Höchste Majestät, König und Prophet

Höchste Majestät, König und Prophet,
deinen Scepter will ich küssen,
ich will sitzen dir zu Füßen.
Wie Maria tat: Höchste Majestät.
Zeuch mich ganz in dich,
daß vor Liebe ich
ganz zerrinne, und zerschmelze,
und auf dich mein Elend wälze,
das stets drücket mich:
Zeuch mich ganz in dich.

Deiner Sanftmut Schild,
deiner Demut Bild
mir anlege, in mich präge,
daß kein Zorn noch Stolz sich rege:
vor dir sonst nichts gilt,
als dein eigen Bild.
Steure meinem Sinn,
der zur Welt will hin,
daß ich nicht mög von dir wanken,
sondern bleiben in den Schranken:

Sei du mein Gewinn,
gib mir deinen Sinn.
Deines Geistes Trieb
in die Seele gib,
daß ich wachen mög und beten,
freudig vor dein Antlitz treten:
Ungefärbte Lieb
in die Seele gieb.

Quelle: Einige Schul-Gebete aus Heiliger Schrift und geistreichen Liedern gesammlet. Bautzen, 1792.
Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2021.