1. Petrus 2, 1

„So leget nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alles Afterreden.“ 1. Petri 2:1

Die Apostel begnügen sich nie damit, in allgemeinen Ausdrücken zu reden, wie man müsse heilig sein, ohne daß man das weiß, wie man Hand anlegen soll, sie bringen die Sachen zur Sprache, um welche es sich handelt, wenn etwas werden soll mit der Heiligung des Menschen. So fängt Petrus jetzt ernst an: „Leget ab alle Bosheit!“

Da heißt es gleich: „Für wen hältst du uns denn? wir sind ja wiedergeboren!“ Es soll aber  nur kein Mensch glauben, er habe keine Bosheit mehr im Herzen, oder er täuscht sich. Wieviel Boshaftes ist im Herzen verborgen, was nicht immer zum Ausbruch kommt, aber man merkt es doch bei mancher Gelegenheit, daß man damit zu kämpfen hat. Der Apostel preist um der Leser seines Briefes willen Gott, er nimmt sie ganz als Kinder Gottes und sagt dennoch: „Leget ab die Bosheit; leget ab den Betrug!“ Wenn man die andern, oft auch nur in kleinen Dingen, hinter das Licht führen will, wenn man verdeckt, was man offen haben soll, auftut, was man aus Liebe verdecken soll, ein wenig zu viel rechnet in den eignen Beutel und dgl., wenn man im Handel und Wandel, im Kaufen und Verkaufen ein wenig die Fehler vertuscht, wie wenn alles recht wäre, wenn man jemanden täuscht, mit leeren Worten abspeist, für sich sorgt und auf das Seine sieht, statt auf das, was des andern ist, so heißt das Betrug. Wer nur ein klein wenig den betrügerischen Sinn gelten lassen mag, der wird immer weiter fortgerissen und kann in arg böse Dinge geraten.

Weiter heißt es: „Leget ab alle Heuchelei“, mit der man seine Untugend zudecken und, was man im Schilde führt, nicht merken lassen will und ein frommes Gesicht hinmacht, als wäre man ein Engel, damit andere nicht merken sollen, wie man innerlich im Widerspruch steht, auch nach seinen Ansichten und Plänen mit dem Gesetze des Herrn. Oft läßt man sich ohne Widerstand auch vom Feinde etwas einblasen und nimmt es an, kommt in den Zorn hinein, in Ärger und Schadenfreude; man läßt es sich im Gesicht nicht anmerken, man betet deswegen ebenso, versteht schöne, fromme Redensarten zu machen – kurz, wer weiß sich da frei von Heuchelei?

Und von Neid und Afterreden, was soll ich da viel sagen? O Neid! wie mußt ihn der Nächste oft empfinden! Wie läßt man es ihn fühlen mit einem Blicke, mit einem Worte, statt die Gefühle des Neides gleich im Keime zu überwinden. Und Afterreden – es bleibt immer die Gewohnheit, mehr Böses als Gutes von seinem Nebenmenschen zu sagen, auch gern mit ein wenig Freude und Selbstgefälligkeit. Ich weiß gewiß, wenn von einem im Hause etwas Schlechtes gesagt werden könnte, in fünf Minuten wüßte es das ganze Haus. Wer trägt es herum? Die Schadenfreude, das Afterreden. Ach, wer ist frei davon? Sehet, das sind so Sachen, von denen der Apostel sagt: „Leget es ab!“ Aber der Übelstand ist der, ich kann es nicht so ablegen, daß es dann ganz fort ist. Das wäre recht, wenn ich nur zu sagen brauchte: „Jetzt, Bosheit, geh fort und komm mir nie mehr!“ – So leicht ist es aber nicht, und das ist auch der Grund, weshalb der Apostel sagt: „So leget nun ab!“ – das muß alle Tage wieder geschehen, und wenn man nicht ernstlich darüber kämpft, so ist es gefehlt. Nun, da haben wir etwas Wichtiges gehört. Wie arm kann es aussehen bei uns, wenn man diese Sachen hier herausläßt! Aber sie müssen je länger je mehr weg, oder man kann nicht sagen, man sei heilig, wie er heilig ist.

(Christoph Blumhardt d.J.)

Quelle: Gärtner – Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus, 1907
Aus: Glaubensstimme – Die Archive der Väter