Und weil wir solches wissen, nämlich die Zeit, daß die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf (sintemal unser Heil jetzt näher ist, denn da wir gläubig wurden; (Römer 13, 11)
Das wahre Christenthum wird so fortgesetzt, wie es angefangen worden ist. Ist man im Anfang vom geistlichen Schlaf und Tod erweckt worden, so steht man hernach noch weiter vom Schlaf auf, und es werden alle Seelenkräfte durch das Leben und Licht Jesu immer stärker und munterer zur Anbetung Gottes und zu Seinem Dienst. Hat man Jesum durch den Glauben angezogen, so ziehet man Ihn noch weiter an, damit Er in der Seele eine Gestalt gewinne, und sie nach Ihm gebildet werde, (Röm. 13, 14, Galater 4, 19). Hat man die Werke der Finsternis, wie eben dieser Apostel V. 12. sagt, abgelegt, oder hat man den alten Menschen, der sich durch Lüste in Irrthum verderbet (Epheser 4, 22), durch die glaubige Einsenkung in den Tod Jesu abgelegt, so ist man doch noch nicht so weit gekommen, daß nicht der Apostel noch immer zurufen dürfte: leget ab, ziehet an, erneuret euch u.s.w., wie Eph. 4., Kol. 3. gesagt wird.
Die Ursache dieser Ermahnungen ist die in der Seele noch übrige Verderbniß, oder das Fleisch, welches wider den Geist gelüstet, und das, wenn es nicht immer gedämpft wird, den Verlust des Gnadenstandes verursachen kann. Als Paulus Röm. 13, 11. sagte, daß die Stunde da sei, von dem Schlaf aufzustehen, so hatte er die Zeit, worin er und die Römer lebten, vor Augen. Die Nacht des Alten Testaments war vergangen, da die Kerze des prophetischen Wortes in einem dunkeln Ort schien, und der Tag war herbei genahet. Was für ein Tag? Ohne Zweifel der Tag der Erscheinung Jesu Christi zum Gericht, welcher in der heiligen Schrift oft der Tag in besonderem Verstand genennet, und als nahe vorgestellt wird. Von diesem Tag unterscheidet Paulus die Stunde, da man von dem Schlaf aufstehen soll, folglich die Morgenstunde, da das Licht dieses hellen Tages schon anbricht. Diese Stunde, sagt er, ist da, weil der Tag herbei genahet ist. Es ist also jetzt nimmer Schlafenszeit, sintemal unser Heil, oder unsere Erlösung jetzt näher ist, als da wir glaubig wurden. Er hätte sagen können: die Zeit ist kurz, der Richter ist vor der Thüre, es ist nahe gekommen das Ende aller Dinge; weil er’s aber mit Glaubigen zu thun hatte, so schrieb er: das Heil ist nahe, ja es ist jetzt schon näher, als da wir glaubig wurden; das Heil, von dem er redet, ist die Erlösung aus allem Uebel und Alles, was die Glaubigen bei der Erscheinung ihres HErrn zu empfangen hoffen dürfen.
Wie aber, möchte man sagen, ist denn nicht von der Zeit an, da Paulus den Brief an die Römer schrieb, schon eine lange Zeit verflossen, ohne daß der HErr erschienen wäre? Und trägt denn der kleine Zeitraum von ihrer Bekehrung an bis auf das Datum dieses Briefes etwas Namhaftes bei diesem großen Zeitraum aus? Ja, wenn man bedenkt, daß der Tod eines jeden Christen und die Zukunft des HErrn gleichsam an einander stoßen, und die Zwischenzeit keine Saatzeit mehr sei.
Ich soll wachen; denn der HErr kommt, und meine Zeit, die mir zur Vorbereitung auf Seine Zukunft gegeben wird, ist kurz, und schon auf der Neige. Das völlige Heil wird mir immer näher: folglich soll ich mich vollends so verhalten, daß ich dessen theilhaftig werden könne.
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