O Mensch, bewein dein Sünde groß (EG 76)

Passionszeit: Judika

1) O Mensch, bewein dein‘ Sünde groß,
darum Christus sein’s Vaters Schoß
äußert und kam auf Erden;
von einer Jungfrau rein und zart
für uns er hie‘ geboren ward,
er wollt‘ der Mittler werden.
Den Toten er das Leben gab
und legt dabei all‘ Krankheit ab,
bis sich die Zeit herdrange,
daß er für uns geopfert würd‘,
trug unsrer Sünden schwere Bürd‘
wohl an des Kreuzes Stamme.

2) Dann als das Fest der Juden kam
Jesus sein‘ Jünger zu ihm nahm
Und tät zu ihnen sagen:
Des Menschen Sohn verraten wird,
Ans Kreuz geschlagen und geführt
Zu Tod in seinen Tagen.
In Simons Haus Maria kam,
Viel köstlich’s Wasser zu ihr nahm,
Den Herren zu begießen
Etlich‘ der Jünger murrten bald,
JEsus die Fraue gar nicht schalt,
Das tät‘ Judam verdrießen.

3) Zum Hohenpriester er sich macht,
Den Herren zu verraten tracht‘,
Nahm dreißig Silberlinge:
Bald Jesus mit den Jüngern kam
Und aß mit ihn’n das Osterlamm
und endigt diese Dinge.
Er satzt uns auf ein Testament,
Sein’s Tods zu denken bis ans End,
Und wusch der Jünger Füße;
Er bildt ihn’n für die Liebe schon,
Und wie sie ihn würden verlahn,
Mit Trost tät er’s beschließen.

4) Darnach er an den Ölberg trat,
in Furcht und Zittern er da bat:
Ach, betet! Und tut wachen!
Ein’n Steinwurf weit er förder ging, [voraus ging]
zu seinem Vater auch anfing:
O Vater, tu hie‘ machen,
daß dieser Kelch jetzt geh von mir,
denn alle Ding‘ sind möglich dir;
doch es gescheh‘ dein Wille.
Solch’s er zum drittenmale bat,
So oft er zu den Jüngern trat,
Sie schliefen all‘ in Stille.

5) Er sprach: „Schlaft ihr in meinem Leid ?
Wacht auf, die Stunde ist bereit,
Des Menschen Sohn zu geben
In Sünder Händ‘. So stehet auf,
Der mich verrät, der lauret drauf,
Nun bätet ihr darneben.
Als er noch red’t, sieh, Judas kam,
Ein’ große Schar er mit ihm nahm,
Mit Spießen und mit Stangen.
Ein Zeichen der Verräter gab:
„Welchen ich küß, merkt eben ab:
Den sollt ihr weislich fangen!“

6) Als Jesus wußt‘ nun alle Ding,
Gar bald er Ihn’n entgegen ging,
Und sprach sie an mit Güte:
Wen suchet ihr so mit Gewalt?
Jesum, sie sagten, fielen bald
Zurück in ihrer Wüte.
Judas gab ihm den Kuß behend‘
Der grausam‘ Hauf‘ auf Jesum rennt,
Und fingen an mit Grimme.
Petrus sein Schwert aus zückte recht,
hieb ab ein Ohr des Bischofs Knecht;
Jesus antwortet ihme:

7) Ficht nicht, vielmehr das Schwert steck ein,
Soll nicht der Kelch getrunken sein?
Den Knecht gesund er machte;
Der Hauf zu Hannas führte ihn,
Und auch für Caiphas dahin,
Gebunden bei der Nachte.
Petrus folgt in den Hof hinein,
Durch den bekannten Jünger sein,
Leugnet dreimal den Herrn.
Der Bischof fragte Jesum zwar,
Doch stellt man falsche Zeugen dar
Die ihn sollt’n überführen.

23) So lasset uns nun dankbar sein,
daß er für uns litt solche Pein,
nach seinem Willen leben.
Auch laßt uns sein der Sünden Feind,
weil uns Gott’s Wort so helle scheint,
Tag und Nacht darnach streben,
Die Lieb‘ erzeigen jedermann,
die Christus hat an uns getan
mit Leiden und mit Sterben.
O Menschenkind, betracht das recht,
Wie Gottes Zorn die Sünder schlägt,
So wirst du nicht verderben.

Liedtext: 1530, Sebald Heyden (1499-1561)
Melodie: 1525, Matthäus Greiter (* um 1495 – † 1550)

Quelle:

Der o.a. Liedtext folgt der Fassung des Liedes Nr. 39, aus: Unpartheyisches Gesang-Buch: enthaltend Geistreiche Lieder und Psalmen, zum allgemeinen Gebrauch des wahren Gottesdienstes (4. verb. Aufl., mit einem Anhang). Johann Bär (Publ.) , Lancaster, Penn., 1829.

„O Mensch, bewein dein Sünde groß“ ist ein lutherisches Kirchenlied zur Passionszeit. Den Text verfaßte der der Rektor und Kantor Sebald Heyden im Jahre 1530 zur Melodie „Es sind doch selig alle“, die von Matthias (auch Matthäus) Greitter (* um 1495 – † 1550) stammt. Das Lied ist – jedoch nur im Umfang der ersten und letzten Strophe – originalnah im Evangelischen Gesangbuch (als Nr. 76) enthalten.