Offenbarung 21, 9 – 22, 5: Das neue Jerusalem

Achtundzwanzigste Bibelstunde

Offenbarung 21

9 Und es kam zu mir einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen voll der letzten sieben Plagen hatten, und redete mit mir und sprach: Komm, ich will dir das Weib zeigen, die Braut des Lammes. (Offenbarung 15.1) (Offenbarung 15.6-7) (Offenbarung 19.7)
10 Und er führte mich hin im Geist auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die große Stadt, das heilige Jerusalem, herniederfahren aus dem Himmel von Gott,
11 die hatte die Herrlichkeit Gottes. Und ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem hellen Jaspis.
12 Und sie hatte eine große und hohe Mauer und hatte zwölf Tore und auf den Toren zwölf Engel, und Namen darauf geschrieben, nämlich der zwölf Geschlechter der Kinder Israel. (Hesekiel 48.31-35)
13 Vom Morgen drei Tore, von Mitternacht drei Tore, vom Mittag drei Tore, vom Abend drei Tore.
14 Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine und auf ihnen Namen der zwölf Apostel des Lammes.
15 Und der mit mir redete, hatte ein goldenes Rohr, daß er die Stadt messen sollte und ihre Tore und Mauer. (Hesekiel 40.3)
16 Und die Stadt liegt viereckig, und ihre Länge ist so groß als die Breite. Und er maß die Stadt mit dem Rohr auf zwölftausend Feld Wegs. Die Länge und die Breite und die Höhe der Stadt sind gleich.
17 Und er maß ihre Mauer, hundertvierundvierzig Ellen, nach Menschenmaß, das der Engel hat.
18 Und der Bau ihrer Mauer war von Jaspis und die Stadt von lauterm Golde gleich dem reinen Glase. (Jesaja 54.11-12)
19 Und die Grundsteine der Mauer um die Stadt waren geschmückt mit allerlei Edelgestein. Der erste Grund war ein Jaspis, der andere ein Saphir, der dritte ein Chalzedonier, der vierte ein Smaragd,
20 der fünfte ein Sardonix, der sechste ein Sarder, der siebente ein Chrysolith, der achte ein Berill, der neunte ein Topas, der zehnte ein Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst.
21 Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, und ein jeglich Tor war von einer Perle; und die Gassen der Stadt waren lauteres Gold wie ein durchscheinend Glas.

Offenbarung 22

1 Und er zeigte mir einen lautern Strom des lebendigen Wassers, klar wie ein Kristall; der ging aus von dem Stuhl Gottes und des Lammes. (1. Mose 2.9) (Hesekiel 47.1) (Hesekiel 47.12) (Sacharja 14.8)
2 Mitten auf ihrer Gasse auf beiden Seiten des Stroms stand Holz des Lebens, das trug zwölfmal Früchte und brachte seine Früchte alle Monate; und die Blätter des Holzes dienten zu der Gesundheit der Heiden.
3 Und es wird kein Verbanntes mehr sein. Und der Stuhl Gottes und des Lammes wird darin sein; und seine Knechte werden ihm dienen (Josua 7.11-13)
4 und sehen sein Angesicht; und sein Name wird an ihren Stirnen sein. (Offenbarung 3.12)
5 Und wird keine Nacht da sein, und sie werden nicht bedürfen einer Leuchte oder des Lichts der Sonne; denn Gott der HERR wird sie erleuchten, und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Wunderbar Herrliches und Seliges haben wir von der künftigen Schöpfung gehört, und von ihrem Mittelpunkt, der heiligen Stadt, ist das Größte gesagt, was in Menschenworten gesagt werden kann: sie ist die Stätte, darin Gott ewig bei seinem Volk wohnen wird. Aber wer wollte sagen, seine Gedanken über die künftige Welt und über das neue Jerusalem seien damit ganz zur Ruhe gekommen, daß er kein Bedürfnis mehr fühle, nur wenigstens noch etliche weitere Striche in dem wunderbaren Bild gezogen zu sehen, um seinen Geist mit wunderbaren Ahnungen zu füllen und in andächtigem Sinnen zu erquicken? Und sollte uns etwa bloß das unheimlich dunkle Bild der Stadt Babylon mit allen Greueln und finstern Schatten gezeigt werden, dieser „Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden“ (Kap. 17)? Sollten wir uns nicht auch an dem Bild voll heiligen Lichtes erlaben dürfen, an dem „himmlischen Jerusalem“, der überweltlichen Heimatstätte des neutestamentlichen Gottesvolkes, die „unser aller Mutter“ ist (Hebr. 12, 22; Gal. 4, 26)? Einer von den Engeln, welche die Schalen des göttlichen Zorns ausgossen, hat dem Seher das Bild Babylons gezeigt, nun zeigt einer derselben auch das Gegenstück, die Gottesstadt. Ein Erklärer sagt:

