Antistes Samuel Preiswerk wurde geboren am 19. September 1799 in Rümlingen, Kanton Basel, als das zweite Kind des dortigen Pfarrers Mag. Alexander Preiswerk und der Frau Maria geb. Burckhardt von Basel. Seine beiden Geschwister überleben, beide wohl betagt, den herzlich geliebten und hochgeschätzten Bruder, die ältere Schwester in einer Brüdergemeine Deutschlands, der jüngere Bruder als sein mehrjähriger Hausgenosse. Seine Geburt fiel in eine sehr unruhige Zeit. Das ganze Thal war mit Kriegsvolk der französischen Republik gefüllt, und am Tage seiner Taufe (24. Sept.) vernahmen die Gäste be einem Spaziergang auf eine Anhöhe deutlich den Kanonendonner der Schlacht bei Zürich.
Er war geistig ungewöhnlich früh und rasch entwickelt, so daß er mit vier Jahren schon anfieng, in der Kinderlehre aufzusagen, und schon auf Weihnacht 1813 confirmiert wurde. Dabei hatte er aber eine schwache Gesundheit, so sehr, daß ihm noch in seinem reiferen Jünglingsalter der Arzt seine Bedenken wegen einer drohenden Auszehrung nicht verhehlte. Aber in dem kränklichen Körper wohnte ein Geist von großer Kraft, der den Leib beherrschte und zugleich aufrichtete, so daß er schon als Knabe durch beharrlich fortge sezte Uebung und Anstrengung sich zu stählen bestrebt war.
So war schon frühe in ihm der Grund gelegt zu einem Hauptzuge seines Wesens. Sein Gemüth war kein leichtes und nahm alle Dinge schwer und tief, und er mußte alles in der Tiefe für sich verarbeiten, ehe er mit andern ein Wort darüber reden konnte.
Den ersten Unterricht nicht nur in den Elementarfächern, sondern auch in den alten Sprachen und manchen andern Kenntnissen empfieng er von seinem trefflich gebildeten Vater, so daß er im Jahre 1817 das Magisterexamen glücklich bestand.
Besonders aber lag den Eltern, vermöge ihres frommen Sinnes, von Herzen an, das Gemüth ihres Knaben religiös zu bilden, und es gelang ihnen, eine Ehrfurcht vor dem Heiligen schon frühe in ihm zu erwecken, welche ihn nie wieder verlassen hat. Er hat es in späteren Jahren gelegentlich mit Wärme ausgesprochen, wie viel er empfangen habe von dem geistlichen Leben, welches der Brüdergemeine eigen ist, mit der seine Eltern in Verbindung standen, und mit deren Gliedern er lebenslang mannigfache herzliche Gemeinschaft pflegte, ohne daß er ihr selber angehört hätte. Denn sein inneres Leben nahm eine entschieden eigenartige und selbständige Entwicklung. Der Grundzug desselben, schon von frühern Jahren her in ihn gelegt und in ihm genährt, war die Gewißheit, daß die jetzt noch für uns unsichtbare Welt eine wahre heilige und selige Wirklichkeit ist. Er schöpfte hiefür an dem Quell der heiligen Schrift und forschte in derselben mit klarem und tiefem Geiste und ernsten wissenschaftlichen Studien, die er bis in seine letzte Lebenszeit fortgesetzt hat mit einem Eifer, welchem die Arbeit ein Lebensbedürfniß war. Von hier aus lernte er an dem Verständniß der Heilsgedanken Gottes zur Erlösung der Welt durch Jesum Christum. Durch die Weissagung des alten und neuen Bundes, besonders durch das Wort des Herrn selber, wurde sein Blick auf die große Hauptsache gerichtet: das Reich Gottes und seine Vollendung in der Erscheinung des verklärten Erlösers. Mit diesem Blicke betrachtete er die Ereignisse der Weltgeschichte, die schon des Knaben gespannte Aufmerksamkeit erregt hatten, und denen er noch in seinen letzten Lebenswochen folgte. Von hier aus entsprang ihm auch eine aufrichtige Achtung und Liebe für Israel, das Volk der Verheißung, und zugleich eine hoch- und weitherzige Auffassung für die heilige Bedeutung und Aufgabe der Kirche Jesu Christi in ihrer jetzigen Knechtsgestalt und Kreuzesbahn sowie in ihrer künftigen Herrlichkeit.
Und für seine eigene Person stand klar und fest vor ihm das Lebensziel: entgegen zu kommen seinem Heiland und der Gemeine der Vollendeten auf dem Glaubenswege des Gehorsams und des Kreuzes, und dabei etwas mithelfen zu dürfen an dem Bau der Gemeine Jesu auf Erden – nach seinem Ausdruck Steine zu tragen um Jesu willen.
Er hatte nach seinem eigenen und der Eltern Wunsche sich zum Studium der Theologie gewendet und stand noch in demselben, als seine Eltern, die inzwischen nach Kleinhüningen versetzt waren, in einem und demselben Jahre starben (die Mutter am 8. Januar, der Vater am 27. November 1820). Im Herbste 1821 wurde er Candidat, und da er seine sämmtlichen Studien …
Quelle:
Zum Gedächtniß an Antistes Sam. Preiswerk (Auf Veranstaltung des E. Kirchenraths von Basel). Leichenrede bei der Beerdigung des Herrn Samuel Preiswerk, Dr. Theologiæ und Antistes der baslerischen Kirche, gehalten im Münster den 16. Januar 1871 durch J.R. Respinger, Pfarrer zu St. Leonhard. Basel, Buchdruckerei von J.J. Mast (Franz Wittmer).
[Digitalisat]