Offenbarung 1, 3 (Roos/Hiller)

Selig ist, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe. (Offenbarung 1, 3)

Indem Johannes schrieb: selig ist, der da liest, und die da hören die Worte der Weissagung u.s.w., so forderte er nicht, daß der Vorleser und die Zuhörer alle Worte dieser Weissagung verstehen sollen, denn die verheißene Seligkeit hängt nicht von diesem völligen Verständnis ab: hingegen mußten jener und diese schon zur Zeit des Johannes so viel von dieser Weissagung verstehen, als ihnen damals nötig war, und so verhält es sich mit Allen, welche zu allen Zeiten das Buch der Offenbarung zu ihrem geistlichen Nutzen lesen, oder als vorgelesen hören sollen.

Johannes sagte, die Zeit sei nahe, da dieses Buch anfangen werde, in die Erfüllung zu gehen, man solle es also nicht weglegen und ungebraucht liegen lassen, sondern alsbald in den Gemeinden vorlesen, und wenn es vorgelesen werde, aufmerksam anhören. Alle damaligen Gemeinden hatten insonderheit nötig, dasjenige zu verstehen und zu Herzen zu nehmen, was der Geist aus dem Munde Jesu ihnen in den sieben Briefen Kap. 2. und 3. sagte. ob nun gleich diese sieben Briefe zu allen Zeiten sehr nützlich sind, so haben doch die Christen in den folgenden Zeiten noch besonders auf diejenigen Teile dieser Weissagung Achtung zu geben gehabt, welche zu ihrer Zeit erfüllt wurden. Man bemerkt auch in den alten Schriften, daß sie zu derjenigen Zeit, da Viele um des Namens Christi willen getötet wurden, auf dasjenige besonders aufmerksam gewesen seien, was Offenb. 6, 9.10.11 von den Seelen der Märtyrer geschrieben steht. Christen, die zur gegenwärtigen Zeit leben, sollen vornehmlich dasjenige verstehen lernen und beherzigen, was vom 13. Kapitel der Offenbarung an geweissagt ist. Ueberdies enthält das Buch der Offenbarung Vieles, das zu allen Zeiten zur Erweckung und Stärkung des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung nützlich sein kann, wie denn darin von der Macht des erhöhten Heilandes, von der Gemeinschaft der Heiligen, von den himmlischen Dingen, von dem Ende der Welt und von der Stadt Gottes deutlichere und ausführlichere Nachrichten enthalten sind, als in allen andern Büchern der heiligen Schrift; und weil alle diese Nachrichten von unsichtbaren Dingen handeln, so haben alle den Geist der Weissagung zum Urheber, und sind eigentliche Weissagungen. Wer nicht wahrnimmt, daß dieses Buch der Weissagung durch eine göttliche Offenbarung entstanden sei, und der Mund des HErrn darin rede, hat weniger geistliches Gemerk und Gefühl als die Knechte der Pharisäer und Hohenpriester, deren Joh. 7, 46 Meldung geschieht. Soll aber dieses Buch einem Lesenden oder Hörenden zur Seligkeit dienen, so muß die darin enthaltene Wahrheit Buße, Glauben, Wachsamkeit, Geduld, Hoffnung, und einen steten Fleiß, die Gebote Gottes zu halten, wirken. Auch darf der Eindruck, den sie macht, nicht wieder verschwinden, sondern muß bewahrt werden. Die Unterhaltung des Vorwitzes ist nicht der Zweck dieses Buches, sondern die Seligkeit der Menschen. Wer die Worte dieses Buches bewahrt, den bewahren sie hinwiederum in den gefährlichen Versuchungen, die auf Erden entstehen.

HErr, laß dieses mir und allen Auserwählten zu dieser Zeit widerfahren!

(Magnus Friedrich Roos)

Daß Gott die Offenbarung Christo gegeben, sollen wir mit allem Dank erkennen; daß Jesus sie dem Johannes gegeben, und daß sein Geist zu nötigen Zeiten Verstand davon gibt, auch Gott danken.

Mel.: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende

1) Man dankt Dir, Gott, die Offenbarung,
Die Jesus Christus ausgestellt;
Sie dient dem Glauben zur Bewahrung,
Bis Hur‘ und Tier und Drache fällt.
O Wohltat! weil doch selig ist,
Wer Jesu Christi Buch recht liest.

2) Da lernt der Glaube freudig hoffen,
Auf das, was Gott bereitet hat;
Da zeigt der Himmel selbst sich offen,
und Neu-Jerusalem, die Stadt;
Da lernen seine Heiligen
Hier in Geduld und Glauben steh’n.

3) Da rechnen sie auf Jahr und Zeiten,
Die Gottes Rat zuvor bestimmt,
Sie sehen schon ihr Heil im weiten,
Und wenn ihr HErr sie zu sich nimmt,
Bis zu dem endlichen Gericht
Der noch verborg’ne Tag anbricht.

4) Das ist ein Werk von Deiner Treue,
O Gott, und Dir sei Lob dafür!
So machst Du frei von Menschenscheue,
Und lehrst die wahre Furcht vor Dir;
So hat auch nach dem Martertum
Gott und das Lämmlein ewig Ruhm.

Liedtext. Philipp Friedrich Hiller (1699-1769)
Melodie: 1657, Georg Neumark (1621-1681)
Andere Melodie: Peter Huxthal

Quelle: Morgen=Andacht zum 19. November, in: M. Magnus Friedrich Roos, württ. Prälaten zu Anhausen Christliches Hausbuch, welches Morgen= und Abend=Andachten auf jeden Tag des ganzen Jahres nebst beigefügten (Hiller’schen) Liedern enthält. Nebst einem Anhange von weiteren Gebeten für zwei Wochen und für einige besondere Fälle. Mit dem Lebensabriß des sel. Verfassers, eingeleitet von seinem Urenkel Repetent Fr. Roos. Mit einem Stahlstich. Stuttgart, 1860. Druck und Verlag von J. F. Steinkopf. Seite 897f. [Digitalisat]

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Eingestellt am 5. Januar 2023 – Letzte Überarbeitung am 11. Oktober 2023