Pastor Adam Jende (1861-1918)

P a s t o r  A d a m  J e n d e
g e b o r e n  i m  R u j e n s c h e n  6. O k t o b e r  1861
e r m o r d e t  v o r  P l e s k a u  24. F e b r u a r

Jende war Lette von Geburt. Er hat sein Lettentum stets auf das Stärkste betont, es mit den Waffen, die die deutsche Bildung ihm gab, auf das Nachdrücklichste vertreten, oft im scharfen Gegensatz zu den Deutschen. Er hat in seinen jüngeren Jahren als Pastor von Ronneburg die Revolution 1905/6 als den berechtigten Kampf des lettischen Volkes für seine Freiheit angesehen. Mit dem lettischen Nationalismus verband sich in seiner Person das evangelische Christentum. Er hat an der Schaffung der religiösen Literatur für sein Volk treu mitgearbeitet und seiner Gemeinde in der Predigt den christlichen Lebenswandel einzuprägen gesucht.

Als Ende Januar 1918 der lettische Kommunismus in Livland nach dem Zusammenbruch der Russenmacht, vor dem Einrücken der Deutschen, zur Herrschaft gelangte, trat Jende ihm auf der Kanzel und in Einzelgesprächen entgegen. Als kommunistische Redner erschienen, um, wie in allen anderen umliegenden Kirchen, auch in der Ronneburgschen Kirche ein Meeting abzuhalten, hat Jende, der den größten Teil seiner Gemeinde hinter sich hatte, diesen Versuch abgewiesen. Das erregte den Zorn der Bolschewiken. Im Presseorgan der lettischen Schützen erschien eine gehässige Korrespondenz voller Drohung gegen Jende, der bald die Tat folgte. Es war eine kritische Zeit. Am 18. Februar war der Waffenstillstand, den die Deutschen mit den Russen abgeschlossen, abgelaufen.

Nach Ablauf desselben rückten die Deutschen von Riga aus sofort vor und machten der Herrschaft der roten Letten ein schnelles Ende; diese suchten noch vor ihrer Flucht an allen ihren Feinden Rache zu nehmen. Aus dem Wolmarschen Gebiete wurden damals über 60 Personen ergriffen, darunter auch Jende. Der Verhaftung ging eine Haussuchung voraus, die am 19. Februar vom „örtlichen Komitee“ im Pastorate Ronneburg nach „verborgenem Getreide“ vorgenommen wurde; obgleich diese nichts zutage förderte, wurde Jende doch verhaftet und zum Verhör nach Smilten geführt, wo ihm vorgeworfen wurde, er habe seinen Namen unter das Gesuch gesetzt, welches die Deutschen bat, ins Land zu kommen, um dasselbe vom kommunistischen Terror zu erlösen. Von Smilten sollten die Gefangenen, weil inzwischen die Deutschen vorgerückt waren, nach Pleskau gebracht werden. Es war ein furchtbares Hin und Her, je nachdem, ob die Deutschen vorrückten oder einen Weg freiließen. Endlich rollte der Zug mit den unglücklichen Gefangenen nach Pleskau ab. Kurz vor dieser Stadt wurde den Gefangenen mitgeteilt: „Der Deutsche hat Pleskau und Petersburg genommen, wenn ihr glaubt, ihn lebendig begrüßen zu können, so irrt ihr euch“. Und nun beginnt in der Morgenfrühe des 24. Februar das Furchtbare. Einer nach dem andern wird aus dem Güterwagen herausgezerrt und mit etlichen Schüssen niedergestreckt. Im Wagen herrscht der Schrecken, wer ist der Nächste? Der eine betet laut und schreit zu Gott um Hilfe, ein anderer stellt sich selbst den Mördern mit den Worten: „Vielleicht nützt mein Tod der Heimat.“ Auch Jende wird herausgerufen, still und schweigend empfängt er den Todesschuß. Das Morden hört plötzlich auf, denn die Nachricht ist eingetroffen, der Weg nach Pleskau sei noch frei. „Dann kann man ja weiterfahren.“. Die Leichen läßt man neben den Schienen liegen, der Zug dampft ab, die Mörder sind wieder im Wagen, sie halten, als ob nichts geschehen, ihre Frühstücksmahlzeit. Sie treiben dabei ihre Witze und Späße, die den überlebenden Gefangenen das Herz im Leibe erstarren machen.

Unter den Mördern Jendes muß einer sein Konfirmand gewesen sein, denn in ihren Witz- und Scherzworten wurden diesbezügliche Andeutungen gemacht. Welch tiefe Tragik, daß dieser Mann, der sein Leben fast bis zur Einseitigkeit in den Dienst des lettischen Volkes gestellt, durch Glieder dieses seines Volkes seines Lebens beraubt worden ist (30).

Eingestellt am 19. Dezember 2022