Micha 7, 18 (Quandt)

Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erläßt die Missetat den übrigen seines Erbteils, der seinen Zorn nicht ewiglich behält! Denn er ist barmherzig. (Micha 7, 18)

„Wo ist ein solcher Gott, wie du bist?“ – So hieß es schon damals, als Gott sein Volk erlöst hatte aus dem Diensthause Egyptens -, da sang Mose und die Kinder Israel tönten dazu 2. Mose 15, 11:

HERR, wer ist dir gleich unter den Göttern? Wer ist dir gleich, der so mächtig, heilig, schrecklich, löblich und wundertätig sei?

Wer ist wohl wie du? So ertönt es noch lauter Angesichts der vollen Erlösung Israels, die durch jene nur vorbedeutet war, der Erlösung von Sünde, Tod und Teufel durch den, der da kommen soll, welcher ist Jesus Christus. Dieser Erlösung gegenüber wird der Name des Sehers von Moreseth, der an der Spitze seiner Weissagungen steht, zur vollen Wahrheit. Wir sahen oben in der Einleitung, daß Micha heißt: Wer ist wohl wie du!

Dieser 18. Vers zeigt auf’s Herrlichste die Einheit der Gotteslehre im alten und neuen Testamente. Ein Kandidat hielt einmal in einer leeren Kirche vor einem evangelischen Bischof eine Probepredigt. Er las als Text vor Ev. Joh. 3, 16 und begann: „Wie glücklich können wir sein, daß wir zu den Zeiten des neuen Testamentes leben, das einen Gott der Liebe lehrt, während das alte Testament nur einen Gott des Zornes kennt“.

Der Bischof rief den Kandidaten sofort nach diesem Eingangssatz von der Kanzel und bedeutete ihn, er solle nicht eher in der evangelischen Kirche predigen, bis er das alte Testament gelesen und den Gott der Liebe darin gefunden hätte. Ob der Kandidat den Gott der Liebe im alten Testamente gefunden, weiß ich nicht; aber daß er darin gefunden werden kann, weiß ich, und hier, Micha 7, 18 ist er zu finden; hier haben wir wahrlich das neue Testament im alten.

Quelle:

Carl Emil Wilhelm Quandt: Micha, der Seher von Moreseth. Eine Auslegung des prophetischen Buches Micha in sieben Bibelstunden. Von E. Quandt, Pastor im Evangelischen Vereins=Hause. Herausgegeben und verlegt von dem Haupt=Verein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten. Berlin, 1866.
(Download in verschiedenen Formaten möglich in der Lesekammerzip-File;
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Eingestellt am 10. November 2023