Saulus aber erhob sich vom Boden; da er aber seine Augen öffnete, sah er nichts. Sie führten ihn aber an der Hand und brachten ihn nach Damaskus. (Apostelgeschichte 9, 8)
__Die Erblindung des Paulus soll uns beschäftigen. Wir sehen:
- die E n t s t e h u n g,
- das dreitägige A n h a l t e n,
- die H e i l u n g seiner Blindheit.
Die Entstehung der Erblindung.
_1. W a n n entstand die Erblindung?
_Saulus erblindete gerade zu der Zeit, als er innerlich sehend wurde. Während ihm die Augen über den rechten Weg geöffnet wurden, wurde ihm das äußere Augenlicht genommen.
Die Weisheit Gottes verbindet gar manchmal tiefe, innere Segnungen mit äußerer
Demütigung und Schwachheit. Einem Jakob wurde die Hüfte verrenkt, als seine Seele zur
Genesung kam (1. Mose 32, 26). Laßt uns nie murren, wenn göttliche Gnadenwirkungen
sich mit leiblichen Demütigungen verbinden!
_2. Durch wen entstand die Erblindung?
Bei aller Not der äußeren Dunkelheit hatte Saulus einen Trost: Er wußte, dass sie die Wirkung der Begegnung mit Jesus war. Er hatte sie nicht sich selbst etwa durch Unvorsichtigkeit oder dergleichen zugezogen. Wohl uns, wenn wir bei leiblichen Elendsschulen das Bewußtsein haben dürfen, daß nicht eigene Torheit, Mangel an Zucht und dergleichen sie herbeiführten! Was der Herr uns sendet, ist immer heilsam und gut.
_3. Auf welche Weise entstand die Erblindung? Nach dem Wortlaut des Textes (Kapitel
22, 11a) ging von der Person Jesu ein derartiger Strahlenglanz aus, daß Paulus sofort das
Augenlicht genommen wurde.
Diese Tatsache läßt uns die wunderbare Lichtgestalt des erhöhten Heilandes ahnen (1. Tim. 6, 16). Er, der einst verachtet und niedrig über diese Erde dahinging und als Verbrecher gehängt wurde, ist nun von solch großer Herrlichkeit umgeben,
daß niemand ihren Anblick ertragen kann (Offb. 1, 14 – 16). Diese Wirkung seines
himmlischen Lichtglanzes kann uns mit Ehrfurcht vor ihm erfüllen.
Laßt uns bei allem kindlichen Vertrauen, mit dem wir Jesus nahen dürfen, nie
vergessen, daß er der Herrliche und wir die Staubgeborenen sind
Und er war drei Tage nicht sehend und aß nicht und trank nicht. (Apostelgeschichte 9, 9)
Das dreitägige Anhalten der Erblindung – eine Bewahrung vor der
Zerstreuung, eine Demütigungs- und Geduldsschule.
Die Erblindung des Saulus konnte zunächst eine Anfechtung für ihn bilden. Als
Schriftgelehrter wußte er, daß der Messias unter anderem auch „den Blinden die Augen
öffnen würde“ (Jes. 61, 1.2; 35, 5; Luk. 4, 18). Nun tat der Herr das Gegenteil: Er machte
den Sehenden blind. Schien Jesus nicht ein strenger, harter Mann zu sein? (Luk. 19, 21)
Dennoch lag gerade in dieser Erblindung ein besonderer Segen:
_ 1. Zunächst b e w a h r t e sie ihn vor jeder Z e r s t r e u u n g.
_ Saulus zog als ein Blinder in Damaskus ein. Von aller Pracht und allem Glanz dieser
berühmten Weltstadt sah er nichts. So gewiß wir ihm die Freude an dem Anblick der
Ströme Amana und Pharphar (2. Könige 5, 12) und anderer Schönheiten gegönnt hätten, so müssen wir doch sagen: In dieser Entscheidungszeit seines Lebens war es gut, daß er
durch nichts abgelenkt wurde von dem Einen, was Not ist.
Gerade in der Bekehrungszeit ist gründliche Einkehr das Nötigste. Zu ihr konnte die
Blindheit mithelfen. Wir wünschen niemand, der in innerer Entscheidungszeit steht, eine
leibliche Erblindung. Aber wir wünschen einem jeden den Segen der Bewahrung vor den
tausend Zerstreuungen des Tages, wie Saulus sie erlebte.
_ 2. Die Zeit der Erblindung war auch eine D e m ü t i g u n g s s c h u l e.
Die Unfähigkeit zu sehen, machte Saulus zu einem hilflosen Mann, der ganz auf andere
angewiesen war. Vorher war er der Führer der Reisegesellschaft gewesen. Seinem Befehl
unterstanden alle die andern. Jetzt war er der Geführte. Wer des Saulus Einzug in
Damaskus beobachtete oder ihn etwa blind in seinem Quartier sitzen sah, der konnte nur
mitleidig auf den blinden Mann schauen, der sich an der Hand leiten lassen mußte.
Auch in andern Fällen pflegt Gottes Weisheit bei der Bekehrung der einzelnen dafür zu
sorgen, daß wir Erniedrigungs- und Beugungswege geführt werden. Laßt uns darüber nie
murren, sondern mit David dafür danken! (Psalm 118, 21; 119, 71)
_ 3. Das Anhalten der Erblindung war auch eine G e d u l d s p r o b e für Saulus.
Wir wollen es ihm nachzufühlen suchen, was es bei seinem feurigen Temperament
bedeutete, drei Tage und drei Nächte nichts mehr sehen zu können und hilflos harren zu
müssen, bis endlich die Weisung kam, von welcher der Herr geredet hatte: „Da wird man
dir sagen, was du tun sollst“ (V. 6). Nun aber verging der erste Tag und die erste Nacht, undniemand sagte ihm, was er tun sollte. Ebenso verging der zweite Tag und die zweite
Nacht. Keiner kam; erst nach drei Tagen kam die Erfüllung jenes Heilandswortes durch
Ananias. Das war eine Geduldsschule für ihn.
_ In der Schule Jesu lernt man zunächst nicht große Kenntnisse, sondern Stille, Demut
und Geduld (Sprüche 16, 32; 14, 29; Prediger 7, 8; Klagelieder 3, 26). Das ist die beste Hochschule.
3. Die Heilung der Erblindung: siehe Apostelgeschichte 9, 17.18
Quelle: P. Alfred Christlieb†, Der Apostel Paulus, S. 24-26.
Druck und Verlag: Adolf Reuter, Wiehl (Bez. Köln), 1936.