Bekenntnis. Berufung und Erwählung.
Die Ewigkeit ist die Quelle der Zeit. Das Heil in der Erscheinung Christi ist der Mittelpunkt der Zeit. Die Erlösung, die Seligkeit der Gläubigen ist die Folge, der Strahlenkreis der Offenbarung Christi. Darum liegt das christliche Leben als eine Stiftung Gottes schon vor der Zeit in seinem ewigen Ratschluß.
1) Geht hin, ihr gläubigen Gedanken,
Ins weite Feld der Ewigkeit;
Erhebt euch über alle Schranken
Der alten und der neuen Zeit:
Erwägt, daß Gott die Liebe sei,
Die ewig alt und ewig neu.
2) Der Grund der Welt war nicht geleget,
Der Himmel war noch nicht gemacht,
So hat Gott schon den Trieb geheget,
Der mir das Beste zugedacht:
Als ich noch nicht geschaffen war,
Da reicht‘ er mir schon Gnade dar.
3) Sein Ratschluß war: Ich sollte leben
Durch seinen eingebor’nen Sohn;
Den wollt‘ er mir zum Mittler geben,
Den macht‘ er mir zum Gnadenthron;
In dessen Blute sollt‘ ich rein,
Geheiliget und selig sein.
4) O Wunderliebe, die mich wählte
Vor allem Anbeginn der Welt
Und mich zu ihren Kindern zählte,
Für welche sie das Reich bestellt!
O Vaterhand, o Gnadentrieb,
Der mich in’s Buch des Lebens schrieb!
5) Wie wohl ist mir, wenn mein Gemüte
Hinauf zu dieser Quelle steigt,
Von welcher sich ein Strom der Güte
Zu mir durch alle Zeiten neigt,
Daß jeder Tag sein Zeugnis gibt:
Gott hat mich je und je geliebt.
6) Wer bin ich unter Millionen
Der Kreaturen seiner Macht,
Die in der Höh‘ und Tiefe wohnen,
Daß er mich bis hie’her gebracht!
Ich bin ja nur ein dürres Blatt,
Ein Staub, der keine Stätte hat.
7) Ja, freilich bin ich zu geringe
Der herzlichen Barmherzigkeit,
Womit, o Schöpfer aller Dinge,
Mich deine Liebe stets erfreut;
Ich bin, o Vater, selbst nicht mein,
Dein bin ich, Herr, und bleibe dein.
8) Im sichern Schatten deiner Flügel
Find‘ ich die ungestörte Ruh.
Der feste Grund hat dieses Siegel:
Wer dein ist, Herr, den kennest du.
Laß Erd‘ und Himmel untergehn:
Dies Wort der Wahrheit bleibet stehn.
9) Wenn in dem Kampfe schwerer Leiden
Der Seele Mut und Kraft gebricht,
So salbest du mein Haupt mit Freuden,
So tröstet mich dein Angesicht;
Da spür‘ ich deines Geistes Kraft,
Die in der Schwachheit alles schafft.
10) Du lässest auch vom Gut der Erden
Mir, was du willst, nach deinem Sinn,
Jedoch weit mehr zu Teile werden,
Als ich im Kleinsten würdig bin:
Mein Herz zerfleußt, wenn es bedenkt,
Wie treulich mich dein Auge lenkt.
11) Die Hoffnung schauet in die Ferne
Durch alle Schatten dieser Zeit;
Der Glaube schwingt sich durch die Sterne,
Und sieht in’s Reich der Ewigkeit.
Da zeigt mir deine milde Hand
Mein Erbteil und gelobtes Land.
12) O sollt‘ ich dich nicht ewig lieben,
Der du mich unaufhörlich liebst?
Sollt‘ ich mit Undank dich betrüben,
Da du mir Fried‘ und Freude gibst?
Verließ‘ ich dich, o Menschenfreund,
So wär ich selbst mein ärgster Feind.
13) Ach, könnt‘ ich dich nur besser ehren:
Welch edles Loblied stimmt‘ ich an!
Es sollten Erd‘ und Himmel hören,
Was du, mein Gott, an mir getan:
Nichts ist so köstlich, nichts so schön,
als, Höchster Vater, dich erhöh’n.
14) Doch nur Geduld: Es kommt die Stunde,
Da mein durch dich erlöster Geist
Im höher’n Chor mit frohem Munde
Dich, schönste Liebe, schöner preist.
D’rum eilt mein Herz aus dieser Zeit
Und sehnt sich nach der Ewigkeit.
Liedtext: Johann Gottfried Hermann (1707-1791)
Melodie: 1714, bei J.A. Freylinghausen „Mein Jesus lebt. Was soll ich sterben?“
Andere Melodie: 1738, Johann Balthasar König (1691-1758)
Johann Gottfried Hermann (* 12. Oktober 1707 in Altjeßnitz, Provinz Sachsen; † 30. Juli 1791 in Dresden) war ein deutscher lutherischer Theologe und sächsischer Oberhofprediger sowie Oberkonsistorialrat. In Plauen erarbeitete er ein 1742 veröffentlichtes neues vogtländisches Gesangbuch.
Weblinks und Verweise
Johann Gottfried Herrmann bei Wikipedia (DE)
Lied Nr. 94: Evangelisch-Lutherisches Gesangbuch von Wisconsin und anderen Staaten, erschienen bei Georg Brumder, Milwaukee/Wisconsin, 1872.
Lied Nr. 1, in: Deutsches Kirchenliederbuch oder die Lehre vom Kirchengesang. Praktische Abtheilung. Ein Beitrag zur Förderung der wissenschaftlichen und kirchlichen Pflege des Kirchenliedes so wie der häuslichen Erbauung von J.P. Lange, Dr. und ordentlichem Professor der Theologie an der Universität zu Zürich. Zürich, Verlag von Meyer und Zeller, 1843. (Seite 471f. – Digitalisat)
Lied Nr. 16, in: Gesangbuch für die evangelische Kirche in Württemberg, Schmuckausgabe (Verlagskontor des evangelischen Gesangbuchs, Stuttgart 1912;
13 Strophen; die oben wiedergegebene Strophe 10 fehlt)
Notensatz, 4stimmig, ohne Liedtext (König, pdf, externer Link zu Hymnary.org)
Audiofile der Melodie (König, midi, mp3, externer Link zu Hymnary.org)