„Was Babylon dem antichristlichen Weltreich war, der glanzvolle Mittelpunkt seiner Herrlichkeit, in welchem alle Lebensadern der Völkerwelt zusammenliefen und von welchem Antrieb und Leitung auf alle ausging und sie mit dem Geiste Babylons erfüllte, der Sitz des Weltherrschers und seines Gehilfen, des falschen Propheten, das wird in der neugeborenen Menschheit das neue Jerusalem sein als der Mittelpunkt des zur Herrlichkeit verklärten Gottesreichs, welches den neuen Himmel und die neue Erde füllt, und wird seine Wirkungen voll Heil und Leben erstrecken über alle die seligen Bewohner dieser neuen Schöpfung, und wird ihnen die Stätte sein, von wo Gott und das Lamm den Zepter seiner Herrschaft und den Hirtenstab seiner bewahrenden Obhut hält über alle, die als Teilhaber des ewigen Lebens das reich der Herrlichkeit auf der neuen Erde bilden.“

Im Gegensatz zu Babylon, der großen Hure, heißt diese Stadt „das Weib, die Braut des Lammes“; das Weib, denn die Ehe ist vollzogen, die Hochzeit des Lammes ist gekommen; die Braut, denn mit unverwelklicher bräutlicher Liebe hängt sie an dem, der sich mit ihr vertraut hat.

Jetzt noch, so lang diese Weltzeit dauert, ist unser Jerusalem „droben“: dort, im Himmel ist Gottes Heiligtum, dort ist der Thron unseres Königs Jesus Christus; von dort kommt uns Segen und Hilfe und Leitung; dort ist die Heimat, nach der wir uns sehnen, zu schauen die schönen Gottesdienste und zu bleiben im Hause des Herrn immerdar; dort sind die Erlösten, die überwunden haben, als Volk um ihren König versammelt. Wir sind Kinder, die von dorther ihr Leben haben und dorthin, „in den Himmel“, nach Hause kommen wollen, wenn wir von hier abscheiden. Wenn aber alles, was Sünde und Tod heißt, aus der Schöpfung Gottes ausgetilgt sein wird, dann wird in die neue Schöpfung die ganze Herrlichkeit des Schöpfers und Erlösers, Gottes und des Lammes sich ergießen, und das wird erst das Auferstehungsleben sein, das verheißen ist und von dem wir bekennen: Ich glaube eine Auferstehung des Leibes und ein ewiges Leben. – Die Braut des Lammes soll uns gezeigt werden; in Wirklichkeit aber sehen wir zunächst nur ihre Wohnstätte. Die ewig lebenden Menschen in verklärter Gestalt, in der Seligkeit ihres Verkehrs mit Gott, in der Innigkeit ihrer Gemeinschaft miteinander, werden uns nicht gezeigt. Dieses Herrlichste und Wunderbarste sollen wir nicht einmal ahnend im Bilde schauen, weil es ein all unser Denken himmelhoch übersteigendes Geheimnis Gottes ist. Dagegen sollen wir am Bild der Stadt ein Gleichnis und Zeichen haben für die der Gemeinde einst zuteil werdende Herrlichkeit.

Auf einen hohen, weithin ragenden Berg von mächtiger Ausdehnung, daß eine gewltige Stadt darauf Raum findet, wird johannes versetzt. Dort ist der Ort „der großen Stadt, des heiligen Jerusalems, das aus dem Himmel von Gott herniederkommt“. Das erste, was ihm vor Augen tritt, ist die Herrlichkeit Gottes, welche Mose sehen zu dürfen sich einst erbat, aber es wurde ihm die Antwort Jehovas: „Mein Angesicht kann man nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht“ (2. Mose 33, 18ff). Dort aber wird man sie sehen und in ihrem Lichte wandeln. Ihr heller Glanz strahlt gleich dem leuchtendsten, kostbarsten Edelstein, der selbst durchsichtig ist und Strahlen wirft wie Kristall (vgl. 4, 3). Um die Stadt her ist eine große, hohe Mauer: Das Zeichen, daß sie wohlbewahrt und beschirmt ist; „deine Mauern und Wehre sind Heil“, gilt von ihr (Jes. 26, 1). Zwölf Tore führen in die Stadt, drauf halten Engel die Wacht, ein Bild davon, wie sicher sich’s hier im himmlischen Schutz lebt und ruht. Die namen der 12 Stämme Israels tun kund, wer hier aus- und eingehen darf, Bürgerrecht und Heimat hier hat. Durch diese Namen wird das Ende des göttlichen Werks mit seinem Anfang verbunden. Was Gott durch die Berufung Israels begonnen und durch das irdische Jerusalem vorgebildet hat, ist jetzt verwirklicht und vollendet, das neue Jerusalem ist die Stadt des durch Christum aus aller Welt gesammelten, geheiligten, herrlich gemachten ewigen Gottesvolks in seiner Vollzahl.

