Pastor Heinrich Leonhard Adolphi

P a s t o r  H e i n r i c h  L e o n h a r d  A d o l p h i
g e b o r e n  i n  W e n d e n  9 . O k t o b e r  1 8 5 2
e r m o r d e t  b e i  W a l k
z u s a m m e n   m i t   s e i n e r   F r a u   E l l e n
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Adolphi war ein Sohn des in Livland bekannten Dichters, des frommen Stadtarztes Alexis Adolphi. Er studierte aus innerstem Drang Theologie in Dorpat, war ein fleißiger Student und beendete 1877 sein Studium. Nach kurzer Hauslehrerzeit wurde er 1879 zum Pastor
in Adsel gewählt. In jener Zeit hatte der Pastor noch die Möglichkeit, amtlich das Schulwesen seiner Gemeinde zu leiten. Fleißig hielt er mit den Lehrern seines Kirchspiels Konferenzen, treu war er bei demÜberhören der „Hauskinder“, die von den Müttern nach festem Plan in den Anfangsgründen unterrichtet wurden, ehe sie in die Schule kamen. So sehr ihm die Hebung des Schulwesens am Herzen lag, so war er doch in erster Linie Pastor seiner Gemeinde, der er treu und selbstlos diente. Obgleich Adolphi, wie der Kurländer sagt, „mehr ein schriftlicher Mensch“ war und ihm die Schreibtischarbcit am meisten
lag, förderte er doch auch tatkräftig den Neubau der Adselschen Kirche, die an Stelle der baufällig gewordenen alten Holzkirche aus Granit hergestellt wurde. Schriftstellern aber blieb seine eigenere Domäne. Neben treuster Mitarbeit an der lettischen evangelijchen
Presse, neben seiner Vorliebe für das königliche Spiel, zu dessen Einbürgerung er das erste lettische Schachbuch schrieb, war es besonders die Heidenmission, die er als sein Spezialgebiet bearbeitete. Im Buche: „Am Fuße der Bergriesen Ostafrikas“ erschien die erste grundlegende Darstellung der Leipziger Mission in Ostafrika. Eine ganze Reihe Missionsschriften in lettischer Sprache entstammte seiner fleißigen Fcder. Auch nahm er hervorragenden Anteil an der Herausgabe des neuen lettischen Gesangbuches.

Als der Sturm der Revolution 1905/6 über Livland fegte, harrte Adolphi treu auf seinem Posten aus und wurde den Stillen im Lande ein starker Halt, den Schwankenden ein treuer Berater, den Freiheitshclden ein mutiger Gegner. Um die Kirchenbücher, die die Urkunden über die Geborenen, die Getrauten, die Gestorbenen der Gemeinde enthielten, vor der Vernichtung zu bewahren und sie der Gemeinde zu erhalten, vergrub er sie in der Erde und rettete sie so dcr Gemeinde.

Nach der Revolution waren ihm einige glückliche Jahre beschiedcn. Dankbar empfand er auch, da nun die Kinder erwachsen, daß er nicht mehr mit materieller Sorge zu kämpfen hatte. Dem stillen Wirken dieser Zeit machte der Weltkrieg ein Ende. Rußlands Macht brach 1917 zusammen. Das russische Heer, selber desorganisiert, konnte nicht mehr verhindern, daß die lettischen Maximalisten-Bolschcwikcn die Herrschaft in Livland an sich rissen und den Kampf gegen Gott und Kirche begannen. Adolphi suchte in Predigt
und Seelsorge ihnen entgegenzutreten, ward von ihnen darum gehaßt. Am 9. Januar 1918 erschienen Bewaffnete im Pastorat und verlangten vom Pastor die Herausgabe der Kirchenschlüsscl. Adolphi verweigerte sie und sagte nicht, wo sie waren. Sie griffen den Pastor und die Pastorin und zerrten sie zur Kirche, wo eine johlende Menge mit roten Fahnen sie erwartete. Vor der Kirchentür hielt ein Agitator eine aufreizende Rede: „Der Pastor dient dem blutigen Zaren und den Herren in den Schlössern, gestattet aber nicht dem Volke, sein Eigentum, die Kirche, zu benutzen“. Die Menge brüllte: „In den Sack mit dem Schwarzen, werft ihn in den Aa-Fluß“. Die Situation wurde immer kritischer und drohender. Adolphi blieb fest — die Menge wurde immer wilder. Da entschloß sich ein Gemeindeglied, um ein Lynchgericht vor der Kirchentür zu vermeiden, die Schlüssel auszuliefern.

Die Menge stürzte in die Kirche. Das Pastorenpaar aber wurde nach Walk ins Gefängnis abgeführt. Von dort wurden sie durch das Auftreten treuer, tapferer Frauen der Gemeinde nach wenigen Tagen befreit und durften nach Adsel zurückkehren. Hier warnte man ihn, nie mehr die Kirche zu betreten, lebend würde er sie nicht mehr verlassen. So hielt Adolphi den Treuen seiner Gemeinde den Gottesdienst im Pastorat.

In den kommenden Tagen wurde es Adolphi zur inneren Gewißheit, daß er sein Leben für Christus werde lassen müssen. Am 18. Februar begann der Vormarsch der Deutschen von Riga aus, unaufhaltsam drangen sie vor, haltlos flüchteten vor ihnen das russische Heer und die ncuformierten lettischen Schützenregimenter. Ehe letztere von Adsel abzogen, verhafteten sie den Pastor und die Pastorin und erklärten ihnen, sie müßten als „Spione“ nach Rußland verschleppt werden. Mit neun anderen deutschen und lettischen Gemeindegliedern wurden sie nach Walk gebracht und in der eiskalten Kirche eingesperrt. Nach Walk waren auch die ca. 175 sogenannten „Spione“, die man in Wenden gefangen hatte, gebracht worden, die aber hatte man kurz vor dem Eintreffen der Adselschen Gefangenen weiter nach Pleskau verschleppt.

Was sollte man nun mit dem Adselschen Häuflein beginnen? Die lettischen Schützen erklärten: totschießen sei das einfachste, — es wurde beraten. Die Gefangenen blieben weiter in der kalten Kirche. Die Deutschen rückten immer näher, es mußte gehandelt werden. Am 21. Februar wurden die Gefangenen herausgerufen, auf Schlitten gesetzt
und durch die von Fliehenden überfüllten Straßen in der Richtung auf Pleskau fortgebracht.

Nach sieben Kilometern geschah das Entsetzliche, alle neun wurden von den sie begleitenden Soldaten erschlagen. Adolphis Leiche wies 18 Wunden, die seiner Gattin 2z Wunden auf; die Bajonette und Kolben hatten ihr furchtbares Werk an den Wehrlosen verrichtet. Die Leichen wurden dann beraubt und blieben zwei Tage liegen. Da fanden
die heranrückenden Deutschen sie. Die Leichen wurden nach Adsel gebracht und dort auf dem Friedhof feierlich gebettet.

Adolphi ist der erste Blutzeuge während der ersten Bolschewikenherrschaft in Livland geworden.

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