Offenbarung 10, 1

Und ich sah einen andern starken Engel vom Himmel herabkommen; der war mit einer Wolke bekleidet, und ein Regenbogen auf seinem Haupt und sein Antlitz wie die Sonne und Füße wie Feuersäulen.

Die kraftvolle und herrliche Gestalt des Engels deutet auf einen Engelfürsten hin, der aus der Nähe Gottes und des Lammes kommt. Es gibt Ausleger, wie Emil Dönges, die in ihm eine Erscheinung des Herrn Jesus Christus selbst erkennen. Diese Sichtweise ist mit Kenntnis der biblischen Bildsymbolik gut nachvollziehbar. Dönges schreibt:

„Wir sahen bereits früher in diesem Buche (Kap. 7, 2 folg.) Christum unter der Gestalt eines Engels dargestellt; Er ist ja der ‚Engel des Bundes‘, nach welchem Israel ausschsut. (Mal. 3,1).  Und als solcher bringt Er Befreiung für Israel, mit dem Er einen Bund gemacht hat. Unser Abschnitt redet von der Zeit, da diese ersehnte Befreiung nahe ist. Darum ist es ganz begreiflich, daß Christus hier als der ’starke Engel‘ eintritt. Und seine Schilderung bestätigt, daß es Christus ist: Er ist mit einer Wolke bekleidet, dem bekannten Sinnbild der Gegenwart des HERRN, besonders im Gericht:

Gewölk und Dunkel sind um ihn her; Gerechtigkeit und Gericht sind seines Thrones Grundfeste. Feuer geht vor ihm her und entzündet seine Feinde ringsum. (Ps. 97, 2.3)

Und als Sohn des Menschen wird er wiederkommen ‚in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit‘, um sein Volk Israel zu erlösen.“

Auch hat er über seinem Haupt einen Regenbogen, das Zeichen seiner Treue, des bleibenden Bundes Gottes mit der Erde, welcher auch um seinen Thron her gesehen wird.

Bemerkenswert ist auch die schöne Übereinstimmung des „Antlitzes wie die Sonne“ und der  „Füße mit Feuersäulen“ mit der Schilderung des Herrn der Herrlichkeit in Offenbarung 1, Verse 15 und 16:

und seine Füße gleichwie Messing, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie großes Wasserrauschen; und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete wie die helle Sonne.

Füße wie Feuersäulen verzehren alles, wohin sie treten, alles, was nicht feuerbeständig ist.

Der Ausleger Fritz Steinwender sieht in der Wolke in dem leuchtenden Bild des Engels einen Hinweis darauf, daß Gott in all seinen Wegen und Ratschlüssen zwar immer ein klares Ziel verfolgt, doch sein Handeln auch immer noch mit einem für uns Menschen unerforschlichen, letzten Geheimnis verhüllt ist. Solange die Gemeinde noch auf dem Wege ist, kann es eine lückenlose, abgerundete Erkenntnis von Gottes Handeln bis zur letzten Vollendung hin nicht geben.

Quellen:

Dönges, Emil: Was bald geschehen muß. Betrachtung über die Offenbarung. Erschienen bei Geschw. Dönges, Dillenburg (2. Auflage, 1921)

Römer, Christian, weil. Prälat und Stiftsprediger zu Stuttgart: Die Offenbarung des Johannes, in Bibelstunden erläutert (Verlag von D. Gundert, Stuttgart 1916)

Steinwender, Fritz: Die kommende neue Welt. Das letzte Buch der Bibel neu gehört. Lahr-Dinglingen, Verlag der St.-Johannis-Druckerei, Dr. Schweickhardt 1991; TELOS-Paperback Nr. 72 345, ISBN 3-501-00982-8)