von Pfr. Wilhelm Busch (1897-1966)
Wenn ich manchmal abends nicht einschlafen kann, und die Uhr «zwölf» schlagen höre, bewegt es mich immer, dass unwiederbringlich ein Tag zu Ende gegangen ist. So wird auch für die Weltgeschichte eine Mitternachtsstunde kommen.
Da wird es sehr dunkel sein.
Der Herr Jesus hat uns sehr deutlich das Hereinbrechen der Nacht geschildert. Da werden politisches Chaos, wirtschaftliches Durcheinander und religiöse Verwirrung die Menschen ratlos machen. In dieser unheimlichen Welt werden die Menschen sich nur noch um sich selber kümmern, gierig nach Essen, Trinken und Erotik. Und die Knechte Gottes werden innerlich schläfrig werden. Ja, und dann kommt die Mitternachtsstunde heran. Da wird es unheimlich finster sein.
Der Herr Jesus sagt: «Sonne und Mond werden ihren Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen.» (Matth. 24, 29; Mark. 13, 24.25; Joel 3, 15)
Es kann sein, daß der Herr hier von großen Naturkatastrophen redet. Die festen Naturordnungen, mit denen die Menschen so sicher rechneten, verschwinden, und das völlige Chaos bricht heran wie eine Flut.
Es kann sein, daß Jesu Wort so zu verstehen ist. Aber nach meinem Verständnis der Bibel dürfen wir noch nach einem tieferen Sinn suchen. In der biblischen Bildersprache bedeutet die Sonne den Herrn Jesus Christus. «Die Sonne verlor ihren Schein.»
Da hat die Welt Jesus völlig verworfen, und es wird eine Jesus-lose Welt sein. Da gibt es keinen Trost für die Sterbenden. Da weiß man nicht mehr, dass der Mensch ein Gedanke Gottes ist. Er ist nur noch «Material». Das ist dann eine Welt ganz ohne Liebe und Barmherzigkeit. Das ist die gnadenlose Welt – ähnlich dem heutigen Straßenverkehr: Jeder achtet nur auf sein eigenes Vorwärtskommen. Da wird nicht mehr gebetet, nur noch geflucht. Wenn die Sonne Jesus ihren Schein verloren hat, hört man nur noch das Gelächter Satans über einer entseelten Welt.
«Und der Mond verliert seinen Schein.» – Der Mond empfängt sein Licht von der Sonne.
Er ist also ein Bild der Kirche. Diese Kirche wird noch da sein – aber ohne Schein. Da werden kraftlose Predigten gehalten, die kein Gewissen anrühren. Da werden Prediger sein, die selbst in Sünden leben, christliche Zeitschriften ohne Botschaft, Tröster ohne Trost, Helfer, die nicht helfen können, Vielgeschäftigkeit ohne Inhalt, Organisation ohne Leben: tote Kirche!
«Und die Sterne werden vom Himmel fallen.» – In der biblischen Bildersprache sind die Sterne hervorragende Lehrer des Evangeliums. Sie fallen – sie fallen dem Zeitgeist anheim, sie fallen in Sünde und Schande.
Da werden in jener Mitternachtsstunde der Welt nur noch die als Christen übrig bleiben, die es gelernt haben, ganz selbständig zu stehen auf dem Felsen des Heils; deren Glaube nicht von Predigern und Kirchen abhängt. Es sind die, welche «in Christo» sind.
Das ist die dunkelste Stunde der Welt, wo der Antichrist regiert und der Mensch sich selbst überlassen ist von Gott. Doch dann schlägt es «zwölf» auf der Uhr Gottes.
Da wird es sehr hell werden.
«Und alsdann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohnes am Himmel… und sie werden sehen kommen des Menschen Sohn in den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit.»
Das wird ein Aufwachen geben um Mitternacht!
Unsere Gedanken bleiben hängen an dem seltsamen Wort «Zeichen des Menschensohnes».
Was ist das? Ich weiß es nicht. Der große Ausleger A. Bengel sagt dazu: «Es mag ein Kreuz sein. Ein Kreuz war zuvor ein ‚Zeichen, dem widersprochen wird‘ (Lukas 2, 34), alsdann wird es ein öffentliches Zeichen sein. Es mag auch darin bestehen, daß man das himmlische Heer erblicken wird, ehe der Herr selbst wahrgenommen wird. Ein Monarch hat viele Wagen, aber einen Leibwagen, der vor andern prächtig ist.»
Das ist wichtig: Der Herr Jesus selbst kommt in großer Kraft und Herrlichkeit. Der Schleier der ewigen Welt zerreißt, die Kulissen der dreidimensionalen Welt kippen um. Mit einem Schlage wird offenbar: Es war keine Narrheit, wenn wir beten: «Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit.» Das Kind, das in der Herberge zu Bethlehem geboren wurde in Armut – das Kind ist der HERR. Der Gelästerte von Golgatha ist Gott! «Es werden heulen alle Geschlechter auf Erden.» Das wird ein Aufheulen sein! Und mit Recht! Alle Herren hat man geehrt, nur den Einen nicht, der allein Herr ist. Jedes Zukünftige hat man gefürchtet, nur die Zukunft dessen nicht, dem alle Zukunft gehört. Jeden Helfer hat man gesucht, nur den Einen nicht, der allein helfen kann. Jeden Unsinn hat man geglaubt, nur dem Einen glaubte man nicht, der die Wahrheit ist. Schauerlich hell wird es werden. In dem Licht wird man uns sehen, wie wir sind, töricht, böse und verloren. Und «es werden heulen alle Geschlechter auf Erden».
Da wird es sehr fröhlich werden.
«Alle Geschlechter werden heulen?» Nein! Jetzt macht der Herr Jesus gleich eine Ausnahme: Es gibt ein Geschlecht der «Auserwählten». Das ist Gottes Geschlecht. O ja, es gibt eine Schar von Menschen, die durch Buße und Wiedergeburt Kinder Gottes wurden. Es sind die Leute, die das Wort aus Römer 8 begreifen: «Sein Geist gibt Zeugnis unserem Geist, daß wir Gottes Kinder sind.»
Diese freuen sich über das Kommen des Herrn Jesus mit unaussprechlicher und herrlicher Freude. Ihr Glauben und Hoffen war nicht vergeblich. Sie werden nun bei dem Herrn sein allezeit.
Ist das nicht auch eine freudige Erwartung?
Quelle: sermon-online.de
Bild: Vollmond Silhouette (pixabay)
Auf, denn die Nacht wird kommen,
auf, wenn die Sonne weicht!
Auf, wenn der Abend mahnet,
wenn der Tag entfleucht!
Auf, bis zum letzten Zuge,
wendet nur Fleiß daran!
Auf, denn die Nacht wird kommen,
da man nicht mehr kann.
Liedtext: Annie Louisa Walker Coghill; deutsch: 1875, Theodor Kübler