Römer 9, 15

Welchem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und welches ich mich erbarme, des erbarme ich mich. (Römer 9, 15)

Ich habe einmal eine Geschichte von einem berühmten englischen Prediger gelesen, die er selbst von sich erzählt; ich will sie euch auch erzählen. Er war um des Evangeliums willen im Gefängnis und machte hier folgende Erfahrung:

Er befürchtete, man würde ihn endlich aus dem Gefängnis zum Galgen führen. Darüber kam er in große Not, denn er befand sich in innerer Dürre; die göttlichen Dinge waren vor seinen Augen verborgen; er hatte keinen fühlbaren Glauben zu jener Zeit. Zwei Dinge plagten ihn dabei vorzüglich, erstlich die Furcht, er werde dem Evangelium Schande machen durch Todesangst, die er in diesem Gemütszustand nicht werde verbergen können, „denn ich schämte mich“ – sagte er – „mit einer Totenfarbe und mit zitternden Knien in einer solchen Sache zu sterben, als diese war.“ Das zweite, was ihm Schrecken einjagte, war der Zustand seiner Seele nach dem Tode; wo wirst du anlanden, wenn du stirbst? Wie wird es mit dir werden? Was hast du für Vergewisserung des Himmels, der
Herrlichkeit und des Erbes der Heiligen? Oft sah er sich im Geist hinausführen, sah sich auf der Leiter stehen mit dem Strick um den Hals, und sein Herz erbebte jedes mal davor, daß er also, ohne wahren Trost, ohne lebendige Hoffnung, vielleicht mit einer Angst, die dem Evangelium zur Schmach gereiche, in die Ewigkeit gehen sollte. Nachdem er aber mehrere Wochen lang in dieser Anfechtung und Finsternis gewesen war, so warf er sich endlich in die freie Gnade.

Er erkannte nämlich, daß es in Gottes Willen stünde, ob er ihm Trost geben wolle, jetzt oder in der Stunde des Todes: es stünde aber nicht in seinem, des Menschen Willen, ob er beim Evangelium bleiben wolle oder nicht, er sei gebunden, Gott aber sei frei. Darum faßte er nun ein Herz und sprach bei sich selber: „Weil denn die Sache also steht, so will ich fortgehen und es auf mein ewiges Heil in Christo  w a g e n,  ich mag Trost von ihm haben oder nicht. Will Gott nicht mit, so laufe ich blindlings von der Leiter in die Ewigkeit hinein, ich sinke oder schwimme, ich komme in den Himmel oder in die Hölle. HErr Jesu, willst du mich ergreifen, tue es, ich wage es in deinem Namen!“

Mit diesem Gedanken wich die Anfechtung, und das Licht und der Trost des Evangeliums kehrte in seine Seele zurück.

Mein Herze schließt in Jesu Christ,
der aller Gnaden Urquell ist.

(Ludwig Hofacker)

Eingestellt am 16. März 2022