaden erfahren müssen. Darauf baue du, nicht auf die großen Leute und Concilia, die gehören doch nicht in Himmel, sie sind Geister der Lügen. Was aber äußerlich‘ Ding begreift, daß wir da einig wären, das gienge hin, daß sie es Ruhm hätten: aber, sie werdens eins oder nicht, so wird das Evangelium wohl bleiben ein scandalum Judaeis und stultitia gentibus.  Schließen sie wohl, oder nicht, auch vom Glauben; so sage ich also: Ich frage nicht viel darnach, ich habe das Meine davon, spreche, Gott sei Lob.

Quelle:

D. Martin Luther, In den Gesammtausgaben: Hall. Suppl. 379; Leipz. XII, 587; Walch XII,1989; Erl. I. Aufl. XVIII,22

Abgedruckt in Dr. Martin Luther’s Sämtliche Werke, Neunzehnter Band, Erste Abtheilung, Homiletische und katechetische Schriften. Zweite Auflage, Frankfurt am Main, Verlag von Heyder und Zimmer, 1879