Am 24. Sonntag nach Trinitatis (Gottlob Baumann)

Predigttext: Matth. 16, 5-12

Und da seine Jünger waren hinübergefahren, hatten sie vergessen, Brot mit sich zu nehmen. Jesus aber sprach zu ihnen: Sehet zu und hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer! Da dachten sie bei sich selbst und sprachen: Das wird’s sein, daß wir nicht haben Brot mit uns genommen. Da das Jesus merkte, sprach er zu ihnen: Ihr Kleingläubigen, was bekümmert ihr euch doch, daß ihr nicht habt Brot mit euch genommen? Vernehmet ihr noch nichts? Gedenket ihr nicht an die fünf Brote unter die fünftausend und wie viel Körbe ihr da aufhobt? auch nicht an die sieben Brote unter die viertausend und wie viel Körbe ihr da aufhobt? Wie, versteht ihr denn nicht, daß ich euch nicht sage vom Brot, wenn ich sage: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer! Da verstanden sie, daß er nicht gesagt hatte, daß sie sich hüten sollten vor dem Sauerteig des Brots, sondern vor der Lehre der Pharisäer und Sadduzäer.

Geht diese Warnung und Ermahnung auch uns an? Die Menschheit unsrer Tage befindet sich in einer ähnlichen Lage wie zur Zeit Jesu. Vielen macht das Brot, das leibliche Brot Sorge, viel Sorge, weil sie den nicht kennen, der mit fünf Broten fünttausend Mann sättigen kann. In Anschaffung des leiblichen Brotes wenden sie alle Sorgfalt und Mühe an, aber das geistliche Brot, die Nahrung für ihre unsterbliche Seele macht ihnen wenig Sorge. Da sind sie so sorgfältig nicht, ob sie uch hinreichende gesunde Nahrung bekommen möchten.  Da sind sie nicht so auf der Hut, daß sie nicht möchten von einem schlimmen Sauerteig durchdrungen werden. Und doch – wie nötig wäre es!

Die geistliche Nahrung fällt einem nicht von selbst in den Mund. Und des gefährlichen, schlimmen Sauerteigs ist viel.Die Lehre der Pharisäer und Sadduzäer umgibt uns überall. Die Luft unserer Tage ist durchdrungen von falscher Lehre. Ach, wir sind vielleicht schon durchdrungen davon; denn wir bringen die falsche Lehre mit auf die Welt. Wir wollen nun die Frage betrachten:

Wie verwahrt man sich gegen den Sauerteig der Pharisäuer und Sadduzäer?

  1. Dadurch, daß man den Sauerteig der Wahrheit sucht, und dadurch,
  2. daß man sich davon recht durchdringen läßt.

Gebet

O Jesu, du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben; du bist die selbständige Wahrheit, die Wahrheit selbst. Bei dir müssen wir die Wahrheit holen, die uns wie ein Sauerteig durchdringen soll. Sonst sind wir nicht gewaffnet gegen die Einflüsse der Lüge, der falschen Lehre. O wir leben in einer so gefährlichen Zeit! Hilf du uns da! Schirme und verwahre du uns; schneide du die schlimmen Einflüsse ab! Aber besonders zeige uns die Wahrheit, offenbare sie uns auch heute und laß sie all unsere Gedanken durchdringen! Die Wahrheit wird euch frei machen, hast du gesagt. Das laß auch uns widerfahren!
Amen.

Warum ist denn die Lehre der Pharisäer und Sadduzäer so weit verbreitet? – Deswegen, weil das die Lehre des natürlichen Menschen ist. Die Menschen sind Pharisäer und Sadduzäer, die einen dies, die anderen jenes, oft beides in einer Person. Wir lle sind geborene Pharisäer und Sadduzäer. Halten sich nun die Menschen ferne von der gesunden geoffenbarten Lehre des Wprtes Gottes, so wird ihre Lehre vollends eitel Pharisäertum und Sadduzäertum. Das ist nun in unserer Zeit reichlich der Fall; darum tut die Warnung so not:

Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer!

Aber wie hütet man sich? Wie lernt man nun die falsche Lehre kennen? Und wenn man sie auch von sich abzuhalten, wenn man sich äußerlich von ihr fernzuhalten suchte, so wäre damit noch nicht geholfen, da man sie in sich hat und trägt und davon ganz durchdrungen ist.

Wir sehen, nur so ist zu helfen, daß wir den Sauerteig der  W a h r h e i t  suchen und damit uns durchdringen lassen. Nur im Lichte der Wahrheit erkennt man die falsche Lehre außer sich und in sich. Nur wer die Wahrheit hat, kann sich wehren gegen ds Gift falscher Lehre. Aber wo findet man denn den Sauerteig der Wahrheit?  Wo kann man Wahrheit kaufen? – Bei Jesu, antworten wir, bei dem, der gesprochen ht: „Ich bin die Wahrheit“.

Aber wie kann man denn bei dem Herrn Jesu die Wahrheit suchen? In seiner Lehre, in seinen Worten? – Wäre er ein Mensch, wie andere Menschen, so müßten wir freilich sagen, in seiner Lehre, in seinem Wort sei der Sauerteig zu suchen. Nun er aber Gott und Mensch ist, nun er uns so nahe ist und noch näher als dort seinen Jüngern, die neben ihm in jenem Schiffe saßen, so ist die Wahrheit zu suchen in ihm selbst, in seiner Person. Er selbst ist die Wahrheit. Nur wer Ihn hat, hat die Wahrheit. Er ist der Christ, das Gegenteil des Antichristen. So ist er auch das Gegenteil der Pharisäer und Sadduzäer. Nur wer den Herrn Jesum kennt, erkennt im Licht der Wahrheit, was Lüge ist, was die Lehre der Pharisäer und Sadduzäer auch unserer Tage ist.

Wer ist denn ein Pharisäer? „Ihr seid’s, die ihr euch selbst rechtfertigt vor den Menschen; aber Gott kennt eure Herzen; denn was hoch ist unter den Menschen, das ist ein Greuel vor Gott.“ (Lukas 16, 15) –  So hat der Herr das Wesen des Pharisäertums bezeichnet. Wer da meint, umseiner Frömmigkeit willen Gott zu gefallen, der ist ein Pharisäer und ein Greuel vor Gott. Das Kreuz unsres Herrn Jesu Christi, durch welches wir der Welt gekreuzigt worden und die Welt uns, hat allem Pharisäertum ein Ende gemacht. „Da ist nicht, der gerecht sei, auch nicht einer. Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Jesum Christum geschehen ist.“ (Römer 3, 10.23.24). Der Mensch wird in Gottes Augen für gerecht geachtet ohne des Gesetzes Werke, ohne alles sein Tun, allein durch den Glauben. Aller Menschen Tugend, alle eure Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ist vor Gott nichts als eine Hand voll Kot. Vor Gott gilt nichts als das heilige Verdienst, die makellose Gerechtigkeit des Herrn Jesu. Das ist entsetzlich, das ist schrecklich für einen Pharisäer! Alle seine Tugend und Frömmigkeit, die ihn so viele Mühe gekostet, soll nichts sein!

Aber noch etwas ist in dem Sauerteig der Wahrheit, das dem Pharisäer ein Dorn im Auge ist: „Allein durch den Glauben“. Das Wörtchen  „a l l e i n“  mag er nicht.

[…]

Eingestellt am 7. September 2021 – Letzte Überarbeitung am 16. Oktober 2021