Die ganze Anlage der Stadt zeigt das Gepräge des Vollendeten und Vollkommenen schon in den räumlichen Verhältnissen. Nichts ist hier unfertig, nichts durch die Enge des Raums bedrückt und verunstaltet. Kein Teil der Stadt ist ärmer und schwächer als der andere, nach allen Seiten hin stehen die Tore gleich offen für alle Bewohner der neuen Erde, gleich zugänglich und einladend. Von jedem Tor bis zum andern liegt je ein Grundstein, der über den Boden hinausragt; und jeder dieser Steine trägt den Namen eines der 12 Apostel, welche die Werkzeuge des Erlösers der Menschheit zur Gründung seiner Gemeinde gewesen sind und auf deren Grund erbaut sein muß, was der Stadt Gottes angehören soll.

Johannes sieht die Stadt messen: der Engel mißt sie mit einem Maßstab von Gold, wie es sich gebührt, wo das, was zu messen ist, der Inbegriff des Köstlichen und Herrlichen ist. Die Stadt liegt vor ihm als ein regelmäßiges Viereck; Länge und Breite sind gleich, eine Stadt von ungeheurem Umfang, ob wir nun annehmen, daß jede einzelne der vier Seiten oder daß die 4 Seiten zusammen 12000, also jede Seite 3000 Stadien mißt. 1000 Stadien sind ungefähr 180 Kilometer.

[…]

Und da sie durchaus nur von Gott abhängig und allein auf ihn angewiesen, auch keinen hemmenden Naturordnungen, wie Wechsel von Tag und Nacht, unterworfen sind, so ist ihr ganzes Leben und Wirken, obwohl man es als „Dienst“ beeichnen kann, doch ebenso sehr ein königlich freies „Herrschen“ im Lichte Gottes, so wie dem Menschen ursprünglich ein freies, frohes und ungehindertes Wirken und Walten auf Erden bestimmt war, das nach Gottes Willen (1. Mose 1, 28) ein „Beherrschen“ der Erde sein sollte.

So erscheint am Schluß des letzten Buchs der heiligen Schrift die Verheißung einer überschwenglich herrlichen Erfüllung des Segensspruchs, der am Anfang des ersten Buches der Menschheit als der Segen ihres Gottes mit auf den Weg gegeben ist. Was liegt alles zwischen 1. Mose 1 und Offenbarung 22! Wer anfängt, sich drein zu versenken, der wird bald bei den anbetenden Worten Röm. 11 ankommen: „O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und Erkenntnis Gottes! Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn wer hat des HERRN Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, daß ihm werde wiedervergolten? Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.

Gloria sei dir gesungen
mit Menschen- und mit Engelszungen,
mit Harfen und mit Zimbeln schön.
Von zwölf Perlen sind die Pforten
an deiner Stadt, wir sind Konsorten
der Engel hoch um deinen Thron.
Kein Aug‘ hat je gespürt,
kein Ohr hat mehr gehört
solche Freude.
Des sind wir froh, i-o, i-o
Ewig in dulci jubilo.

zurück zu Offenbarung 21, 1- 8weiter zu Offenbarung 22, 6-21

Quellen:

Christian Römer, weil. Prälat und Stiftsprediger zu Stuttgart: Die Offenbarung des Johannes, in Bibelstunden erläutert, S. 227-236 (Verlag von D. Gundert, Stuttgart 1916)

Bild: Der breite und der schmale Weg(Ausschnitt): Charlotte Reihlen (Idee); Paul Beckmann (Ausführung) / Public domain

Liedstrophe: Philipp NicolaiWachet auf, ruft uns die Stimme

Eingestellt am 18. August 2021 – Letzte Überarbeitung am 5. Februar 2023