4. Mose 25, 1

„Und Israel wohnte in Sittim. Und das Volk fing an, mit den Töchtern der Moabiter Unzucht zu treiben, welche das Volk zum Opfer ihrer Götter luden. Und das Volk aß und betete ihre Götter an.“ (4. Mose 25,1ff)

Da Balak keine feindliche Befehdung Israels unternahm, fingen die Moabiter an, die Söhne Israels zu den Opfermählern ihrer Götter einzuladen und baten sie, doch mit ihnen zu speisen und ihre Festlichkeiten zu teilen. „Da schloß sich Israel dem Peor-Baal an, und Jahves Zorn ward wider Israel“ (Kap. 25, 3).

Das war Hingabe an eine Göttermacht, bei deren Huldigung die Ausschweifung aufhörte, ein Verbrechen zu sein, sondern zu einem heiligen Weiheakt erhoben wurde. Die Baalim waren „vergötterte Gewalten“, und entsprechend den vielen gefürchteten Mächten gab es auch verschiedene Baalgötter. Nach 2. Mose 14, 1 gab es einen Baal-Zephon, der als der Mitternachtsgott der Wüste oder auch der Dunkelheit, der Öde galt, und der daher sehr gefürchtet wurde, weil man sich seiner Macht nicht zu entziehen wußte. Im Gegensatz zu
ihm gab es einen Baal-Meon, der als „Gott der Wohnstätten“ angesehen wurde. In der Gideon-Geschichte wird im Richterbuch berichtet, daß Israel den Baalim nachlief und den Baal-Berith zum Gott machte (Richter 8, 33). Dies war der Gott des Bundes, der in Sichem seinen Hauptsitz hatte, und der durch seine Macht die Menschen zusammenhalten sollte. Dann gab es einen Baal-Sebub, einen Fliegengott, der zu Ekron seine Kultstätte hatte (2. Könige 1, 2), und der als der Gott der Fäulnis oder der Krankheiten angesehen wurde, und den man daher „in Krankheiten über Leben und Tod interpellierte“. Der Baal-Peor war der Gott der Schamlosigkeit, der Herr der Geschlechtstriebe, dem man besonders durch kultische Festlichkeiten und durch Befriedigung der sinnlichen Leidenschaften huldigte.

Diesem Kult weihte sich auch Israel in Sittim. Noch der Prophet Hosea gedenkt dieses Falles mit der ergreifenden Klage des Herrn: „Ich fand Israel wie Trauben in der Wüste, ich sah eure Väter wie eine frühreife Frucht am Feigenbaum, wenn er zum ersten Male Früchte bringt; als sie aber zum Baal-Peor kamen, weihten sie sich der Schande und wurden zum Gräuel wie der, welchen sie liebten“ (Hos. 9, 10). Um diesem schnell um sich greifenden Unwesen, das bereits weiteste Teile des ganzen Lagers ergriffen hatte, Einhalt zu bieten, wurde die ganze Lagergemeinde durch eine schwere Pest heimgesucht. Und als Salus, der Fürst eines Vaterhauses vom Stamme Simeon, sogar die Frechheit besaß, eine Midianiterin vor den Eingang des Offenbarungszeltes zu bringen, damit offenbar dieser Kult der Sinnlichkeit auch in Israel Gott geweiht werde, da wurde er mit der Midianiterin Kosbi zusammen von Pinchas, dem Sohne des Priesters Eleasars, öffentlich mit einem Spiess durchbohrt (25, 6-8.15-18). Dies geschah zur Stunde, wo die ganze Gemeinde sich bereits in Reue und Beugung vor dem Herrn am Eingang des Offenbarungszeltes versammelt hatte.

Pinchas‘ Tat war nicht aus niederen Beweggründen erfolgt, sondern sie entsprach jener Gesinnung, die um die Ehre Gottes und um das Wohl des Volkes rang. Sie war verwandt jener Zucht, die die erste Gemeinde durch die Worte Petrus an Ananias und Saphira erlebte. Es gibt eine Hingebung an Sünden, wo die Schuldigen sich zu keiner Buße mehr fähig erweisen und daher der Ausstoßung aus dem Eigentumsvolk Gottes verfallen müssen. „Israel ist entweder Gottes, oder es hört auf zu sein“ – das ist die letzte Konsequenz seiner göttlichen Erwählung und Berufung.

(Jakob Kroeker: Das lebendige Wort)


Eingestellt am 1. Januar 2022