Johannes 1, 13 (Luther)

Welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. (Johannes 1, 13)

Das ist nun wie eine Confutatio (lat.: Widerlegung), damit der Evangelist antwortet allen denen, in welchen etwas ist, das sie rühmen können; es sei so gut, und so köstlich, und so viel es immermehr wolle, so hilft es doch nicht, Gottes Kind zu werden. Dargegen zeiget er mit diesen Worten klar und deutlich an, welche wahrhaftige Gottes Kinder und Erben sind, die da Gewalt haben, Gott zu nennen ihren Vater. Hier mußt du aus den Augen thun alles, was hoch, groß und herrlich ist vor der Welt, auch aller Creaturen vergessen. Denn ob solches alles wohl seinen Ursprung und Ankunft von Gott hat: so kann’s doch darzu nicht dienen, daß man Gottes Kind dadurch werde. Denn alles, was von uns ist, gehöret zur Höllen und ist verurtheilet und verdammet zum Tode. Es gilt hier nichts mehr, denn aus Gott geboren sein durch den Glauben an den Sohn Gottes, der Mensch ist worden.

Sondern von Gott geboren sind. Dieß ist gar eine neue Geburt, so die vorigen dreie, mit alle ihrem Lob, Ehr und Würde, wenn sie sollen zur ewigen Seligkeit dienen, tödtet und verdammet. Denn bisher hat der Evangelist gesagt: Wir sind durch Gottes Geschöpf und Segen wol von dem Geblüt unserer Eltern geboren; item, etliche Kinder, die arm, elend und verlassen sind, werden von frommen Leuten zu Kindern und Erben angenommen und aufgezogen, und unsere Studenten hier sind Schüler und Jünger unter ihren Präceptoren, die sie als ihre Väter ehren, (einer mehr denn der andere) wie Gott befohlen und geordnet hat. Es werden aber durch der Werke keins, weder die Väter des Geblüts, des Rechts und der Ehre, noch wie, ihre Kinder, vor Gott gerecht und selig. Aber zu der hohen Ehre und Herrlichkeit, daß wir Gottes Kinder werden, kommen wir allein durch die Geburt von oder aus Gott: also, daß wir glauben an den Namen des Menschen, der Jesus Christus heißt, wahrer, natürlicher Sohn Marien, in der Zeit von ihr geboren, von Ewigkeit aber vom Vater gezeuget, davon droben genugsam gesaget ist.

Dieser Jesus Christus, unser Herr, allein bringet diese Geburt, giebet die Freiheit, Recht und Macht denen, die an ihn glauben, daß sie Gottes Kinder sind, der gibt allein die Sohnschaft. Darum, so sind Gottes Kinder allein diejenigen, so aus Gott geboren sind, das ist, die an Jesum Christum, Gottes und Marien Sohn, glauben. Und dieselbigen gläubigen sind nicht aus dem Geblüte, noch Willen des Fleisches, noch Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren. Also schneidet aber der Evangelist alle Herrlichkeit, Gewalt und Macht der Welt, und will sagen: Es fördert nicht zur Seligkeit, daß einer Kaiser, König, Fürst, fromm, weise, gelehrt oder reich ist; denn alle Menschen, hohes und niedriges Standes, sind Fleisch; alles Fleisch aber ist Heu und wie eine Blume auf dem Felde; das Heu verdorret, die Blume verwelket; das Wort Gottes aber bleibet ewiglich, Esa. 40,7.8. Wer sich nun an das Wort hält und Johannis Zeugniß annimmt, (das Esaias auch gewaltig treibet in demselbigen 40. Capitel von Christo) und an seinen Namen glaubet, der kommet zu dieser unaussprechlichen Herrlichkeit, es sei Kaiser, König, Bürger, Bauer, Knecht, Hirte, Bettler, daß er Gottes Kind ist: daß also alle, niemand ausgeschlossen, er sei Mann oder Weib, die Christi Wort hören, an ihn glauben, die Gewalt und das Recht haben, daß sie mit Wahrheit sagen können: Ich bin durch Christum Gottes Kind und ein Erbe aller seiner himmlischen Güter, und Gott ist mein Vater.
Darum sollten wir diese heilige Predigt von Herzen gern hören und auf den Knieen (wenn wirs hier nicht hätten) über hundert Meilen holen und unserm Herzen wohl einbilden, daß wir der Sachen gewiß würden. Denn wer das stark und vest glaubte, daß er Gottes Kind wäre, der wäre ein seliger Mensch, sicher und unerschrocken vor allem Unglück, Teufel, Sünde und Tod.

Das ist nun die Predigt des Evangelii, die viel anders lautet, denn sie in aller Philosophen, Weltweisen, des Papstes und seiner Scribenten Bücher gefunden wird, welche, da sie am besten sind in dem Stücke, davon wir hier handeln, nicht ein Haarbreit rathen können, die doch leider viel mehr Schüler haben, denn das liebe Evangelium, welches allein den Christen gehört, wie der Herr saget: pauperes evangelisatur, Matth. 11, 5. Gott helfe uns, daß wir solche Predigt des Evangelii annehmen, und unter dem Häuflein gefunden werden, davon der Evangelist saget: Wie viel ihn annahmen, denen hat er Macht gegeben, Kinder Gottes zu werden.

(Martin Luther)